Aktuell sollen insgesamt mehr als 300 Medikamente in Österreich nicht lieferbar sein. Neben dem lebenswichtigen Präparat „Imurek“, das vorrangig Transplantationspatienten benötigen, fehlen etwa das nach Geburten so wichtige „Syntocinon“, um Blutungen stillen zu können, das Antibiotikum „Josalid“ oder das blutdrucksenkende Mittel „Nifedipin“.
Billigpreisland
„Unter der Hand habe ich Einzelheiten erfahren, dass die Großhändler bestimmte Medikamente, die für den österreichischen Markt bestimmt sind, zurückhalten, um damit in anderen Ländern mehr Geld zu verdienen“, erklärt Bachinger im Gespräch mit dem KURIER.
Ähnliche Informationen will auch die Ärzteschaft kennen. Max Wudy, Allgemeinmediziner und Referent für die Medikamentenversorgung in der Ärztekammer Niederösterreich, spricht von einem hausgemachten Problem, weil sich Österreich bereits das Image als Billigpreisland erarbeitet habe. Bachinger verlangt unverzüglich, dass die Distributionskette durchleuchtet und ein Gesetz wie in Belgien beschlossen wird, das den Parallelexport mit bereits für das Inland zugewiesenen Arzneimitteln in andere Länder generell verbietet.
„Ein Großhändler verkauft keine Medikamente ins Ausland, wenn er im Inland dafür eine Bestellung von einer Apotheke hat“, kontert Monika Vögele, Generalsekretärin im Verband der österreichischen Arzneimittelgroßhändler. Weil die Produzenten derzeit 330 Medikamente nicht liefern könnten, sehe man sich als Mängelverwalter.
Engpässe verhindern
Dank der „flexiblen Lagerhaltung, intensiven Recherche und vorausschauenden Planung“ sei es möglich, das Schlimmste zu verhindern. Vögele meint, dass eine unverzügliche Meldepflicht bei Lieferproblemen – derzeit gilt eine Frist von vier Wochen – ein Lösungsansatz wäre. Grundsätzlich sei der Parallelhandel in Österreich legal, solange es keinen Engpass gibt, erklärt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.
Im Rahmen einer vor wenigen Wochen installierten Taskforce sollen aber nun auch „rechtliche Möglichkeiten zur Verhinderung von Engpässen durch Parallelexporte aus Österreich“ erörtert werden. Demnächst will man die Prüfergebnisse diskutieren, um zu sehen, ob ein solches Gesetz auf nationaler Ebene umsetzbar sei.
Eine von vielen Patienten, die unter der aktuellen Situation leiden, ist Gabi Bruckmoser aus Magarethen im nö. Bruck/Leitha. Seit 30 Jahren ist sie auf das Medikament „Imurek“ angewiesen. Täglich schluckt sie zwei Tabletten, um ihre Immunerkrankung im Griff zu behalten. „Solange ich mein Medikament nehme, bin ich stabil“, erklärt die 60-Jährige.
Weil das Originalpräparat voraussichtlich bis Herbst nicht erhältlich ist, hat sie über Umwege immerhin ein Alternativpräparat mit demselben Wirkstoff bekommen. „Dafür musste ich einen halben Tag lang herumtelefonieren. So eine Situation hat es in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht gegeben“, ärgert sich Bruckmoser.
Indes hat der österreichische Zulassungsinhaber von „Imurek“ laut Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen als Übergangslösung 20.000 Packungen aus Italien zurückgekauft, um damit den österreichischen Markt zu versorgen. Weil das Medikament hierzulande anders verpackt ist, muss es noch umetikettiert werden. Ab 22. Juli soll die Auslieferung erfolgen.
Kommentare