Nach Europarat kritisieren auch Muslime die Regierung

IGGÖ-Präsident Ümit Vural.
IGGÖ-Präsident Ümit Vural sieht Verantwortung für Islamfeindlichkeit nicht zuletzt bei der ÖVP.

Kritik an der Reaktion der österreichischen Bundesregierung auf den Rüffel des Europarates, übt der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ümit Vural. Wie berichtet, zeigte sich der Antidiskriminierungsausschuss des Europarats in einem Bericht besorgt über den zunehmend fremden- und islamfeindlichen öffentlichen Diskurs in Österreich.

„Anstatt jedoch auf die Expertise und die Empfehlungen des Gremiums einzugehen, beschränkt sich die Bundesregierung auf einen einzelnen Punkt aus dem 50 Seiten umfassenden Bericht - nämlich die Frage nach dem Kopftuchverbot an österreichischen Volksschulen“, beanstandet Vural. Die damit zusammenhängende Bewertung der Experten in Straßburg werde damit zurückgewiesen.

"Zunehmend rassistisches Klima"

Wenngleich sich die IGGÖ vehement gegen das verfrühte Tragen eines Kopftuchs bei Mädchen und jeden darauf abzielenden Zwang ausspreche, stelle die im Mai 2019 erfolgte Änderung des Schulunterrichtsgesetzes einen Verstoß gegen Rechtmäßigkeit und Neutralität dar, betont der Präsident. Dies bestätige nun auch die Kommission, die betont, dass sich das „Herausgreifen einer bestimmten Gruppe“ nachteilig auf die Inklusion auswirken und zu Diskriminierung führen könne.

Die Bundesregierung sei daher aufgefordert, das Gesetz zu überarbeiten, um sicherzustellen, dass es „den Neutralitätsgrundsatz respektiert, ein legitimes Ziel verfolgt und frei von jeglicher Form von Diskriminierung einer bestimmten Gruppe von SchülerInnen ist“, hieß es vom Europarat.

Das zunehmend rassistische Klima in Österreich führe dazu, dass Muslime immer häufiger Opfer von Übergriffen werden. Die Zahl der dokumentierten Fälle von Hassrede und hassmotivierter Gewalt gegenüber MuslimInnen sei im Vergleich zum Vorjahr - insbesondere in Zeiten politischer Wahlkämpfe - um schockierende 74 Prozent gestiegen, sagt Vural.

Appell an die ÖVP

Die ECRI fordert die politischen Führungskräfte daher auf, sich „unmissverständlich gegen jede rassistische Hassrede auszusprechen und auf die Äußerung solcher Hassrede mit einer eindeutigen Gegenbotschaft zu reagieren“.

Der IGGÖ-Präsident schlägt in dieselbe Kerbe - und kritisiert damit nicht zuletzt die ÖVP. Denn diese habe polarisierende und rassistische Aussagen viel zu lange toleriert.

„Ich appelliere daher an politische EntscheidungsträgerInnen, sich eingehend mit den von der Kommission formulierten Vorschlägen zur Lösung der aufgezeigten Probleme auseinanderzusetzen und Maßnahmen zu ergreifen, um die rassistischen Tendenzen in unserem Land einzudämmen. Alle Vorfälle, bei denen Menschen öffentlich erniedrigt, beleidigt und diskriminiert werden, sei es aus rassistischen, antimuslimischen, antisemitischen, homophoben oder sexistischen Gründen, sind uneingeschränkt zu verurteilen“, resümiert Vural.

Gegen das Kopftuchverbot in der Volksschule brachte die IGGÖ, wie berichtet, eine Verfassungsklage ein. Behandelt dürfte sie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in seiner Juni-Sitzung.

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