Komplikationen bei Geburten: Prozess gegen Hebammen in Leoben

AKH Intensiv-Säuglingsstation
Die Hebammen wurden wegen grob fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt - und alle freigesprochen.

Der Prozess gegen drei Hebammen, einen Gynäkologen und das Diakonissenkrankenhaus Schladming als Verband hat Mittwochfrüh in Leoben begonnen: Alle Angeklagten bekannten sich nicht schuldig. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen teils grob fahrlässige Tötung sowie fahrlässige Körperverletzung vor. Die Verteidiger sahen die Verantwortung bei der Legislative.

Staatsanwältin Annika Wörndle nannte fünf Geburten von 2010 bis 2014 im DKH Schladming mit "teils schwerwiegenden Komplikationen". Eine der Hebammen soll sogar für den Tod eines Babys mitverantwortlich sein, weil sie es unterlassen habe, den Facharzt zu rufen, "als die Herztöne suspekt und dann beim Baby sogar pathologisch waren", so die Anklägerin.

Die anderen beiden Hebammen sollen es ebenfalls unterlassen haben, einen der beiden Fachärzte des DKH zu rufen, als es Komplikationen gab. Bei einer Mutter setzte eine der Hebammen einen Dammschnitt, wodurch es zu einem großen Blutverlust gekommen sein soll.

Sauerstoffmangel

In einem anderen Fall kam es beim Baby zu einem Sauerstoffmangel - eine schwere Behinderung war die Folge. Der angeklagte Gynäkologe muss sich dafür verantworten, dass er in einem Fall keine Blutkonserven verabreicht haben soll. In einem anderen Fall soll er Plazentareste in der Gebärmutter zurückgelassen haben, wodurch eine neuerliche Operation notwendig wurde.

Keiner und keine der Angeklagten sahen eine Schuld bei sich. Die Verteidiger gestanden zu, dass der Tod eines Baby und Komplikationen immer tragisch seien, aber das rechtfertige nicht, dass die durchgehend langjährigen und erfahrenen Hebammen nun der grob fahrlässigen Tötung oder der fahrlässigen Körperverletzung bezichtigt würden.

Widersprüchliche Regelungen

Hinzu kommen offenbar widersprüchliche Vorgaben in den Bescheiden des Landes Steiermark für das DKH: Zum einen müsse bei jeder Geburt ein Facharzt beigezogen werden, zum anderen sei es aber erlaubt, wenn ein Facharzt in Bereitschaft innerhalb von 30 Minuten im DKH und in 20 weiteren Minuten dann bei der Geburt sein könne. Die entsprechenden Vorgaben wurden mittlerweile geändert.

Eine Verteidigerin einer Hebamme meinte: "Da ist nun ein Versuch, die Verantwortung auf die Kleinsten abzuwälzen. Die Verantwortung lag bei der Legislative." Die Komplikationen seien "schicksalhaft" gewesen und es hätten Ausnahmesituationen angesichts der strukturellen Rahmenbedingungen geherrscht. Strafrechtliches Verhalten liege jedenfalls nicht vor, so die Anwältin.

Freispruch für alle Angeklagten

Alle drei Hebammen, der Gynäkologe sowie das Diakonissenkrankenhaus Schladming als Verband sind - noch nicht rechtskräftig - vom Vorwurf der grob fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen worden. Der Gutachter erklärte, dass die Komplikationen auch im Beisein eines Facharztes zu den vorliegenden Folgen geführt hätten. Alle Beteiligten hätten „lege artis“ gehandelt.

Der Sachverständige schilderte mehr als eine Stunde lang in jedem der fünf Fälle, warum die Hebammen und der Arzt stets „innerhalb der therapeutischen Bandbreite“ gearbeitet hätten. Der Gynäkologe war in einem Fall nicht einmal bei der angeklagten Geburt dabei. Im Fall des gestorbenen Babys meinte der Gutachter: „Es war keine Chance für den Arzt, rechtzeitig zu entbinden. Der dramatische Fall war keine Schlamperei, sondern hätte auch in einem Universitätsklinikum noch schlechter ausgehen können.“

Kritik an Gesetzgebung

Richter Roman Weiß meinte in seiner Begründung, dass im Strafrecht nun mal eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliegen muss, dass der Schaden nicht entstanden wäre. Das sei in dem Fall keineswegs gegeben: „Von einer Verurteilung sind wir weit, weit weg.“ Er kritisierte den Bescheid des Amts der steiermärkischen Landesregierung, der eine Anfahrtszeit des Facharzts von 30 Minuten erlaubte: „Ich brauche kein Sachverständiger sein, um zu wissen, dass das absoluter Wahnsinn ist.“ In diesen 30 Minuten sah er die Hauptursache. „Es muss immer was passieren, dass sich etwas ändert.“

Weiß kritisierte weiter, dass der Gesetzgeber versucht habe, seine Schuld abzuwälzen: „Das Land wusste von der Problematik und, dass es eine Katastrophe ist, wenn was passiert.“ Dem Spital sei kein Vorwurf zu machen. Staatsanwältin Anika Maierhofer gab keine Erklärung ab.

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