Nach Tod eines Säuglings: Eltern in Salzburg vor Gericht

Symbolbild
Nach dem Tod eines Säuglings, der im vergangenen Herbst in der Stadt Salzburg an einem Schütteltrauma gestorben war, mussten sich am Donnerstag am Landesgericht seine Eltern wegen Mordes und fortgesetzter Gewaltausübung verantworten.

Die Staatsanwaltschaft Salzburg sieht die 20-jährige Mutter als unmittelbare Täterin und den 25-jährigen Vater des Buben als Beitragstäter durch Unterlassung. Die Frau wies die Schuld dem Kindesvater zu. Dieser bestritt die Vorwürfe.

Nach der Obduktion kamen Gerichtsmediziner zu dem Ergebnis, dass der sieben Wochen alte Bub am 22. Oktober sieben bis zehn Mal geschüttelt und auch geohrfeigt worden war. Das Kind sei an den massiven Verletzungen der Hirnhäute und des Gehirns aufgrund von Sauerstoffmangel verstorben, führte Staatsanwältin Elena Haslinger aus.

Dem Baby sei auch über einen längeren Zeitraum, von Ende September bis 21. Oktober, Gewalt durch die Mutter angetan worden. Sie habe ihren Sohn mehrmals mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, geschüttelt und ihn gewürgt, bis er sich bläulich verfärbt habe, „wenn sie einen schlechten Tag gehabt hat“, erklärte die Staatsanwältin.

"Mit der Mutterschaft überfordert"

Die Angeklagte lernte ihren Freund im März 2021 kennen und lebte mit ihm in seinem 21 Quadratmeter großen Zimmer zusammen. Laut Haslinger habe sie kein Kind haben wollen, insbesondere keinen Sohn, und sei mit der Mutterschaft überfordert gewesen. Sie habe sich geweigert, das Baby zu berühren, es zu baden, die Windeln zu wechseln oder es zu füttern. Zudem habe sie aggressiv reagiert, wenn es weinte.

Weil ihr damaliger Freund die Tathandlungen zwar bemerkt, aber nichts unternommen habe, um seinen Sohn zu schützen, obwohl dies als Vater seine Verpflichtung gewesen wäre, sei er als Beitragstäter durch Unterlassung angeklagt worden. Im Ermittlungsverfahren habe er angegeben, dass er aus Angst, wegen einer Fürsorgepflichtverletzung beschuldigt zu werden, nicht eingegriffen habe. „Das Einzige, was er machen hätte müssen, ist Elias zu nehmen und ihn in Sicherheit zu bringen“, gab Haslinger zu bedenken.

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Noch zu Lebzeiten des Babys habe seine Mutter per Handy im Internet Antworten auf Fragen gegoogelt, zum Beispiel am 29. September „wie schnell erstickt ein Baby“, schilderte die Staatsanwältin. Auch der Vater des Buben habe nach gewissen Schlagwörtern gesucht, wie „Baby an Babyklappe abgeben“ oder „Mutter hasst ihr Baby, warum?“ und „Adoption“.

Ein Kinderarzttermin am 20. Oktober sei von den Eltern nicht wahrgenommen worden, weil sie befürchtet hätten, dass der Arzt die Misshandlungen bemerken hätte können. Das Baby habe bereits Zuckungen und Krämpfe erlitten und nicht mehr aus dem Fläschchen getrunken.
Ein gerichtlich beeideter Sachverständiger stellte bei der Mutter eine erhebliche Persönlichkeitsstörung fest. Der Psychiater empfahl eine Einweisung in eine Anstalt in ein forensisch-therapeutisches Zentrum.

"Ich hab versucht, einzugreifen"

Bei der Einvernahme durch die vorsitzende Richterin Bettina Maxones-Kurkowski brach die 20-Jährige immer wieder in Tränen aus. Die Vorwürfe gegen sie würden nicht stimmen, beteuerte sie. Sie habe ihren Sohn nie geschlagen und auch nie misshandelt. Die Taten habe ihr damaliger Freund gesetzt, der sehr besitzergreifend und eifersüchtig gewesen sei und auch sie geschlagen habe. Er habe das Baby geschlagen und gewürgt, wenn es zu weinen angefangen habe. Ab einem Alter von zwei Wochen habe er es auch geschüttelt. „Ich habe versucht einzugreifen, aber jedes Mal einen Schlag ins Gesicht bekommen.“

Warum sie dann bei der Polizei erklärt habe, dass auch sie das Baby geschlagen habe, wollte die Vorsitzende wissen. Sie habe ihren damaligen Freund in Schutz nehmen wollen, damit er nicht ins Gefängnis müsse, antwortete die Angeklagte. „Ich hatte Angst, er würde mich schwer verletzen, dass er mich rausschmeißt und ich nicht mehr die Gelegenheit habe, das Kind zu schnappen.“ Andererseits habe er sie behandelt „wie ein Schoßhündchen“.

"Ich bin scheu"

Die Google-Suchanfragen mit ihrem Handy habe ihr damaliger Freund getätigt, nicht sie. „Warum sagen Sie relevante Dinge nicht gleich“, konfrontierte die Richterin die Frau mit anderslautenden Versionen, die sie bisher erzählt hat. „Ich bin scheu“, sagte die Angeklagte. Und auf die Frage, ob sie den Eindruck habe, dass sie mit ihrem Sohn alles richtig gemacht habe, gestand sie ein: „Nein, ich habe ihm nicht geholfen.“

Sie bekannte sich zur Unterlassung für schuldig. Warum steigere sie die Vorwürfe gegen ihren damaligen Freund, diese würden ja immer dramatischer klingen, hakte die Richterin noch einmal nach.„Ich habe mich entschieden, weil es um mein Leben geht“, sagte die Beschuldigte. Die Vorsitzende konfrontierte sie auch mit einem „erheblichen Aggressionspotenzial“, das in einem früheren Verfahren gegen sie festgestellt worden war. „Ich habe damit aufgehört“, antwortete sie. Sie sei nicht sadistisch veranlagt und auch nicht emotional instabil.

