Kritik an mangelnder Bahnsicherheit
Zug-Zusammenstöße, Geisterzüge, die völlig schief gelaufene Evakuierung eines deutschen ICE im Tunnel, vertuschte Unfälle, reihenweise verloren Bauteile auf der Tempo-230-Strecke. Kaum eine Woche vergeht ohne gröberen Vorfall im österreichischen Schienennetz.
Am Montagabend kollidierten erneut eine Schnellbahn und ein Güterzug bei Süßenbrunn an der Wiener Stadtgrenze. Verletzt wurde niemand. Vieles deutet darauf hin, dass der Schnellbahn-Triebfahrzeugführer ein Stoppsignal überfahren hat. Am gleichen Ort, nur eine Weiche daneben, kollidierten 1991 gleich drei Züge. Damals gab es vier Tote. Anschließend wurden die Signale überarbeitet.
Erheblicher Sachschaden
Entgegen bisheriger Beteuerungen der ÖBB, das sei bei Schrittgeschwindigkeit passiert und es habe keine Entgleisung gegeben, hält das Papier fest: Die S-Bahn war mit 40 km/h unterwegs und das Triebfahrzeug ist mit allen Achsen entgleist. Der Sachschaden war erheblich, es gab Gleissperren und Züge fielen aus. Dass es keine Verletzten gab, dürfte an Zufall grenzen.
Noch schlimmer war die Lage beim Zusammenstoß in einem Tunnel am Semmering im Dezember 2015 – dort erfuhr die Polizei erst via Verkehrsnachrichten, dass sich 21 Waggons ineinander verkeilt hatten.
Noch im Jänner hatte Verkehrsminister Jörg Leichtfried auf eine parlamentarische Anfrage der FPÖ erklärt, dass das Sicherheitsmanagement bei den ÖBB in der jetzigen Form "ausreichend" sei.
Leichtfried zog Reißleine
Doch vergangene Woche zog Leichtfried die Reißleine. Mit der Auflösung der für die Untersuchungen zuständigen Bundesanstalt für Verkehr wird es künftig nicht mehr so sein, dass ausschließlich ÖBB-Mitarbeiter Vorfälle bei den ÖBB untersuchen werden. Denn tatsächlich prüfte die Bahn ihre Unfälle selbst – und wenig überraschend kamen dabei fast nie Versäumnisse von ÖBB-Mitarbeitern zu Tage. Ein "Privileg der Sorglosigkeit" nennt es Gewerkschaftsboss Roman Hebenstreit wenig schmeichelhaft.
Jörg Leichtfried: "Es wird das System für ein effektives Sicherheitsmanagement als ausreichend angesehen."
Fall fürs Parlament
Noch lange ist nicht alles aufgearbeitet, was da in den vergangenen Jahren unter den Teppich gekehrt wurde. Neos-Abgeordneter Rainer Hable will nun eine große parlamentarische Anfrage dazu einbringen. Die Serie an verlorenen Bauteilen auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke bei St. Pölten etwa ist bis heute ein ungeklärtes Rätsel. Bei vielen Bahnunfällen sollen auch Handytelefonate während der Fahrt eine Rolle gespielt haben, berichten Insider. Das soll sogar aus Berichten gestrichen worden sein, heißt es.
Die Neuordnung der Unfallermittlungen durch Leichtfried und eine neue Transparenz der ÖBB in den vergangenen drei Monaten zeigt, dass vielleicht doch noch Licht am Ende des Tunnel sein könnte. Bahnsicherheit muss Chefsache sein.
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