"Nach 48 Stunden sagen wir tschüss"

Den hausbesuchenden Arzt gibt immer noch, aber nicht mehr lange - das ist durchaus zu befürchten.
Herzchirurgin und Betriebsrätin Petra Preiß über aktuelle und zukünftige Zustände in den Spitälern.

Kärntens Ärzte proben den Aufstand. Am Donnerstag formierten sie sich sogar zu einem Demonstrationszug, der für die Anhebung der Grundgehälter um 30 Prozent kämpfte. An vorderster Front und bei den Verhandlungen mit dem Land Kärnten dabei ist Petra Preiß, Herzchirurgin und Betriebsrätin im Klinikum Klagenfurt. Im KURIER-Interview spricht die 53-Jährige über die Stimmungslage der Mediziner, die zähen Verhandlungen und die Folgen für die Patienten ab 1. Jänner 2015.

KURIER: Am Montag gibt es weitere Verhandlungen zwischen Ärzteschaft und dem Land Kärnten. Täuscht der Eindruck, dass die Fronten verhärtet sind? Preiß: In der Sache ist nichts weiter gegangen. Das Land hat eine Erhöhung des Grundgehalts um 0,5 Prozent geboten. Das nenne ich ein Null-Angebot. Die Ärzte sind nicht mehr bereit, für Systemfehler geradezustehen und dann müssen wir uns noch dafür entschuldigen, dass wir Geld fordern. Aufgrund der Verdichtung machen wir derzeit Dinge, die wir nie und nimmer machen müssen und teilweise gar nicht machen dürfen. Viele schreiben die wöchentlichen Überstunden von 73 bis 80 gar nicht mehr auf.

Sie sind seit 20 Jahren im Klinikum Klagenfurt tätig. Was hat sich inzwischen geändert?Früher waren die Ärzte bei Nachtdiensten im Bett, heute müssen sie teilweise 28 Stunden durcharbeiten. Mein Arbeitsrekord in einem Monat sind 356 Stunden. Es wird beim Personal gespart, es wird bei Nachtdiensten gespart, es werden Stunden reduziert. Heute werden Patienten durchs System getrieben, weil alles Geld kostet. Wir bringen die doppelte Leistung in der halben Zeit. Oft bin ich nach einem Nachtdienst so paniert, dass ich nicht weiß, ob ich noch Auto fahren sollte. Wir haben gottverdammt Anspruch auf Ruhezeiten, können sie aber nicht nehmen, weil rundherum Personal fehlt. Wir sind Weltmeister im Zutode-Analysieren von Missständen, aber man ändert nichts. Daher werden wir es ab 1. Jänner ändern, weil wir am Sand sind, weil wir angefressen sind. Wir haben gehofft, dass die Überbelastung mit dem neuen Arbeitszeitgesetz reduziert wird. Dass damit ein Lohnverlust verbunden ist, ist aber nicht akzeptabel. 20 Jahre lang hat uns Ärzten niemand zugehört, jetzt haben wir eine Handhabe, damit man uns zuhört. Wir glauben nicht, dass unsere Arbeit mit 48-Stunden-Wochen-Schichten funktioniert. Das werden wir beweisen – österreichweit, weil das Problem erkennen ja andere Bundesländer auch.

Und die Patienten müssen sich auf lange Wartezeiten – bei geplanten Operationen bis zu einem Jahr – einstellen?Wartezeiten gibt es ja jetzt schon. Wenn weniger Ärzte anwesend sind, wird es kaum besser werden. Der Notfall wird immer versorgt, aber der Long Day (Ärzte bleiben zusätzlich zum regulären Dienst bis am Abend im Haus) wird nicht mehr bespielt. Da gibt’s am Nachmittag eben keine OPs. Es wird auch auf der Notfallaufnahme bei der Akutversorgung Wartezeiten geben. Der Patient wird – wenn es sich um keinen Notfall handelt – ein, zwei, vielleicht auch fünf Stunden warten müssen. Nach 48 Stunden sagen wir einfach "Tschüss".

Was glauben Sie, wie diese Aussichten und die Ärzteforderungen im Allgemeinen in der Bevölkerung interpretiert werden?Das ist uns inzwischen wurscht. Wir werden seit Jahren ausgequetscht wie Zitronen. Wenn die Leute ab Jänner die Auswirkungen sehen, werden sie anders denken. Wir brauchen ja in Wahrheit nicht Aufzeigen, Warnen oder sonstwas machen. Wir brauchen nur auf Jänner warten. Vielleicht wird man dann sehen, dass es etwas wert ist, wenn man sich um das Wohl der Patienten kümmert. Wir benötigen eine Attraktivitätssteigerung. Gesundheitslandesrätin Beate Prettner spricht immer davon, dass wir nicht nur in Richtung Gehaltsausgleich verhandeln sollen. Aber wie sonst will man die Attraktivität steigern? Im Übrigen haben wir nicht nur ein Problem, neue Ärzte für unsere Häuser zu gewinnen. Mit Jänner werden weitere Ärzte abwandern, weil sie aufgrund der in der Betriebsvereinbarung beschlossenen 48-Stunden-Woche weniger verdienen – zu wenig, um Zahlungen tätigen zu können.

Ist es zu befürchten, dass aufgrund des Personalmangels sogar Stationen oder Häuser geschlossen werden müssen?

Was die Zusammenlegung von Stationen betrifft, droht uns das Land in den Verhandlungen ja sogar damit. Ob es diesbezüglich Pläne gibt, weiß ich nicht. Ausschließen kann ich es nicht.

Auffallend war, dass Zentralbetriebsratsobmann Arnold Auer am Donnerstag der Demonstration der Spitalsärzte fern geblieben ist und nun ein wenig auf Distanz geht. Nicht alle 7000 Mitarbeiter der Krankenanstaltenbetriebsgesellschaft KABEG würden die Forderungen der Ärzte unterstützen, heißt es.

Auer war nicht bei der Demo, weil er nicht eingeladen war und weil es eine von Ärzten für Ärzte organisierte Demo war. Er muss für alle Bediensteten der Landesspitäler da sein. Aber natürlich hat er einen eindeutigen Auftrag der Ärzte, unsere Forderungen zu unterstützen. Leicht ist es für ihn freilich nicht: er war für die Roten im Landtag, Landeshauptmann Peter Kaiser ist ein SPÖler und Prettner ebenfalls.

Und KABEG-Vorstand Arnold Gabriel ist der ehemalige Büroleiter Kaisers.

Er ist Kaisers Mann. Da gibt es natürlich gewisse Loyalitäten, aber Gabriel hat auch Loyalitäten gegenüber dem Unternehmen KABEG wahrzunehmen.

Tut er das nicht?Schwer zu sagen. Es gibt ja so viele Schönfärber. Daher weiß ich nicht, ob er in vollem Umfang informiert ist, was sich überhaupt abspielt.

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