Kindesunterhalt: Vater Staat muss öfter einspringen

Kindesunterhalt: Vater Staat muss öfter einspringen
50.000 Minderjährige bekommen keine Alimente, Republik zahlt 131 Millionen Euro Vorschuss.

Die schlechte Nachricht zuerst: Schulden beim Staat wegen nicht geleisteter Unterhaltszahlungen verjähren nie. Insofern könnte es laut Senatspräsident Reinhard Hinger vom Oberlandesgericht Wien "ein böses Erwachen geben, wenn man ins Pensionsalter kommt und vielleicht erstmals ein regelmäßiges Einkommen bekommt".

Dann bleibt unter Umständen nicht einmal das Existenzminimum über, denn der Staat darf in solchen Fällen bei der Pfändung diese Grenze noch um 25 Prozent unterschreiten.

Trotzdem muss Österreich jedes Jahr tiefer in die Taschen greifen, um etwa 50.000 hier lebenden Kindern (auch solchen mit einer anderen EU-Staatsbürgerschaft) Unterhaltsvorschuss zu zahlen, wenn der zum Unterhalt verpflichtete Elternteil auslässt. Waren es 2013 noch 90 Millionen Euro, die Papa Staat vorstreckte, schlug sich dieser Budgetposten 2016 schon mit 131 Millionen Euro zu Buche. Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ durch Justizminister Wolfgang Brandstetter hervor.

3100 im Ausland

Die Summe könnte sich noch erhöhen, sollte die Forderung von Frauenorganisationen erfüllt werden, Unterhaltsvorschuss über das 18. Lebensjahr hinaus bis zum Ende der Ausbildung zu gewähren.

Meist sind es die Väter, die sie sich ins Ausland abgesetzt haben bzw. von dort stammen und keinen Unterhalt nach Österreich überweisen. Von den 3100 im Ausland lebenden Personen, auf die das zutrifft, befinden sich die meisten (1648) in Deutschland, gefolgt von der Schweiz (324) und der Türkei (194).

Etwas mehr als die Hälfte der Vorschüsse wird später zurückgezahlt oder kann hereingebracht werden. Trotzdem sind die offenen Forderungen der Republik Österreich seit Einführung des Unterhaltsvorschusses 1976 mittlerweile auf 1,1 Milliarden Euro angewachsen.

Kindesunterhalt: Vater Staat muss öfter einspringen
Kurier-Infografik
Der Rechnungshof kritisiert die unterschiedlich starken Anstrengungen von Behörden, die mit der Hereinbringung von ausstehenden Unterhaltszahlungen befasst sind, und hat drei Stichproben gezogen. Die Quote zwischen Vorschüssen und (erzwungenen) Rückzahlungen beträgt in den beiden oberösterreichischen Gemeinden Schärding und Wels 66 bzw. 29 Prozent, bei Kinder- und Jugendhilfeträgern in den Wiener Bezirken Meidling, Hietzing und Liesing 36 Prozent. Das hängt laut Rechnungshof mit dem jeweiligen Personaleinsatz zusammen. Und damit, dass in Schärding 64 von 100 Unterhaltsschuldnern vor das Strafgericht gebracht werden, während es in Wien 55 und in Wels nur 18 von 100 sind. Es wird eine mangelnde zentrale Steuerung durch das Justizministerium kritisiert.

Dort wurde eine Arbeitsgruppe "Kindesunterhalt" eingesetzt, die Reformvorschläge ausarbeiten soll. Über Details oder auch nur die Richtung hüllt man sich jedoch in Schweigen.

Die Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht (OLG) Wien treibt für ganz Österreich ab dem Erreichen des 18. Lebensjahres (ab dann wird kein Vorschuss mehr gewährt) des Kindes die bevorschussten Unterhaltszahlungen ein. Mitunter ist auch nach 30 Jahren noch etwas zu holen, sogar über den Tod des Unterhaltsschuldners hinaus, wenn in der Verlassenschaft ein bis dahin verheimlichtes Vermögen auftaucht.

Eigene Abteilung

Seit Februar 2015 gibt es beim OLG Wien eine eigene Abteilung, die speziell für die Hereinbringung im Ausland abgestellt ist. "Großbritannien, Frankreich, Italien sind schwerfällig", sagt Reinhard Hinger. Die größten Erfolge beim Eintreiben habe man in Deutschland. Aber auch "in den Oststaaten wie Tschechien, Slowakei, Ungarn funktioniert es besser, weil die Bürokratie dort vielfach noch wie in der Monarchie gestaltet ist."

Unterhaltspflicht

Anklagen: Die Zahl der Strafverfahren gegen Elternteile, die ihre Unterhaltspflicht verletzt haben, geht zurück: 2014 gab es 2229 Verfahren und 1186 Verurteilungen, 2015 waren es 2090 Verfahren (1045 Schuldsprüchen), im Vorjahr wurden 1885 Verfahren durchgeführt, die zu 900 Verurteilungen führten.

Rückzahlungen: Die Zahl der freiwilligen oder erzwungenen Rückzahlungen von Unterhaltsvorschüssen steigt langsam: 2013 wurden 56 Millionen Euro zurückgezahlt oder eingetrieben, 2014 und 2015 waren es 60 bzw. 69 Millionen, im Vorjahr 76 Millionen.

Klagen von Kindern: Rund 5500 volljährige Kinder klagen pro Jahr Vater oder Mutter auf Unterhalt.

Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, leistet durch die Haushaltsführung seinen Beitrag zum Unterhalt. Der andere Elternteil ist zur Zahlung von Alimenten verpflichtet. Er muss „nach seinen Kräften“ (Anspannungstheorie) – wie es im Gesetz heißt – zum Unterhalt beitragen. Für die Berechnung wurden je nach Alter des Kindes Prozentsätze festgelegt: 16 Prozent des Nettoeinkommens für Kinder bis sechs Jahren, 18 Prozent bis zehn, 20 Prozent bis 15 und 22 Prozent bis zum 18. Lebensjahr. Unterhaltspflichtigen mit überdurchschnittlichem Einkommen kommt eine so genannte „Luxus-“ oder „Playboygrenze“ zugute. In diesen Fällen ist ist der Unterhaltsanspruch mit dem Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs begrenzt.

Ein international erfolgreicher Motorradrennfahrer aus der Steiermark wurde vom Gericht gerügt, dass er trotz seiner Siege keine entsprechend hoch dotierten Werbeverträge abgeschlossen hatte. Autogrammstunden, der Vertrieb von Fanartikeln und Auftritte als Werbeträger hätten das Einkommen des geschiedenen Vaters zweier Kinder erhöht und dadurch auch höhere Unterhaltsleistungen (bis zur „Playboygrenze“) ermöglicht. Der Unterhaltspflichtige muss „alle persönlichen Fähigkeiten so gut wie möglich einsetzen“, beschied das Gericht dem Rennsportstar.

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