Nach Hooligan-Razzia: „Es geht nicht um Fußball, sondern um Neonazismus“

Schwer bewaffnete Polizisten hämmerten am Mittwoch in den frühen Morgenstunden zeitgleich gegen sieben Türen in Wien und Niederösterreich. Verfassungsschützer hatten die Razzia bei 13 Mitgliedern der rechtsextremen Hooligan-Gruppe „Unsterblich Wien“ eingefädelt.
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„In der Hooligan-Szene besteht eine allgemein hohe Gewaltbereitschaft. Wenn diese Gewaltbereitschaft auf Rechtsextremismus trifft, entsteht eine sehr gefährliche Lage“, kommentierte der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Franz Ruf am Freitag den Einsatz.
Dass es sich bei den 13 Personen im Visier der Ermittler um keine gewöhnlichen Fußball-Fans handelt, zeigt die Ausbeute der Hausdurchsuchungen: „Bei den Verdächtigen konnten zahlreiche NS-Devotionalien, Kutten, Waffen, Handys, Datenträger und kleine Mengen Suchtmittel sichergestellt werden“, hieß es aus dem Innenministerium.
Als erfreulichen Schlag gegen die rechtsradikale Hooligan-Szene bezeichnet Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) die Razzia. Der Rechtsextremismusforscher beschäftigt sich bereits länger mit gewaltbereiten Hooligans.
Im Juni wurde ein Waffenlager bei rechtsradikalen Rockern in OÖ ausgehoben. Gibt es Anknüpfungspunkte zu den Hooligans?
Andreas Peham: Es gibt auf jeden Fall ideologische Überschneidungen. Es liegt dieselbe Skinhead-Subkultur zugrunde. Auch bei der Musik oder neuerdings der Nähe zum Kampfsport gibt es Berührungspunkte.
Sind alle Hooligans rechtsextrem?
Pauschal kann man das nicht sagen. Ein großer Teil der Szene gibt sich unpolitisch. Inwiefern das eine Schutzbehauptung ist, sei dahingestellt. Abgesehen davon gibt es misogyne und gewaltverherrlichende Muster, die ebenso politisch problematisch sind.
Wo findet die Abgrenzung zu herkömmlichen Fans statt?
Die Austria hat „Unsterblich Wien“, bei Rapid gibt es die „Alte Garde“, ein dem Rechtsextremismus ebenfalls nicht abgeneigter Fanklub. Neonazistische Mitglieder der rivalisierenden Vereine kooperieren dann bei der Hooligan-Gruppe „Eisern Wien“ – für echte Fans undenkbar. Da geht es nicht mehr um den Fußball, sondern um Neonazismus.
Obwohl es den „Fanklub“ der Wiener Austria schon seit Jahrzehnten gibt, beschränkt sich die Nähe zum Neonazismus auf die Zeit ab 2009. „Die neonazistische Subkultur ‚Blood and Honour‘ aus England hat damals auch die österreichische Hooligan-Szene unterwandert“, erinnert sich Peham.
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Rechtsextreme Symbole wie die Reichskriegsflagge oder das Keltenkreuz seien ab diesem Zeitpunkt im Umfeld der Austria häufiger zu sehen gewesen. Auch die Stürmung des Ernst-Kirchweger-Hauses, eines linken Kulturzentrums in Wien-Favoriten, durch „Unsterblich Wien“ fällt in diesen Zeitraum.

Forscher Andreas Peham sieht Parallelen zwischen rechtsextremen Rockern und Hooligans.
Geschwächte Hooligans
Obwohl sich Austria Wien bereits 2013 von den radikalen Hooligans distanzierte, einige Mitglieder mit Hausverboten belegte und der Gruppierung den Fanclub-Status entzog, verschwand diese nie von der Bildfläche. Peham zufolge unter anderem deshalb, weil die „Fanatics“, der führende Fanklub der „Violetten“, sich schützend vor die rechtsextreme Minderheit stellte.
Diese Zeiten seien aber vorbei, da sich die „Fanatics“ Anfang des Jahres auflösten. Mittlerweile gibt die unpolitisch auftretende Fangruppierung „KAI2000“ den Ton an.
„Die Hausdurchsuchung kam zu einem günstigen Zeitpunkt. ‚Unsterblich Wien‘ hat vielleicht noch 50 Mitglieder, früher waren es mehr als doppelt so viele. Die Auflösung der ‚Fanatics‘ schwächt sie zusätzlich“, erklärt Peham. Der Experte betont allerdings, dass es auch bei anderen Fußballmannschaften problematische Anhänger gebe. Etwa bei Rapid, dem GAK oder LASK.
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Der Extremismusforscher warnt dennoch davor, alle Fans über einen Kamm zu scheren: „Nicht jeder Hooligan ist ein Nazi. Und bei Weitem nicht jeder Fan ist ein gewalttätiger Hooligan.“ Nachsatz: „Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass neonazistische Hooligans besonders gewalttätig sind.“
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