Nach Schicksalsschlag: Ein großes Herz für Selina

Selina (links mit Ball) kann sich nicht mehr alleine bewegen. Auf Berührungen ihrer Liebsten reagiert sie aber noch.
Eine junge Sportlern liegt nach einem plötzlichen Herzstillstand im Wachkoma. Ein Pilot absolviert für sie das vielleicht härteste Radrennen Österreichs.

Es hätte eine gemütliche Laufrunde werden sollen. Für Mitte Februar war es mild in der niederösterreichischen Gemeinde Markthof (Bezirk Gänserndorf). Selina Leiss verabschiedete sich von ihren Eltern, gemeinsam mit Familienhund Lilo joggte sie los in Richtung Wald. Nichts Außergewöhnliches für die 27-Jährige, die seit ihrer Jugend Leistungssport betrieb.

Doch der 18. Februar 2021 sollte für die junge Frau alles verändern. Was genau geschah, wird man nie wissen. Viel deutet daraufhin, dass sie im Wald kollabierte. Eine sogenannte Reizleiterstörung, das Herz hört einfach auf zu schlagen. Ein Jäger fand die Sportlerin schließlich, weil Hund Lilo nicht von ihrer Seite gewichen war.

Kämpferin

Selina hatte zu diesem Zeitpunkt nur mehr 32 Grad Körpertemperatur. Dass sie nach 90-minütiger Reanimation zurückkam, grenzt an ein Wunder und zeigt, wie stark die Basketballerin ist. Stark mussten in den vergangenen Monaten aber auch Selinas Angehörige sein. Die junge Frau trug schwerste neurologische Schäden davon, aus medizinischer Sicht ist ihre Zukunft definiert: Wachkoma.

„Die Ärzte meinten, wir sollten uns auf den Abschied vorbereiten. Dann wurde eine minimale Gehirnfunktion festgestellt. Von da an hieß es weiterkämpfen“, erzählt Selinas Mutter Sonja. Genau das tut die Familie seither. Das Elternhaus wurde barrierefrei umgebaut, Rollstuhl und teure Spezialgeräte wurden angeschafft. Sonja Leiss verbringt nach der Arbeit täglich drei Stunden im Spital und lernt, wie man einen Menschen pflegt, der nicht mehr mit der Umwelt interagieren kann.

Nach Schicksalsschlag: Ein großes Herz für Selina

Berufspilot Thomas Jaufer fährt für eine Wachkomapatientin. Unterstützt wird er von freiwilligen Helfern. Mit dabei: Piloten, Flugbegleiterinnen, ein Techniker und ein Physiotherapeut.

Anfang Juni hörte Thomas „Jaufi“ Jaufer von dem tragischen Schicksalsschlag. Der Austrian-Airlines-Pilot kennt Selinas Mutter seit 25 Jahren. Die 53-Jährige ist in der AUA Trainingsabteilung eine der dienstältesten Mitarbeiterinnen. „Sonja ist immer herzlich und hilfsbereit. Ihre Tochter ist ganz ähnlich.“ Für den Familienvater und erfahrenen Ausdauersportler war klar, dass er helfen will.

Schon am nächsten Tag saß er mit seinen Pilotenkollegen Thomas Kopp und Guido Probst zusammen. Rasch war die Idee geboren, das Ultraradrennen „Race Around Austria“, für das er bereits Monate trainierte, für Selina zu fahren.

1.500 Kilometer

„Jaufi“ hat es sich zum Ziel gesetzt, 1.500 Kilometer in 93 Stunden zu absolvieren. Start ist kommenden Mittwoch in St. Georgen im Attergau in Oberösterreich: Für jeden gefahrenen Kilometer hofft er auf eine Spende von zehn Euro, um Selinas Familie bei der Pflege zu unterstützen. Seine „Co-Piloten“ begleiten ihn im Auto. Sie geben das Tempo vor, kümmern sich um Technik, Verpflegung sowie Regeneration (drei Stunden Schlaf gehen sich pro Tag aus).

15.000 Euro 
lautet das Spendenziel. Das Geld wird von einem Pflegschaftsgericht verwaltet. Selina wird ihr restliches Leben Pflege brauchen. Wer helfen will, findet alle Infos unter: 
j4s.jimdosite.com

Das Rennen
Wie der Name schon sagt, führt das „Race Around Austria“ der Grenze entlang um Österreich. Jaufer fährt die kürzere Route ohne Westteil. Den Fortschritt kann man verfolgen unter:
racearoundaustria.at 

Zwischenstopp 
Laut dürfte es werden, wenn die Sportler durch die Gemeinde Marchegg (Bez. Gänserndorf) fahren. Selina ist in der Nähe aufgewachsen. Jaufer wird am Donnerstag, 12. August, gegen 21 Uhr erwartet. Selinas Freund verkauft Getränke und Snacks für den guten Zweck.

Seit einigen Tagen wird das Vorhaben beworben. „Die Rückmeldungen sind überwältigend. Wir bekommen viele persönliche Mails, selbst ehemalige Kollegen wollen helfen. Bisher war es nur ein Rennen, aber durch diesen Zusammenhalt bekommt der Sport einen ganz anderen Stellenwert“, gibt sich Jaufer topmotiviert.

Ähnliches erfährt derzeit Sonja Leiss, für die es nicht leicht war, so viele Menschen am Schicksal ihrer Tochter teilhaben zu lassen. „Es ist bewegend, was die Menschen auf Social Media schreiben und wie viel Rückhalt da ist. In der Arbeit, aber auch in der Basketballszene.“

Letzteres ist für die Mutter, die ihre Tochter bei ihren sportlichen Ambitionen immer unterstützt hat, besonders schön: „Selina hat fertig studiert, seit vier Jahren als Medienplanerin gearbeitet und daneben mit ihrem Freund ein Haus gebaut. Trotzdem ist sie dem Basketball immer treu geblieben.“ Selina spielte zuletzt in der Bundesliga und dem Nationalteam.

Nach Schicksalsschlag: Ein großes Herz für Selina

Selina sammelte seit ihrer Kindheit unzählige Medaillen.

„Wir sind zwei leidenschaftliche Sportler. Ein passionierter Ausdauersportler und eine begnadete Basketballerin. Einer hatte Glück, die andere Pech. Ich kann noch und springe deshalb in die Bresche“, erklärt Jaufer den Gedanken hinter der Aktion. Wenn das Rennen geschafft ist und Selina im September nach Hause kann, wollen er und sein Team sie besuchen.

Davor warten aber 1.500 Kilometer im Sattel. Jaufer freut sich darauf, denn die ersten Spenden trudeln bereits ein: „Wir haben schon vor dem ersten Kilometer etwas bewegt.“ Wer spenden möchte:  AT52 1200 0100 3433 0398; Empfänger: Selina Leiss. 

Weitere Infos: https://j4s.jimdosite.com/

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