„Langsam werden wir ungeduldig“

„Langsam werden wir ungeduldig“
Murenabgänge: Ein kleiner Ort im Bezirk Villach ist schon die vierte Woche von der Umwelt abgeschnitten

In den kommenden Tagen soll der Winter Einzug im Land halten. Die letzten Ausläufer des Herbstes haben Kärnten erneut getroffen: Nach intensiven Regenfällen gingen in der Nacht auf Donnerstag im Mölltal gleich drei Muren ab. Die Straße zum Skigebiet Mölltaler Gletscher musste gesperrt, ein Wohnhaus evakuiert werden. Wie lange die Sperre dauert, ist noch nicht absehbar.

In der kleinen Ortschaft Hinterrauth in der Gemeinde Feld am See, Bezirk Villach-Land, hat die vierte Woche begonnen. Die vierte Woche, in der 30 Bewohner in fünf Bauernhöfen und vier Einfamilienhäusern von der Umwelt abgeschnitten sind, weil eine Mure einen Teil der Zufahrtsstraße weggerissen hat. Anfänglicher Optimismus und die Ergebenheit in das Schicksal sind mittlerweile Unmut, Ungeduld und ein Anflug von Resignation gewichen: „Auf den Mond können s’ fliegen, aber unsere Straße reparieren s’ nicht. Es dauert schon so lange.“

Es war der 6. November, als Gemeindebediensteter Gerhard Trattnig, 46, am Nachmittag erste Risse im Hang entdeckte: „Das Erdreich ist dann schnell nachgesackt, 40 Zentimeter sind gleich ausgebrochen.“ Vorsorglich wurde die Straße gesperrt. Am nächsten Morgen fehlte der Gutteil der Zufahrt. Seither wird um eine Lösung für die Eingeschlossenen gerungen.

Der erste Gedanke einer Behelfsbrücke musste wieder verworfen werden. Bürgermeister Erhard Veiter: „Der Hang ist zu instabil.“ Danach wurde eine Steinschlichtung angelegt, um darüber einen Weg zu bauen. Doch da geriet auch der obere Hang ins Rutschen. Dass es an der aus der Eiszeit stammenden Gleitschicht im Berg liegt, wie ein Geologe meinte, tröstet die Bürger nur bedingt.

Organisierter Alltag

Die haben sich mittlerweile jedenfalls organisiert. Gerhard Trattnig ist zum „Mädchen für alles“ mutiert: „Ich stehe immer mit einem Auto bereit.“ Einerseits erledigt er Einkäufe, Besorgungen, holt Medikamente, bringt die Menschen zum Arzt oder anderen Terminen, andererseits
besucht er jedes Gehöft und schaut nach, wie es den Leuten geht und ob alles in Ordnung ist.

„Langsam werden wir ungeduldig“
Hinterrauth
Die Bewohner parken ihre Autos entlang der Bergstraße bis zur Absperrung: „Das geht nur, so lange nicht gearbeitet wird“, erklärt Trattnig. Seine Neffen Michael, 12, und Thomas, 11, marschieren täglich vier Kilometer zur nächsten Bushaltestelle. Für die Feuerwehr stehen Wassertanks und Schläuche bereit, bei medizinischen Fällen hilft ein First Responder.

Im Haus von „Urli“ Erna Trattnig, 89, wohnen vier Generationen, David mit vier Jahren ist der Jüngste. Erna fühlt sich gar nicht wohl: „Es ist alles so eng hier. Langsam werden wir ungeduldig“, sagt sie nachdenklich. Donnerstagnachmittag fand erneut eine Krisensitzung statt. Ihr Sohn Helmut meint: „Es soll endlich eine Entscheidung fallen, wie uns geholfen wird – das wäre das schönste Weihnachtsgeschenk.“

Stromausfälle in Tirol

Föhn und spätherbstliche Temperaturen, die zuletzt in manchen Skigebieten für Kopfzerbrechen sorgten, wurden in der Nacht auf Donnerstag von Regen und Schnee abgelöst.

In Teilen Osttirols waren es bis zu 35 Zentimeter Nass-Schnee, die allerdings auch zu anhaltenden Problemen bei der Stromversorgung führten. Rund 2500 Haus­halte, vorwiegend im Villgraten, Lesach- und Defreggental waren ab Mittwochabend vorübergehend ohne Strom.

Denn an vielen Stellen hatten die Bäume dem schweren Schnee nicht mehr standgehalten und waren in die Stromleitungen gestürzt. Und auch am Donnerstagnachmittag standen noch immer rund 35 Mitarbeiter der Tiwag-Netz-AG im Einsatz. In Innervillgraten, wo die Reparatur länger dauern könnte, soll die Versorgung mit Notstromaggregaten aufrecht erhalten werden.

Wechselhaft und kalt soll sich das Wetter in den kommenden Tagen präsentieren. Sehr zur Freude der Skilift-Betreiber ist mit Schneefall bis ins Tal zu rechnen.

Die Mengen dürften zwar nicht allzu ergiebig ausfallen, aber gleichzeitig werden auch Minusgrade prognostiziert. Damit können die Schneekanonen auf Hochtouren zusätzliches Material für die Pisten produzieren. Die Arlberger Bergbahnen, die den Saisonstart absagen mussten, wollen aufgrund der Vorhersagen am 6. Dezember ihren Betrieb aufnehmen, die Mayrhofner Bergbahnen am 8. 12.

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