Kürzere Tage, höheres Unfallrisiko: Reflektoren als Lebensretter

Kürzere Tage, höheres Unfallrisiko: Reflektoren als Lebensretter
Immer wieder werden Fußgänger und Radfahrer verletzt oder getötet, weil sie bei Dämmerung übersehen werden. Der Effekt von Reflektoren wird oft unterschätzt.

Stockdunkel war es an jenem Montagabend Ende Dezember, als ein 37-jähriger Niederösterreicher mit seinem Auto auf der Mistelbacher Bundesstraße unterwegs war. Ein Fahrzeug kam ihm entgegen, er blendete ab. 

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Als er das Fernlicht wieder einschalten wollte, konnte der 37-Jährige auf der rechten Straßenseite nur noch einen Schatten wahrnehmen, bevor er einen lauten Knall hörte. Er hatte  eine  Fußgängerin touchiert, die 20-Jährige wurde in einen angrenzenden Acker geschleudert.

Kürzere Tage, höheres Unfallrisiko: Reflektoren als Lebensretter

Reflektoren an Kleidungsstücken sind in Österreich – im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern – noch nicht weit verbreitet.

Die junge Frau war dunkel gekleidet am rechten Fahrbahnrand der unbeleuchteten B40 unterwegs gewesen. Kein Einzelfall, wie eine Anfrage beim ÖAMTC zeigt. Bei Dämmerung beziehungsweise Dunkelheit passierten im vergangenen Jahr rund 4.620 Unfälle, an denen Fußgänger beteiligt waren. 2023 starben dabei mit Stand Anfang Dezember 44 Fußgänger, im Jahr davor waren es laut Innenministerium 47. 

Aus 150 Meter Entfernung sichtbar

Die Sichtbarkeit spielt im Zusammenhang mit Unfällen eine große Rolle. „Dunkel gekleidete Personen werden etwa ab 20 Meter wahrgenommen, hell gekleidete etwa aus 80 Meter und jene mit Reflektoren aus etwa 150 Meter Entfernung“, sagt Marion Seidenberger, Verkehrspsychologin beim ÖAMTC. Besonders wirkungsvoll seien Reflektoren, die im Straßen- oder Pannendienst auf der Bekleidung verwendet werden, also großflächige Reflektoren an Beinen beziehungsweise Hosen und Oberbekleidung.

Doch Reflektoren können auch von Privatpersonen in den Alltag integriert werden. „Gut wirksam im Privateinsatz sind zum Beispiel reflektierende Bänder oder Stoffeinsätze im Bereich abwärts der Hüfte. Das wirkt automatisch, ohne dass man zusätzlich etwas anbringen muss“, erklärt die ÖAMTC-Expertin. 

Im Gegensatz zu skandinavischen Ländern, wo das Tragen von Reflektoren weit verbreitet beziehungsweise verpflichtend ist, ist dieses Accessoire in Österreich noch nicht etabliert. Wer in Schweden in einen Unfall verwickelt ist, ohne einen Reflektor an seiner Kleidung zu tragen, trägt automatisch Mitschuld.

"Niemand kann sich eigene Unsichtbarkeit vorstellen"

Einer, der sich seit Jahren dafür einsetzt, dass Reflektoren auch in Österreich in der breiten Masse Anklang finden, ist Rudolf Schwarz. Der 71-jährige Wiener entwarf bereits privat Reflektoren für Kleidungsstücke. „Ohne diese ‚Rückstrahler‘ ist man bei Dunkelheit im Straßenverkehr nahezu unsichtbar. Dass es auch Reflektoren für Erwachsene gibt, die in normaler oder eleganter Kleidung zu Fuß unterwegs sind, weiß kaum jemand“, erklärt der Wiener. 

Aufklärung in Schulen

Die lebensrettende Wirkung von Reflektoren werde in Österreich vielfach unterschätzt. „Man kann sich die eigene Unsichtbarkeit nicht vorstellen“, sagt Schwarz. Zahlen beziehungsweise Schätzungen, wie viele Unfälle in Österreich mit Reflektoren vermieden werden können, liegen beim ÖAMTC nicht auf. In Vorarlberg und Oberösterreich setzt das Land jeweils auf Aufklärung in Schulen – die Unfallpräventionsstelle des Landes Vorarlberg hält etwa für Volksschulklassen Unterrichtseinheiten.

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Trotz reflektierender Materialien an der Bekleidung könne man aber nicht generell davon ausgehen, immer rechtzeitig gesehen zu werden, warnt die Verkehrspsychologin. „Sich als Fußgänger vor einer Fahrbahnüberquerung selbst umzublicken oder zu schauen, ob Autofahrer abgelenkt sind, können zusätzliche Eigensicherungsmaßnahmen sein“, betont Seidenberger.

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