„Pauli’s Kuchl“
Gleich bei der Endstation und direkt im Jaurès-Hof befindet sich, neben dem Friseursalon „Dolce Vita“, das letzte Wiener Beisl im Grätzel: „Pauli’s Kuchl“. Im Gastgarten hockt schon am Vormittag eine gut gelaunte Stammtischrunde beim ersten Seidel des Tages. Die Frage, wie oft sie sich hier treffen, stößt bei den Herren auf wenig Verständnis. „Na, jeden Tag“, sagt einer. „Sonst wär’s ja kein Stammtisch.“
Benannt ist „Pauli’s Kuchl“ nach Paul Putzberger, der das Gasthaus vor acht Jahren übernommen hat. „Ich bin jeden Tag um fünf in der Früh in der Kuchl, weil ich den Erdäpfelsalat selber mach’“, sagt der Wirt. „Aber es macht mir immer noch Spaß, das merken die Gäste. Ich begrüße jeden mit Handschlag.“
Früher gab’s hier nur einen kleinen Imbiss, berichtet ein Stammgast. „Und daneben war das Parteilokal von den Kommunisten.“
Die demografischen Verhältnisse des zehnten Bezirks sind im Jaurès-Hof auf engstem Raum abgebildet. Auf der einen Seite, in „Pauli’s Kuchl“, sitzen die echten Wiener. Im selben Gemeindebau, aber an der gegenüberliegenden Ecke, haben die Wiener mit Migrationshintergrund ihren Platz: Neben einem türkischen Lebensmittelladen gibt’s hier eine Moschee, die allerdings gerade wegen Renovierung geschlossen ist. „Am 5. September hat sie wieder geöffnet“, erzählt einer der Arbeiter.
Rudolfshügel, der Name des Grätzels, hat für Sporthistoriker einen besonderen Klang. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es dort, keine 100 Meter vom Jaurès-Hof, einen Fußballplatz, auf dem der SpC Rudolfshügel seine Heimspiele austrug. Größter Erfolg in der obersten Spielklasse war der zweite Platz 1919. Und 1924 sorgten bei einem Cupspiel gegen die Amateure 15.000 Fans für einen Rekordbesuch.
1927 kündigte die Gemeinde den Pachtvertrag, weil sie den Grund für Wohnbauten benötigte, im Oktober 1928 wurde der Platz geschleift. Fast 100 Jahre danach ist davon keine Spur mehr. Fußball aber wird auf dem Rudolfshügel heute noch gespielt: Der Raxplatz an der Raxstraße ist die Heimstätte von TWL Elektra, einem in der drittklassigen Regionalliga Ost engagierten Verein.
Konsumationspflicht
TWL steht für „Team Wiener Linien“, das einst aus SV Straßenbahn und SC Gaswerk hervorgegangen war und 2021 dann mit Elektra fusioniert hat. Achtung: In der Kantine am Raxplatz besteht, so steht’s am Eingang, „Konsumationspflicht“.
Das Grätzel um die Endstation des O-Wagens hat aber noch eine weitere kulinarische Attraktion zu bieten: die Zentrale der Café-Konditorei Groissböck (vier Filialen). Frühstück wird hier ganztags serviert, und Krapfen gibt’s das ganze Jahr. Beim Test von Gault Millau wurden sie zu Wiens besten Krapfen gekürt. Das Leben in Favoriten kann erstaunlich süß sein.
In der Serie „Endstation“ fahren wir mit Bim oder Bus bis zur jeweiligen Endstation und halten fest, was es dort zu entdecken gibt.
Kommentare