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Ihre Verteidigerin hatte zuvor erklärt, dass die Angeklagte massive Gewalt in ihrer Kindheit erfahren habe und sie ihren Sohn vermisse. „Sie hat ihn geliebt und er fehlt ihr.“ Die Anwältin bezeichnete den beschuldigten Vater als „ziemlichen Versager im Leben“, der Macht über andere ausübe. Das Ganze sei eine unfassbare Tragödie, der Erstangeklagte habe das Kind „systematisch zu Tode gequält“.

Der Verteidiger des 25-Jährigen erklärte hingegen, der Angeklagte werde sich nicht schuldig zu dem Vorwurf des Mordes durch Unterlassung bekennen. Der Mann sei unsterblich in die Frau verliebt gewesen, „er stand unter ihren Fittichen“. Er sei stets der Annahme gewesen, dass sie die Misshandlungen beenden würde. Der Beschuldigte habe noch zwei weitere Kinder. „Sie sind gesund. Er hat eine gute Beziehung zu ihnen, er ist ein liebevoller Vater“.

Kindesvater bestritt Vorwürfe

Der Kindesvater wies die Anschuldigungen der 20-Jährigen zurück. „Das stimmt absolut nicht“, sagte er zur Vorsitzenden. Er habe schon etwas falsch gemacht, aber dem Baby nie etwas zuleide getan. „Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mit Kindern gut umgehe.“ Im Gegensatz zu seinem ersten Sohn sei Elias ein sehr braves Kind gewesen, sagte er mit leiser Stimme. Für Prozessbeobachter machte es den Anschein, als wolle er die Kindesmutter nicht massiv belasten. Entgegen seinen früheren Angaben, bei denen er von mehrmaligen Gewalthandlungen der Mutter gegen das Baby gesprochen hatte, nannte er heute nur zwei Vorfälle, die er selbst gesehen habe.

Einmal habe er beobachtet, wie sie Elias eine Ohrfeige verpasst habe, als dieser geschrien habe, und das Baby ein blaues Auge davongetragen habe. „Ich bin sogleich dazwischen gegangen.“ Und am 22. Oktober habe sie in der Früh ihren Sohn mit beiden Händen gepackt und „drei-, vier-, fünfmal, wenn nicht öfters“ geschüttelt, nachdem dieser zu weinen angefangen und das mit einer Windel am Gitterbett fixierte Fläschchen ausgespuckt habe. „Ich sagte, sie soll damit aufhören. Sie legte ihn dann wieder hin und gab ihm eine Ohrfeige.“

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Er selbst habe noch geschaut, ob mit Elias alles in Ordnung sei, und ihn an den Haaren gestreichelt. „Mir ist nichts aufgefallen, sonst hätte ich ihn sofort genommen und ihn ins Krankenhaus gefahren“. Er habe sich dann wieder schlafen gelegt.
 

Einige Stunden später lag das Baby leblos im Bett, der Vater verständigte die Rettungskräfte. Zunächst ging man von einem plötzlichen Kindstod aus. Doch die Obduktion ergab ein anderes Bild. Der Bub starb durch äußere Gewalteinwirkung.

Dem Gutachten zufolge wies das Kind auch ältere Verletzungen auf - „waren Sie das?“, fragte die Vorsitzende den Angeklagten. Das sei wahrscheinlich die Mutter gewesen, aber gesehen habe er das nicht, antwortete er. Laut Einvernahmeprotokoll im Ermittlungsverfahren hatte er allerdings ausgesagt, die Mutter habe das Baby öfters geschüttelt und geschlagen.

„Vielleicht habe ich etwas falsch verstanden“, ruderte er heute zurück. Die Richterin hielt ihm auch eine Aussage vor, wonach er gesagt habe, „ich wusste, dass ich etwas tun hätte sollen, aber ich habe nichts getan“. Dazu der Angeklagte: „Ich dachte, dass es besser wird. Es gab Tage, da war sie normal.“
Seine damalige Freundin sei aus seiner Sicht sehr abgeneigt dem Kind gegenüber gewesen, schilderte er. „Sie war lieblos und ist mit dem Kind grob umgegangen.“

Aber weitere Gewalttaten habe er nicht gesehen. Er habe sich um Elias gekümmert, ihm das Fläschchen vorbereitet und ihn gebadet. „Ich habe ihr das meiste abgenommen. Sie hat ihn nie gebadet.“ Er erzählte noch, dass ein gemeinsames Kind nicht geplant war. „Wir waren anfangs schockiert.“ Sie hätten sich auch im Spital beraten lassen, doch die Schwangerschaft sei da bereits fortgeschritten gewesen. Er habe den Eindruck gehabt, seine Freundin habe sich auf das Kind gefreut, und er habe sich gedacht, „sie ist noch jung und wird das schon hinkriegen und ich unterstütze sie“.

Der Prozess wird morgen, Freitag, fortgesetzt. Die beiden Angeklagten befinden sich derzeit in Untersuchungshaft.

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