Im ORF-Kundendienst ist dokumentiert, dass "Salz der Erde", so der etwas gespreizte Titel der ersten Folge, sofort ein Aufreger war. Nach der Ausstrahlung gab es – obwohl erst um 22.15 Uhr gesendet – relativ viele, meist ablehnende Reaktionen. Eine davon im Wortlaut: "Mir Weaner san net so ordinär, es Orschlöcher".
Die Presse hat sich für den "Mundl" anfangs nicht sonderlich interessiert, eine der wenigen Zeitungen, die eine Kritik brachte, war die kommunistische Volksstimme, die dem Film "mangelnden ideologischen Tiefgang" vorwarf.
"Arbeiterdichter"
Autor und Schöpfer des gelernten Elektrikers Edmund "Mundl" Sackbauer und seiner gleichermaßen proletarischen Verwandtschaft war der "Arbeiterdichter" Ernst Hinterberger (2012). Ich besuchte ihn bald nach dem Serienstart in einer Schraubenfabrik, in der er als einfacher Arbeiter tätig war. "I schreib scho seit 20 Jahr, aber ’s Geld muss i immer noch in der Fabrik verdienen", erzählte der damals noch weithin unbekannte Schriftsteller. "Es war ursprünglich a Roman", verriet Hinterberger, "den hab i dann fürs Fernsehen dramatisiert". Einiges musste er ändern. So sollte die Familie Sackbauer, sagte er, laut seinem Manuskript in Folge 2 nach Jesolo auf Urlaub fahren. "Da hat der ORF aber g’sagt, die Dreharbeiten kommen zu teuer." Also schrieb er das Buch um: "Der 'Mundl' wird jetzt arbeitslos und der Italienurlaub platzt."
Trotz der vielen negativen Reaktionen wagte der ORF eine zweite Folge, die im Oktober 1975 ausgestrahlt wurde. Gedreht statt in Italien kostengünstig an einer "Lacken" im 14. Bezirk.
Nach Hinterberger interviewte ich den eben auch noch unbekannten Hauptdarsteller Karl Merkatz (2022), der in seiner ungehobelten, aber letztlich gutmütigen Art zur Kultfigur werden sollte. "Meine Mutter geniert sich ein bissl für mich", gestand Merkatz, "weil so wie im Fernsehen bin ich nämlich nicht." Merkatz war lange auf deutschen Bühnen aufgetreten, zuletzt am Schauspielhaus Hamburg unter Boy Gobert, "aber das Wienerische hab i dort net verlernt".
Das allerdings wusste bald ganz Österreich, denn mit dem geringen Bekanntheitsgrad war’s schnell vorbei: Wenn er in Wien über die Straße ging, sagten fremde Leute "Servas, Mundl" zu ihm; dass er Merkatz hieß, wussten die wenigsten.
"Sittlich einwandfrei"
Auch wenn "Ein echter Wiener geht nicht unter" immer beliebter wurde und schließlich zu den größten Erfolgen des ORF zählte (und in zahllosen Wiederholungen immer noch zählt), behielt die Serie auch ihre erzürnten Gegner.
Inmitten eines Streits, ob Herr Sackbauer zu Franzi, dem Freund seiner Tochter, "Nudelaug" sagen darf, meldete sich ein Mann zu Wort, von dem man es am allerwenigsten vermutet hätte. Franz Kardinal König meinte, wie Ernst Hinterberger in seinen Memoiren schreibt, der "Mundl" sei "kein feiner, dafür aber ein sittlich einwandfreier Mann, weil er in der ganzen Serie nie, auch in Gedanken nicht, seine Frau betrügt, sondern als zwar lauter und unbeherrschter, aber treu sorgender Familienvater dargestellt wird."
Erstaunlich an der Aussage des damaligen Erzbischofs von Wien ist nicht nur, dass er den groben Kerl verteidigte, sondern auch, dass er überhaupt zu den Konsumenten der Familiensaga zählte.
Besagtes "Nudelaug" war Alexander Waechter, der als Freund der "Mundl"-Tochter Hanni einen Schriftsteller spielte, der als Intellektueller in der aufgeheizten Zimmer-Küche-Kabinett-Atmosphäre der Sackbauers seine liebe Not hatte. „Am Anfang hat niemand von uns an die Serie geglaubt“, erzählt Alexander Waechter (76). "Wir alle hielten die Handlung für schlecht. Aber ich habe mir die erste Folge in einem Kaffeehaus angesehen. Und erlebt, wie die Leute gelacht haben. Da wusste ich, es wird ein Erfolg."
Das "echte Wienerisch"
Ebenso wesentlich wie der "Mundl" war seine ihn stets zu beruhigen versuchende Gattin Toni, gespielt von Ingrid Burkhard, die sich, heute 94-jährig, erinnert, "gerne in der Serie gespielt zu haben. Sie hatte auch ihre Berechtigung", sagt sie rückblickend, "weil man die Leute oft nach ihrer Lebensart beurteilt und nicht danach, wie sehr eine Familie zusammenhält".
Zur vielleicht wichtigsten Erkenntnis gelangte "Mundl"-Regisseur Kurt Ockermüller in seinem Buch "Ein echter Wiener geht nicht unter": "Einzelne Formulierungen sind in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen worden, und sie haben zumindest ansatzweise dazu beigetragen, das vom Aussterben bedrohte 'echte Wienerisch' nicht gänzlich verloren gehen zu lassen."
Die 24. und letzte Folge wurde am 4. Dezember 1979 im ORF ausgestrahlt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der "Echte Wiener" längst schon österreichische Fernsehgeschichte geschrieben.
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