Mit dem Skilehrer zum Juwelier
Wenn Alexander im Dezember von Minsk nach Kitzbühel kommt, dann ist er für den Winter längst schon ausgebucht.
Seine Kunden: Vorwiegend betuchte russische Privat-Gäste, unter ihnen auch Geschäftsleute und Prominente, die sich nur von ihm das Skifahren beibringen lassen wollen.
Alexander ist einer der 250 Roten Teufel von Kitz. Aus aller Herren Länder stammen die Lehrer der legendären Skischule. Und zwölf von ihnen sprechen fließend Russisch.
„Trotzdem können wir die Nachfrage speziell zwischen 31. Dezember und 11. Jänner nicht decken“, berichtet Danielle Reicht von der „Skischule Kitzbühel Rote Teufel“. Denn wenn in der Nacht auf den 7. Jänner das orthodoxe Weihnachtsfest gefeiert wird, machen immer mehr Russen Urlaub. „Und jeder hätte gerne einen Russisch sprechenden Privatlehrer für Einzelstunden. Aber uns werden nur vier bis fünf Personen aus der Russischen Föderation genehmigt.“
Deshalb sind auch Österreicher, Letten und Polen, die die Sprache beherrschen und die Skilehrer-Prüfungen abgelegt haben, gefragt. Petra aus der Slowakei etwa, die nach dem Sport-Studium in Innsbruck Deutsch lernen wollte, startete heuer in ihre 16. Kitz-Saison.
„Russische Gäste sind außergewöhnlich. Sie sind sehr freundlich und nett und wollen alles in der Gegend kennenlernen“, sagt die 39-Jährige, die mit einem Tiroler verheiratet ist. „Aber auch abseits der Piste wünschen sie sich eine Betreuung durch den Skilehrer, weil sie ihm wegen der Sprachkenntnisse vertrauen“, ergänzt Reicht. Sie schätzen es, wenn er sie vom Hotel abholt, mit ihnen Ski ausleiht und sie bei der Kleidung berät. „Er soll sie aber auch auf Ausflügen, zum Friseur oder Juwelier begleiten, Lokale empfehlen und mit ihnen über Wein fachsimpeln“, erzählt Reicht. Und wenn sie sich gut betreut fühlen, sind die Gäste aus dem Osten auch großzügig.
Nagano
Dabei hatte 1999 mit Alexander, Victor und Olek eher der Zufall die ersten drei Russisch sprechenden Skilehrer nach Kitz geführt. Als Freestyler hatten die Weißrussen an den Olympischen Spielen in Nagano 1998 teilgenommen, ehe sie ans Büro-Fenster der Roten Teufel klopften und als Skilehrer anheuerten – ohne Skier und mit wenig Gepäck.
An Russen als Urlauber dachte damals niemand, „das hat in diesem Winter begonnen“, erinnert sich Reicht, die nach einem Wifi-Kurs für Skilehrer Russisch studierte und in Moskau für die Österreich-Werbung arbeitete.
Und sie erzählt Anekdoten aus den Anfängen: von einem Russen, der ein ganzes Lokal für einen Tag exklusiv für sich mieten wollte. „Als der Wirt meinte, das gehe nicht wegen der anderen Gäste, änderte ein Bodyguard mit einem Kuvert voller Geld die Meinung.“ Oder vom Sohn eines hochrangigen Politikers, den sie unterrichtete. Den Namen des Vaters erfuhr sie nie. Denn der Bub, der gut Skifahren und Englisch konnte, sprach kein Wort. Dafür bewachten ihn fünf Bodyguards.
Speziell jene, die in Luxushotels logieren, seien auf Anonymität bedacht: Deshalb laufen auf einen Namen oft Zimmer für mehrere Personen – in gleich mehreren Hotels. Und in der Skischule wird wieder unter einem anderem Namen gebucht.
Preisliste
Doch auch Menschen aus der russischen Mittelschicht machen gerne Ferien in Tirol. „Weil viele gar nicht wussten, dass sie auch am günstigen englischsprachigen Gruppenkurs teilnehmen können, haben wir heuer die Preisliste auf Russisch übersetzt“, sagt Danielle Reicht.
Alexander und Victor lehren noch immer bei den Roten Teufeln. Olek hat sich in Kitz mit einer elitären Reiseagentur für ebensolche Russen selbstständig gemacht. Sehr erfolgreich, übrigens.
Stimmungsvolle Bilder machen im Prospekt Lust auf Kitzbühel – auch in der Ausgabe in kyrillischer Schrift. „Rein von den Zahlen her lagen wir im letzten Winter mit 22.941 Übernachtungen von Russen (3,9 Prozent) tirolweit an achter Stelle“, sagt Kitzbühel-Tourismus-Direktor Peter Marko. (Insgesamt wurden 592.696 gezählt.) „Aber bei uns logieren Russen vorwiegend in der oberen Kategorie. Und sie sind gute Gäste, die alle Angebote nutzen.“
Die Nachfrage ist zum orthodoxen Weihnachtsfest am größten: Von 7. bis 14. Jänner 2011 wurden in Kitz 5900 Nächtigungen registriert, 2012 waren es 5023.
Und auch im heurigen Winter sind Touristiker froh über die Gäste aus Russland, die die Hochsaison verlängern – und die in Kitzbühel nur kurze Jänner-Lücke bis zu Polo-Weltcup und Hahnenkamm-Rennen füllen.
Allein am 2. Jänner kamen am Innsbrucker Flughafen doppelt so viele Passagiere an wie an normalen Tagen – dank vieler Urlauber aus Moskau, St. Petersburg und Kiew. „Es sind 35 russische Privatjets gelandet, zehn Mal so viele wie an normalen Tagen“, sagt Betriebsleiter Marco Pernetta. Die meisten Russen trafen freilich an Bord von Linienmaschinen ein.
„Es kommen immer mehr Familien“, beobachtet Hans Schenner, Tourismusobmann in der Wirtschaftskammer Österreich. Und die Hoteliers sind sich einig: Das Klischee, dass russische Gäste das Geld quasi beim Fenster hinaus werfen und ausgelassene Partys feiern, stimme längst nicht mehr.
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