"Lockspitzel" in Arztpraxen: Ärztekammer geht zum VfGH

Das "Mystery Shopping" in Ordinationen polarisiert nach wie vor.
Experten halten das "Mystery Shopping" für "ohne Zweifel verfassungswidrig".

Die Ärztekammer will das Mystery Shopping, mit dem verdeckte Ermittler der Krankenkassen Ärzte kontrollieren, vor den Verfassungsgerichtshof bringen. Präsident Artur Wechselberger kündigte am Mittwoch an, sich an das Höchstgericht zu wenden, sollte die Bestimmung nicht doch noch geändert werden. Er stützt sich dabei auf zwei Rechtsgutachten, die der Regelung Verfassungswidrigkeit bescheinigen.

Seit Jahresbeginn können "Testpatienten" der Krankenkassen mit eigens dafür ausgestellten, falschen E-Cards die Ärzte überprüfen. Dabei sollen diese Scheinpatienten nicht nur möglichen Krankenstands- oder E-Card-Betrug aufdecken, sondern auch die ärztliche Leistungsverrechnung überprüfen.

Anfangsverdacht muss nicht vorliegen

"Lockspitzel" in Arztpraxen: Ärztekammer geht zum VfGH
Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der entsprechende Paragraf 32a im ASVG und die auf dessen Basis geplante, aber noch nicht erlassene Richtlinie "ohne Zweifel verfassungswidrig" ist. Grund dafür ist, dass die Kassen ohne Anfangsverdacht einen Lockspitzel in die Ordinationen schicken können. Diese Lockspitzel dürfte aber nicht so weit gehen, dass er den Arzt zu einer Straftat verleitet.

Mayer geht davon aus, dass der Paragraf 32a aufgehoben werden müsste. Die Kontrolle der Lockspitzel ohne begründeten Verdacht sei "maßlos über das Ziel schießend". Wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung des Arztes gegeben sei, wäre eine Überprüfung aber möglich. Der Verfassungsrechtler verweist auch darauf, dass bei der Polizei besonders geschulte Organe als verdeckte Ermittler eingesetzt werden, im ASVG sollen es hingegen "irgendwelche Leute" nach einer Schulung sein.

Verhältnismäßigkeit fragwürdig

Mayer stellt auch die Verhältnismäßigkeit der Vorgehensweise in Frage. Er geht davon aus, dass die ganze Regelung überflüssig sei, weil das Handeln des Arztes auch anders überprüft werden könnte. Wechselberger verwies darauf, dass etwa Krankschreibungen oder Medikamentenverschreibungen elektronisch gespeichert seien und auch der kontrollärztliche Dienst der Kassen Überprüfungen vornimmt.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Alois Birklbauer vom Institut für Strafrecht der Uni Linz. Er verweist in seinem Gutachten darauf, dass verdeckte Ermittler auch im Bereich des Straf- und Sicherheitspolizeirechts nur bei einem Anfangsverdacht und einer bestimmten Mindestschwere einer Straftat eingesetzt werden dürfen. Wenn verdeckte Ermittlungen nun auch ärztliche Qualitätskontrollen umfassen, sei diesen Prinzipien nicht hinreichend entsprochen. Auch Birklbauer betont, dass verdeckte Ermittler keine Tat provozieren dürfen.

Wechselberger zieht daraus die Konsequenz, dass die Ärztekammer den Gang zum VfGH beschreiten müsse, wenn der Gesetzgeber nicht doch noch vorher aktiv werde. Zum Prozedere stellte Mayer fest, dass man abwarten müsse, bis ein Testpatient der Kassen tätig geworden sei. Mit dessen Ergebnis könne man dann zum VfGH gehen - "mit guten Chancen", wie Mayer meinte.

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