Mordfall Jennifer Scharinger: Chatnachricht brachte Ermittler auf die Spur
Nach knapp acht Jahren ist eines der größten Kriminalrätsel Österreichs gelöst. Der 32-jährige Ex-Freund von Jennifer Scharinger legte ein Geständnis ab und führte die Ermittler beim Truppenübungsplatz Allentsteig in NÖ zu den Überresten der seit 2018 vermissten Wienerin.
Der Ex-Freund hat sich auf einer Polizeistelle im Waldviertel gestellt und die Polizei dorthin geführt, wo er die Leiche der jungen Frau abgelegt hat. Zu Mittag gab die Polizei nähere Details bekannt:
"Es gibt Fälle, die lassen einen nicht los"
"Es gibt Fälle, die gehen einem nahe und lassen einen nicht los, bis sie restlos geklärt sind. All diese Umstände lagen hier vor", sagte Gerhard Winkler vom Landeskriminalamt zu Beginn. Es sei damals schnell klar gewesen, dass in dem Fall bedenkliche Umstände vorlagen. "Wir haben deshalb sehr intensiv unsere Ermittlungen geführt, die anfangs aber noch offen waren hinsichtlich einer möglichen Entführung oder eines Gewaltverbrechens", so Winkler.
Hier wurde die Leiche entdeckt.
Mit Unterarm gewürgt
Die junge Frau wurde zuletzt lebend am 22. Jänner 2018 gesehen - von ihrem Ex-Freund. An jenem Tag soll der heute 32-Jährige auf seine Ex-Freundin losgegangen sein. Tatort war ihre Wohnung in der Brigittenau. "In der Wohnung wurden bei den Ermittlungen zunächst aber keine Spuren auf ein Gewaltverbrechen gefunden, es gab nirgends Blutspuren. Bei der Einvernahme hat der Verdächtige dann ausgesagt, dass es durch den Streit zu einem Gerangel kam. Er hat Jennifer mit dem Unterarm von hinten gepackt und sie gewürgt, bis sie am Boden lag und keinen Puls mehr hatte", berichtete Wolfgang Fischer vom Landeskriminalamt.
Im Zuge des Streits soll die damals 21-Jährige die Beziehung auch beendet haben. Das Paar lebte trotz der Trennung noch gemeinsam in der Wohnung. Jennifers Ex-Freund geriet damals bereits unter Verdacht, etwas mit dem Verschwinden zu tun zu haben. Die Ermittler betonten am Dienstag, dass der 32-Jährige „immer der Hauptverdächtige“ gewesen sei. Es sei jedem kleinsten Hinweis nachgegangen worden, der Fall „war nie eine Cold-Case-Ermittlung“, sagte Winkler.
Ermittlungen gegen Ex-Freund eingestellt
Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts der Freiheitsentziehung waren im April 2019 aber eingestellt worden. Doch bisher hätten die „Indizien nicht ausgereicht, um dem Beschuldigten eine strafbare Handlung nachzuweisen“, betonte Staatsanwältin Nina Bussek. Währenddessen ging die Suche nach der Vermissten weiter. Erst im Oktober lobten ihre Eltern 50.000 Euro für Hinweise aus.
Im Frühjahr brachte eine verdächtige Sprachnachricht den Fall erneut ins Rollen, die den Ermittlern zugeschickt worden war. "Wir haben eine Sprachnachricht vom Beschuldigten gesichert, in der er detailliert geschildert hat, wie man am besten eine Leiche verschwinden lassen kann, ohne dass sie jemals gefunden wird. Er hat dabei nicht gesagt, dass er das selbst bereits gemacht hat", erklärte Fischer. Von wem diese Sprachnachricht stammt, gaben die Ermittler nicht bekannt. "Die Ermittlungen in diese Richtung laufen noch", so die Ermittler. Fest steht, dass die Sprachnachricht im März geschickt worden war.
DNA-Abgleich soll Gewissheit bringen
Aufgrund dieser Sprachnachricht geriet der Mann erneut in den Fokus der Ermittlungen. Es wurde unter anderem eine Telefonüberwachung angeordnet und die Ex-Partnerinnen des 32-Jährigen erneut einvernommen. Dabei zeigte sich "immer das gleiche Bild", betonten die Ermittler.
Die Beziehungen endeten meist im Streit, teilweise mit Handgreiflichkeiten und in weiterer Folge mit Drohungen und auch Stalking, sagte Fischer. 2019 wurde der 32-Jährige nach einem Vorfall sogar in die Psychiatrie eingewiesen. Vergangenen Montag attackierte er auch seine aktuelle Partnerin, die Polizei sprach ein Betretungs- und Annäherungsverbot aus.
Das geschah am 1. Dezember, einen Tag, bevor der Mann als Mordverdächtiger im Vermisstenfall Scharinger mit "neuen Ermittlungsergebnissen konfrontiert" wurde. Dabei gestand der Mann aber noch nicht, dies änderte sich aber am Wochenende. "Der Verdächtige hat ein umfassendes Geständnis abgelegt und gesagt, dass es ihm leidtut. Er sei damals überfordert gewesen. Seit der Tat hat er mit niemandem über das gesprochen, was passiert ist", erklären die Ermittler.
Leiche in Koffer und Plane verpackt
Am Montag führte der 32-Jährige die Ermittler des Landeskriminalamtes Wien schließlich zu einem Waldstück bei der Böhmerwald-Bundesstraße (B38) im Bereich von Franzen. Dort wurden Tatortspezialisten und Spürhunde tatsächlich fündig. Dies sei jedoch nicht der erste Ablageort gewesen. "Der Verdächtige hat die junge Frau damals noch in der Wohnung entkleidet, in einen Koffer gepackt und sie im Auto zu einem Feldweg im Bereich von Großweikersdorf im Bezirk Tulln gebracht", schildern die Ermittler.
Er habe sie dort aber nicht vergraben, sondern in einen Windschutzgürtel gelegt, und dort mit Blättern und Ästen bedeckt. Dort in der Nähe fanden nach dem Verschwinden der Frau umfangreiche Such- und Grabungsarbeiten statt. Der 32-Jährige hatte sich nach der Tat dort aufgehalten, ergaben damals die Standortdaten seines Telefons. Diese hatte er in besagter Nacht aber für 47 Minuten deaktiviert.
In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, unter anderem Hilfe und Informationen bei folgenden Adressen:
- Frauen-Helpline: online unter frauenhelpline.at und telefonisch unter 0800-222-555
- Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF): online unter aoef.at
- Frauenhaus-Notruf: unter 057722
- Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217
- Polizei-Notruf: 133
Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Auf der Webseite finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich.
Leiche in Gestrüpp abgelegt
Auf dem Feldweg in Großweikersdorf blieb die Leiche aber nicht lange. Im März 2018, also zwei Monate nach ihrem Verschwinden, soll der Mann erneut zum Ablageort gefahren sein und die Leiche dieses Mal in eine Plane gewickelt haben. So fuhr er dann zum zweiten Ablage-Ort, zum Truppenübungsplatz Allentsteig. Auch dort hatte er die Leiche nicht vergraben, sondern in einem Gestrüpp abgelegt.
Die Ermittler fanden die Knochenteile am Montag. "Die Leiche war auch nicht als ganzes gefunden worden, die Leichenteile lagen in einer Entfernung von 20 bis 30 Metern zueinander", erklärten die Ermittler weiter. Die DNA-Bestätigung des Skeletts ist noch ausständig. "Es liegen derzeit keine Hinweise vor, dass der 32-Jährige Hilfe von Dritten gehabt hat, aber wir können es auch nicht ausschließen", betonte Winkler.
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