Es gibt in dieser vom Großen in den Maßstab 1:87 übertragenen Welt jede Menge kleine Geschichten zu entdecken. Und für die Mitglieder des ESV eben auch immer etwas zu tun. Die Arbeit geht nie aus. „In der Corona-Zeit haben wir massiv umgebaut“, erzählt Kurt Pregenzer, der Präsident des Vereins.
Kleine Szenen wie aus dem Leben
Über ein Jahr wurde an einer neuen Stadt und den sie umgebenden Weinbergen gewerkt, in der sich auch besagte Hochzeitsgesellschaft tummelt – einer von unzähligen aus dem Leben gegriffenen Szenerien, die es entlang der Strecke mit ihren rund 500 Metern Schiene zu entdecken gibt. „Vor der Kirche haben wir ein Begräbnis gemacht“, erzählt Helmut Pölt, der in der Realität immer wieder etwas entdeckt, das ihn zum Nachbau inspiriert.
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Der 69-Jährige war bis zu seiner Pensionierung Lehrer, mehrere seiner Vereinskollegen haben aber eine Geschichte bei der echten Bahn, so auch der mit 84 Jahren Älteste unter ihnen. Pepi Schöpf war bei den ÖBB Signalmeister. Beim ESV kümmert er sich passenderweise um die Form- und Lichtsignale der Modellbahnanlage.
Es war aber nicht die Liebe zu Zügen, die ihn vor Jahrzehnten zu diesem Hobby gebracht hat. „Es war die Technik, die mich fasziniert hat.“ Die Männer leben einen Bubentraum, den Generationen von Kindern hatten, als es noch keine Playstations und Ähnliches gab. Eine Modelleisenbahn war lange ein Klassiker auf Wunschzetteln ans Christkind. Heute finden die Männer vom ESV kaum noch Nachwuchs für ihren Verein.
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„Hinter uns kommt wahrscheinlich die Sintflut“, sagt Pregenzer, der früher einmal Fahrdienstleiter bei den ÖBB war, schulterzuckend. Aber ihren Spaß an der Sache lassen sich die rührigen Herren dadurch nicht verleiden.
Auch die Details sind wichtig
Die Leidenschaft zieht sich bis ins kleinste Detail. „Manchmal diskutiert man ewig wegen eines Baums“, erzählt Pölt schmunzelnd. Ist der Baum zu groß? Verdeckt er das Bauernhaus zu sehr? Wie wirkt sich die Positionierung auf die Tiefenwirkung der Landschaft aus?
Mitten im Gespräch schwindet plötzlich das Licht im Raum, verändert die Farbe. Es ist der neueste Clou der Herren: eine Anlagenbeleuchtung, die einen Tag- und Nachtbetrieb ermöglicht. Mit dem Einzug der Dunkelheit gehen die Lichter in den Städten an.
1.000 Besucher kommen jedes Jahr
Jedes Jahr in den Weihnachtsfeiertagen macht der ESV seine Modellbahn, die sich über zwei Räume zieht, für einige Tage der Öffentlichkeit zugänglich: Im ersten spiegeln sich die 50er- und 60er-Jahre wider, im zweiten die Gegenwart (siehe Infobox). Rund 1.000 Besucher – große und kleine – kommen dann in die Gänge unter dem ÖBB-Gebäude, die meisten natürlich am 24. Dezember.
Der Lohn für die viele Arbeit? „Das ist kein schlechtes Gefühl“, sagt Pölt. „Aber in erster Linie macht man es für sich selber.“ Echte Passion eben.
"Geld wiegt keine Erinnerungen auf" - eine persönliche Geschichte des Autors
Es war eine erwachsene Frage an einen kleinen Buben. Ob es für mich in Ordnung wäre, wenn er den für mich angelegten Bausparvertrag auflöst. Und zwar, um das Geld in seine Modelleisenbahn zu stecken, wollte mein inzwischen schon lang verstorbener Opa von mir wissen, als ich so etwa fünf Jahre alt war.
Meinen Segen hatte er. Und so wuchs die riesige Anlage, die das ehemalige Zimmer meiner Onkel zur Gänze und gleich auf mehreren Ebenen in Beschlag nahm, noch ein Stück weiter. Für ein Kindergartenkind, das in den ersten Lebensjahren praktisch bei den Großeltern aufwuchs und noch keinen Bezug zu Geld hatte, war der Deal ein guter. Er ist es auch in der Nachschau.
Denn die von meinem Opa mit viel Liebe erbauten Landschaften und Bahnhöfe faszinierten mich. Da sind noch die Erinnerungen, wie er mein Bett einmal mitten ins Zentrum der Anlage stellte und nächtens die Züge kreuz und quer um mich durchs Zimmer fahren ließ. Die Lichter der Lokomotiven und Signale strahlten in die Dunkelheit.
Irgendwann in dieser Zeit lag dann ein Paket unterm Weihnachtsbaum – mit ein paar Schienen, einer Lok und einigen Waggons. Damals wurde ein großer Traum wahr: Selbst Herr über eine kleine Bahnstrecke zu sein.
Später ging das Interesse verloren. Auch sonst in der Familie gab es niemanden, der sich für das Hobby begeistern konnte und schon gar nicht die Schätze meines Großvaters übernehmen wollte.
Eines Tages hat er schließlich alles abgegeben. Verschenkt? Verkauft? Ich weiß es nicht mehr. Aber was ist Geld? Die Erinnerungen zählen – an meinen Opa und seine große Leidenschaft.
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