Millionen-Geschäft mit Lkw-Kilometern

Die Polizei nimmt sich dem Problem immer mehr an und  setzt vermehrt auf entsprechende Kontrollen.
2017 wurden 26 Prozent mehr Verstöße verzeichnet / Gewerkschaft fordert eigene Behörde

Ein Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht, eine Spitzengeschwindigkeit von über 100 km/h, aber keine elektronische Bremshilfe. Ein Szenario, das auf Österreichs Straßen stetig zunimmt. Denn Lkw-Fahrer manipulieren ihren Fahrtenschreiber immer öfter, um die gesetzlichen Ruhezeiten zu umgehen – und schalten damit auch die Elektronik aus.

„Das geht so weit, dass die ganzen Assistenzsysteme beim Fahrzeug nicht mehr funktionieren und sehr leicht Unfälle passieren. Das Auto glaubt, es steht. Und da braucht es kein ABS, und andere elektronische Hilfen“, schildert Willy Konrath von der Landesverkehrsabteilung Niederösterreich.

Millionen-Geschäft mit Lkw-Kilometern

Geräte, die Fahrtenschreiber manipulieren, werden im Internet auf ominösen Seiten angeboten. Den Sündern drohen in Österreich Strafen von bis zu 5000 Euro.

Statistik zeigt Anstieg

Eine KURIER-Recherche zeigt: Die Verstöße von Lkw-Fahrern bei den Arbeitszeiten ist in den vergangenen zwei Jahren österreichweit rasant angestiegen. 2017 wurden insgesamt 107.000 Anzeigen wegen der Verletzung der Ruhezeit erstattet. Im Jahr davor waren es rund 85.000 Fälle – das sind 26 Prozent weniger. Schaut man sich die Bundesländer im Detail an, sieht man: Es wurden in beinahe jedem mehr Verstöße registriert.

Spitzenreiter ist Niederösterreich. Hier wurden vergangenes Jahr 33.202 Anzeigen erstattet. 2016 sind noch 21.732 Fälle gezählt worden, 2015 waren es 17.931. In der Steiermark ein ähnliches Bild. Hier wurden vergangenes Jahr 11.779 Anzeigen erstattet, um 3257 mehr als im Jahr zuvor. In den vergangenen beiden Jahren wurden doppelt so viele Fälle verzeichnet. Heuer sind bereits über 2000 Anzeigen gezählt worden.

Im Burgenland sind in den vergangenen zwei Jahren 800 Anzeigen mehr registriert worden. In Wien waren es 370. In Kärnten gab es den größten Anstieg aller Bundesländer. Innerhalb eines Jahres wurden 75 Prozent mehr Fälle gezählt. Wurden 2016 noch 6898 Anzeigen registriert, waren es im Jahr darauf 12.066.

In Oberösterreich wurde hingegen ein Rückgang verzeichnet. Zwischen 2015 und 2017 fielen die Anzeigen von 12.855 auf 12.233.

Die jeweiligen Landespolizeidirektionen betonen, dass es in den vergangenen Jahren auch vermehrt zu Kontrollen gekommen ist, ob die Fahrer ihre Ruhezeit einhalten.

Dass statistisch gesehen die Verkehrsunfälle mit Lkw-Beteiligung gestiegen sind, scheint kein Zufall zu sein. Im Jahr 2016 waren es 1291 Unfälle mit einem Lkw. Das bedeutet ein Plus von 10,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zahlen für 2017 werden erst in den nächsten Wochen erwartet.

Millionen-Geschäft mit Lkw-Kilometern

Höhere Strafen

Bei den Manipulationen der Fahrtenschreiber handelt es sich um ein EU-weites Problem. Schätzungen zufolge sollen bis zu 40 Prozent aller Lkw manipuliert sein. In Österreich sei jeder zehnte betroffen.

Laut der Gewerkschaft vide sei das Hauptproblem, dass die Fahrer von ausländischen Transportfirmen ein niedriges Fixgehalt von wenigen hundert Euro – und dann pro 100 gefahrenen Kilometern eine Taxe von etwa 10 Euro erhalten würden. Bei einem Fall wurde ein Lenker erst nach 30 Stunden aus dem Verkehr gezogen, der Fahrtenschreiber zeigte nur fünf an. Ein Lkw-Fahrer darf pro Tag nur neun Stunden hinter dem Steuer sitzen, zwei Mal in der Woche zehn. „Wir kontrollieren gut, aber nur jeder für sich“, sagt Karl Delfs vom Fachbereich Straße und pocht auf Lösungen.

Er fordert eine eigene Behörde, die sich aus den zuständigen Stellen zusammensetzt. Außerdem sollten laut Delfs höhere Strafen wie in anderen Ländern eingeführt werden. In Österreich bekommen Sünder bis zu 5000 Euro aufgebrummt, die oftmals nicht mal bezahlt werden. „Die meisten Strafen landen im Papierkübel, weil sie im Ausland nicht ankommen. Wir reden hier von Millionen, die uns entgehen“, sagt Delfs.

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