Dorfcharakter statt Geisterburgen

Dorfcharakter statt Geisterburgen
Ein eigener Kontrolleur geht im Vorarlberger Nobel-Skiort gegen illegale Zweitwohnsitze vor.

Sanft legt sich die Dämmerung über Lech, den bekannten Nobel-Skiort am Arlberg. Und während es in den Hotelzimmern nach und nach hell wird, bahnt sich ein Mann zielstrebig seinen Weg. Auf der Suche nach jenen Häusern, in denen nur höchst selten das Licht angeht.

Seit zwei Jahren ist Peter N. (Name geändert) im Auftrag der Gemeinde Lech sogenannten illegalen Freizeit-Wohnsitzen auf der Spur. „1993 hat der Gemeinderat beschlossen, keine neuen Zweitwohnsitze mehr zu widmen“, erläutert N., während er einen Parkplatz ansteuert. „Aber immer wieder versuchen Reiche, vor allem Deutsche und Österreicher, dies zu umgehen.“

Einige melden einfach einen Hauptwohnsitz an. „Aber dazu müssten sie ganzjährig da sein, und nicht nur zu Weihnachten, Silvester, im Fasching, zu Ostern und ein Mal im Sommer“, sagt der Kontrolleur. Andere geben mit abstrusen Konstrukten vor, ständig in Lech zu leben: Da wird ein Firmensitz samt Hauptwohnsitz, aber kein Gewerbe angemeldet oder eine Firma gegründet, die nur diese eine Wohnung vermietet – ausgerechnet an einen nahen Angehörigen.

Glückstreffer

Zwei Immobilien stehen auch an diesem Abend leer. „Es gibt Objekte, wo ich noch nie jemanden angetroffen habe. In einer dieser zwei Wohnungen war in 14 Monaten nur zwei Mal jemand da.“

Auch die nächsten beiden Domizile sind nicht bewohnt. „Das sind Ferienwohnungen, die Einheimische vermieten – und zwar dauerhaft“, erklärt der Kontrolleur. Doch auch das ist nicht erlaubt. „Trotzdem bewerben manche sogar auf der Homepage, dass eine Dauervermietung bei ihnen möglich ist.“ Schließlich lassen sich einige Gäste ihre luxuriös ausgestattete Bleibe bis zu 30.000 Euro Miete pro Jahr kosten. Selbst wenn sie nur sechs bis acht Wochen genutzt wird.

15 Verdachtsfällen in zehn Häusern geht er derzeit nach. Dafür macht er mindestens ein Mal pro Woche seine Stippvisiten, „regelmäßig unregelmäßig: Ich komme an unterschiedlichen Tagen zu unterschiedlichen Zeiten, nicht nur in der Nebensaison“. Meist aber ist N. abends unterwegs. Sonst könnten die Leute ja sagen, sie waren bei seinem Besuch Ski fahren. Zudem sei Dank Beleuchtung schnell klar, ob jemand daheim ist. Bei Objekten in Hanglage nimmt er für einen Kontrollblick auch Fahrten auf die gegenüberliegende Talseite in Kauf.

Wenn’s in den Wohnungen dunkel ist, klingelt er, schaut, ob ein Auto da steht – und trägt die Beobachtungen in seine Liste ein.

Einen vermeintlichen Lecher trifft der Kontrolleur an diesem Abend dann doch noch an – nach vielen vergeblichen Anläufen – und vereinbart einen Termin.

Dennoch: Über „Stasi-Methoden“ hätten sich kaum Gäste beklagt, sagt er. „Wir wollen die normalen Urlauber ja nicht bespitzeln, andererseits sollen die Kontrollen abschrecken.“ Wenn sich ein Verdacht über einen Zeitraum von mindestens einem Dreivierteljahr erhärtet, folgt die Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft.

„Wir wollen unser Dorf erhalten und enkeltauglich machen und keine leer stehenden Geisterburgen, wie in den französischen Alpen“, erklärt Lechs Bürgermeister Ludwig Muxel. Deshalb hatte die Gemeinde im Herbst 2011 sogar per Stellenausschreibung einen Kontrolleur gesucht.

8400 Gästebetten gibt es in der 1500-Seelen-Gemeinde und 400 Freizeitwohnsitze, die noch 1993 genehmigt wurden. „Die Kontrollen haben präventive Wirkung“, zieht Muxel Zwischenbilanz: Mehrere Anzeigen liegen bei der Bezirkshauptmannschaft. Den Haus- bzw. Wohnungsbesitzern drohen Geldstrafen, laut Vorarlberger Raumplanungsgesetz bestünde sogar die Möglichkeit einer Zwangsversteigerung. „Dadurch wurden einige, die sich auf Umgehungsgeschäfte eingelassen haben, ziemlich verunsichert“, sagt der Gemeinde-Chef.

Dennoch brauche es den Kontrolleur, weil immer neue Interessenten versuchen, illegale Freizeitwohnsitze zu begründen. Muxel: „Aber zu viele Zweitwohnsitze sind die Totengräber des Qualitätstourismus. Gleichzeitig würde auch der Lebensraum für Einheimische eingeengt.“

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