Einnahmen aus Strafen im Verkehr haben sich verdoppelt

Schnellfahrer zahlen in den Topf der StVO, ...
Autofahrer zahlen Hunderte Millionen pro Jahr - was damit passiert, ist unklar.

Zahlen die Österreicher zu viel für Verkehrsstrafen? Was muss der durchschnittliche Autofahrer tatsächlich Jahr für Jahr in das heimische Staatsbudget einzahlen? Und was passiert überhaupt mit dem ganzen Geld?

Fragen, die nicht zu beantworten sind. Denn es wird von den Behörden alles getan, damit die Autofahrer nur ja nicht wissen, wie viel sie tatsächlich abliefern. Das Verkehrsministerium weiß es nicht, genauso wenig das Finanzministerium – und das Innenministerium kann nur zu Verstößen gegen die Straßenverordnung (StVO) Zahlen nennen. "Diese sind seit Jahren konstant" heißt es dort. Doch das stimmt nicht so ganz: Tatsächlich wurden im Vorjahr 225 Millionen Euro nur durch StVO-Organmandate und -Anzeigen lukriert. Das ist beinahe eine Verdoppelung innerhalb von sieben Jahren, damals waren es nur 125 Millionen.

Auch die Einnahmen durch die Vignetten-Strafen sind explodiert – von zehn Millionen Euro im Jahre 2007 auf satte 25 Millionen im vergangenen Jahr.

Rund 300 "Straftöpfe"

Tatsächlich werden österreichweit rund 300 Töpfe mit Strafeinnahmen befüllt, nur die zwei oben genannten sind transparent. Sonst zeigt man sich kaum auskunftsfreudig. Aus Graz etwa werden zwar die Einnahmen aus Strafen für Missachtung der Kurzparkzonen gemailt, am Tag danach aber widerrufen. Diese Zahlen seien nur für die internen Gebrauch. In Wien heißt es bei der Polizei, dass 1,23 Millionen Kurzparkzonen-Sünder erwischt wurden, aber wie viel Geld diese abgeliefert haben, wisse man nicht. In dieser Tonart geht es bei anderen Institutionen weiter.

Unklar bleibt, wie viel wegen des Kraftfahrgesetzes und Führerscheingesetzes eingenommen werden, weil das Geld an die Gemeinden geht.Darunter fallen etwa die Strafen für Lenker zwischen 0,5 und 0,8 Promille oder Handytelefonate am Steuer. Hier dürften weitere (geschätzte) 20 bis 30 Millionen Euro eingenommen werden.

Damit blühen Spekulationen. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit nannte vor ein paar Jahren die unglaubliche Zahl von fünf Milliarden Euro, die Österreichs Autofahrer pro Jahr abliefern. Seither wird dies selbst von seriösen Medien nachgebetet, sogar in parlamentarischen Anfragen wird dieser Wert genannt. Tatsächlich ist die Zahl zu hoch gegriffen, selbst im KfV weiß man mittlerweile nicht mehr, wie man 2010 darauf kam, dass jeder Autofahrer angeblich durchschnittlich pro Jahr 1000 Euro Strafe abliefert.

"Eine Massengebühr"

Die wenigen Zahlen, die verfügbar sind, zeigen: Die Einnahmen der Behörden stiegen in den vergangenen Jahren enorm, der durchschnittliche Lenker wird heuer rund 60 bis 100 Euro Geldbußen zahlen. "Verkehrsstrafen sind mittlerweile eine Massengebühr geworden", kritisiert ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer. "Aus den Reaktionen unserer Mitglieder merkt man, dass es immer mehr Leute erwischt, die sich eigentlich an die Regeln halten. Die legen jetzt ein paar Euro auf die Seite pro Monat, weil sie ohnehin für irgendetwas zahlen müssen." In Salzburg oder der Steiermark etwa wurden die Toleranzgrenzen auf fünf km/h heruntergeschraubt. "Die Folge ist, dass immer mehr Leute ankündigen, dass sie sich ein Radarwarngerät kaufen", berichtet Hoffer.

"Intransparenz und unverständliche Unterschiede zwischen den Bundesländern bei den Verkehrsstrafen müssen eingedämmt werden", fordert Grünen-Verkehrssprecher Georg Willi. "Ein einheitlicher Strafenkatalog mit Von-Bis-Bandbreiten – wie es ihn in vielen Ländern längst gibt –, das muss doch möglich sein."

Den größten Teil des „Straf-Kuchens“ machen Vergehen gegen die Straßenverkehrsordnung aus – etwa Alkoholisierungen über 0,8 Promille oder Schnellfahren. Diese Einnahmen bekommt zu 20 Prozent das Innenministerium, der Rest geht an den Straßenerhalter zur freien Verwendung, also Asfinag, Länder und Gemeinden.

Die Strafen nach dem Kraftfahrgesetz (zum Beispiel fahren mit falschem Licht, Überladung oder Missachtung des Handyverbotes) gehen direkt an die Kommunen. Wien hat damit zum Beispiel im Vorjahr eine Million Euro verdient. Diese Einnahmen fließen oft in Sozialbudgets. Das freut vor allem jene Bezirkshauptmannschaften, die auf den Autobahnen Kontrollplätze für Lkw haben – deren Sozialtöpfe sind dadurch prall gefüllt.

Wer herausfinden will, wofür die Strafgelder wirklich verwendet werden „müsste eine Dissertation schreiben“, meint Experte Martin Hoffer. Zumindest jene 20 Prozent Einnahmen aus den StVO-Verstößen, die an das Innenministerium gehen, sind für Laserpistolen oder Radargeräte zu verwenden. Und die jährlich rund 35 Millionen Euro Einnahmen aus den Wiener Kurzparkzonen strafen sind zweckgewidmet: Das Geld ist für Verbesserung der Öffis, Radwege und Garagen zu verwenden – je nach Wunsch der Stadtregierung.

Wer wissen will, was mit den Strafgeldern der Autofahrer passiert, müsste eine Dissertation schreiben.“ Selbst für Verkehrsexperten ist die Situation verwirrend. Denn Politik und Verwaltung haben ein höchst kompliziertes Regelwerk aufgestellt, welcher der bundesweit 300 Töpfe gefüllt wird.

Was dort damit geschieht, ist ein Tabu-Thema. Mit Strafgeldern lässt sich keine Politik machen, dürfte das Motto lauten.

Das System ist sogar für seine Erfinder kompliziert. 2011 regte ein Landesrechnungshof eine Entrümpelung im Zuge der Verwaltungsreform an. Denn die Behörden halten sich nicht einmal an ihre eigenen Spielregeln. Und nicht immer landen die Strafgelder im richtigen Topf.

Von solchen Diskussionen haben Österreichs Autofahrer freilich wenig. Viel interessanter ist ein anderes heißes Eisen. Heuer gibt es wieder mehr Verkehrstote. Also warum nicht gerade jetzt mehr Bußgelder in die Verkehrssicherheit investieren? So eine Debatte würde der Politik bestimmt nicht schaden.

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