Für die neue Heimat bei Olympia in Rio laufen

Lemawork Ketema
2013 beantragte Lemawork Ketema Asyl, 2016 will er für Österreich in Rio starten.

Der Nagel eines großen Zehs löst sich ab. Sonst hat Lemawork Ketema keine Probleme – die 79,9 Kilometer, die er wenige Tage zuvor beim Wings for Life World Run gelaufen ist, hat er schnell aus den Knochen geschüttelt. Bitteschön, hätte ja auch mehr sein können. "Aber ich hatte am Anfang Gegenwind", meint Ketema. Also die ersten 40 Kilometer nach dem Start in St. Pölten.

Laufen ist das Leben des 29-Jährigen. "Als Kind musste ich jeden Tag acht Kilometer zur Schule und zurück laufen. Nach der Schule war mir klar, dass ich Sportler werden möchte", erzählt er. Das Laufen führte ihn 2013 auch nach Österreich: 2010 kam der Äthiopier Ketema zum Salzburg Marathon – und suchte um Asyl an. Heuer erhielt er einen positiven Bescheid.

Positiver Asylbescheid

Den Wings for Life World Run hat er heuer zum zweiten Mal in Folge gewonnen. 101.000 Menschen nahmen daran weltweit zugunsten der Rückenmarkforschung teil. Weil er als Asylwerber das Land nicht verlassen durfte, konnte er den Preis, eine 30-tägige Weltreise, im Vorjahr nicht antreten. "Es wird heuer vorerst auch nicht gehen", meint Ketema. Trotz eines Konventionsreisepasses, den er aufgrund des Asylbescheids bekommen hat. "Es passt nicht in meinen Trainingsplan", erklärt Ketema. Er will zu Olympia. "Für meine neue Heimat Österreich."

30 Kilometer um 6 Uhr morgens. Auch während der Zeit in einer Unterkunft für Asylwerber in Greifenstein an der Donau war das oft sein Pensum. Dann zum Deutschkurs, am Abend wieder laufen. Oft hat er Training und Lernen auch verbunden, schrieb sich Vokabeln auf die Hand, wiederholte auf der Laufstrecke. Knapp zwei Jahre, nachdem er nach Österreich gekommen ist, gibt er seine Interviews mittlerweile auch im Fernsehen auf Deutsch, wechselt manchmal zur Sicherheit ins Englische.

"Es ist ein wunderschönes Land zum Laufen. Nur im Winter ist es für die Atemwege schwierig, aber krank war ich nie", meint Ketema. In Greifenstein winkten ihm die Leute aus den Gärten schon zu. Seit kurzem wohnt er in einer 25-Wohnung in Wien. "Dort habe ich auch die nötige Ruhe". Im Viermannzimmer in Greifenstein war das oft anders. In der Lobau, manchmal auch im Prater, spult er die Kilometer ab.

Sein Betreuer Harald Fritz von ausdauercoach.at ist zuversichtlich: "Ein Einbürgerungsverfahren läuft. Österreich hat keinen Läufer seiner Qualität." Ein kleiner Nachteil: "In Kenia trainieren die besten Läufer gemeinsam. Lema wäre dafür offen, aber es findet sich niemand".

Das Olympialimit von 2:14:00 wird Ketema erstmals beim Rio Marathon im Juli zu knacken versuchen. Seine bisherige Marathon-Bestzeit liegt nur knapp darüber.

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