EU will die Autobahnvignette kippen

Road-Pricing auch für Pkw?
Gespräche über europaweites Road-Pricing starten 2016: Asfinag und ARBÖ steigen auf die Barrikaden.

"Die Autobahnvignette ist unsozial", kritisiert Michael Cramer. Der Deutsche hat eine gewichtige Stimme in Europa. Der Vorsitzende des EU-Verkehrsausschusses erklärt, wohin die Reise gehen soll: "Die Verkehrskommissarin (Violeta Bulc, Anm.) hat es bereits anklingen lassen – und auch wir sind für ein Pkw-Roadpricing". Cramer stößt sich daran, dass die Vignette alle Vielfahrer, die mehr Schadstoffe in die Luft blasen, nicht ausreichend bestraft. Im kommenden Jahr werden in Brüssel die Pläne für die Harmonisierung der aktuell 40 verschiedenen Mautsysteme ausgearbeitet. Dann heißt es vermutlichen: Zahlen für jeden Kilometer.

"Keine Frage mehr"

Bernd Opolka, Präsident des Europäischen Automobilclubs (EAC) sieht künftig das Road-Pricing in ganz Europa: "Dass es kommt, ist keine Frage mehr." Der EAC setzt allerdings darauf, dass dadurch die Straßen besser ausgebaut werden. Aber die Entscheidung darüber soll den einzelnen Ländern überlassen bleiben, lautet die Forderung für die 2016 beginnenden Gespräche auf EU-Ebene. Damit gäbe es allerdings keine Harmonisierung. Österreich will sich deshalb dafür stark machen, das heimische Modell in Europa zu übernehmen – also die Vignette.

Für ältere Österreicher ist die Roadpricing-Diskussion ein Déjà-vu-Erlebnis. Als der damalige Wirtschaftsminister Johannes Farnleitner 1997 eine kilometerabhängige Maut einführte, kam es zu Massenprotesten. Zigtausende Österreicher klebten auf ihre Autos "Roadpricing, nein danke!" und verhinderten so die Einführung. Seither gibt es die Autobahnvignette, die nun zum Auslaufmodell werden könnte.

Gegen ein Roadpricing für den Autoverkehr will diesmal an vorderster Front der Automobilclub ARBÖ ankämpfen. Ziel ist es, dass bei einer allfälligen Harmonisierung in Europa das österreichische System eingeführt wird – eine Autobahnvignette.

ARBÖ: "Bewährtes Pickerl"

EU will die Autobahnvignette kippen
Gerald Kumnig, ARBÖ-Geschäftsführer
"Das Pickerl hat sich bewährt. Jeder Autofahrer sieht, dass er dafür etwas zurückbekommt", sagt ARBÖ-Geschäftsführer Gerald Kumnig zum KURIER. Beim Roadpricing wüsste man nicht, wohin das Geld wirklich fließt.

Auch Asfinag-Vorstand Klaus Schierhackl warb bei einer Expertendiskussion in Brüssel für das hauseigene System des Autobahnpickerls. "Ja, die Vignette ist unfair und das ist auch gut so", entgegnete er dem deutschen Grünen EU-Parlamentarier Cramer. "Denn das Road-Pricing wäre auf jeden Fall schlecht für die Verkehrssicherheit", betonte Schierhackl. Der Ausweichverkehr würde zunehmen und die Menschen von der sichereren Autobahn auf die unfallträchtigeren Landstraßen ausweichen.

Schierhackl rechnet damit, dass manche Autofahrer enorm viel unternehmen werden, um einem allfälligen Road-Pricing zu entkommen. "Ich war vor wenigen Tagen in der Abteilung, wo die Fälschungen landen. Man glaubt nicht, wie viel Liebe und Zeit die Menschen hineinstecken, nur um eine Zehn-Tages-Vignette für 8,70 Euro zu fälschen. Da werden Vignetten zerschnitten und aufwendig wieder zusammengebastelt"

Streitfall Folgekosten

Die Diskussion um das Modell Roadpricing oder Vignette ist auch eine über die Folgen des Verkehrs. Die Autofreunde befürchten, dass Pendler und Berufsfahrer damit zur Kassa gebeten werden und sehen diese ohnehin als Melkkühe der Nation. Kritiker bemängeln, dass in diese Rechnungen die Folgekosten des Straßenverkehrs (etwa durch Lärm und vor allem Schadstoffe) meist nicht ausreichend einberechnet werden. Dann würde der Verkehr nicht so zur Kassa gebeten werden, wie viel er tatsächlich kostet.

Cramer: "Für 100 Prozent der europäischen Schienen ist eine Maut für die Benützung fällig, aber nur für 0,9 Prozent des Straßennetzes. Europa tut alles, um umweltfreundliche Wege zu verteuern und umweltfeindliche billig zu halten."

Auch die zuständige Verkehrskommissarin Bulc kündigte in einem Interview mit der deutschen Welt am Sonntag an, dass eine EU-weit einheitliche Maut das Ziel ist, die sich "ausschließlich an der Zahl der gefahrenen Kilometer orientiert und nicht zeitabhängig ist". Die Einnahmen solle in den Staaten ausschließlich für den Straßenbau verwendet werden.

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