Kinderwunsch: "Fertility Gap" wird immer größer
Frauen in Europa und den USA haben weniger Kinder als ursprünglich gewünscht. In Österreich bleiben dabei vor allem Akademikerinnen hinter den Vorstellungen früherer Jahre zurück, zeigt eine Studie der Demographinnen Eva Beaujouan und Caroline Berghammer von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Für ihre Untersuchung im Fachjournal "Population Research and Policy Review" zogen die Forscherinnen Daten von insgesamt rund 12.500 Frauen aus 19 europäischen Ländern sowie den USA heran, die in den 1990er-Jahren im Alter von 20 bis 24 bzw. 25 bis 29 Jahren nach ihrem Kinderwunsch befragt worden waren. Anschließend haben sie diese Zahlen mit den tatsächlichen Geburtenraten in diesen Ländern verglichen.
"Fertility Gap" bei Akademikerinnen
Im Schnitt gaben die in den 90ern befragten jungen Österreicherinnen an, zwei Kinder haben zu wollen. Tatsächlich bekamen sie aber nur durchschnittlich 1,7. Besonders hoch war dieser "Fertility Gap" bei den Akademikerinnen: Sie wünschten sich im Schnitt 1,8 Kinder, bekamen aber nur 1,5. Weniger stark ausgeprägt war der Unterschied bei Frauen mit mittlerer (gewünscht: 1,9; realisiert: 1,8) und niedriger Ausbildung (gewünscht: 2,0; realisiert: 1,8).
Im Ländervergleich wurden die größten Unterschiede zwischen Kinderwunsch und Wirklichkeit in Südeuropa festgestellt: In Italien, Griechenland und Spanien lagen die "Fertility Gaps" bei mehr als 0,6 Kindern pro Frau. Als Gründe sehen die Studienautorinnen einerseits die relativ hohen Kindererwartungen aufgrund der dort vorherrschenden traditionell großen Familien sowie instabile Arbeitsmärkte und wenig Unterstützung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Die geringsten Unterschiede zwischen Wunsch und Wirklichkeit fanden die Demographinnen in Frankreich und den USA - wobei in den USA ein hoher Anteil an "Übererfüllerinnen" (de facto Teenager-Mütter) dafür verantwortlich sein könnten. Auch Österreich zählt zu jenen Ländern mit einem eher geringen Gap: Verantwortlich dafür ist der schon ursprünglich gering ausgeprägte Kinderwunsch.
20 Prozent kinderlos
Auch bei der Kinderlosigkeit klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Realität: In Deutschland, Österreich und der Schweiz planten nur rund fünf Prozent aller Frauen kinderlos zu bleiben. Tatsächlich sind es mit rund 20 Prozent viermal so viel geworden. Auch hier ist der Gap bei den Akademikerinnen am größten: Zwar gaben sowohl in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Italien und Spanien rund fünf Prozent der höher Gebildeten an, keine Kinder zu wollen - geworden sind es dann aber jeweils zwischen 26 und 30 Prozent. In Staaten wie Norwegen, Belgien, Tschechien und Ungarn gab es bei der Kinderlosigkeit dagegen kein Bildungsgefälle.
Die Demographinnen wollen daher familienpolitisch bei den Akademikerinnen ansetzen. Dazu seien besonders Maßnahmen für eine Kombination von Karriere und Kindern wichtig, so Berghammer in einer Aussendung: "Dazu zählen ein gut ausgebautes Kinderbetreuungssystem, einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld, wie es in Österreich bereits existiert, sowie eine höhere Flexibilität von Arbeitszeiten und Arbeitsort." Außerdem müssten auch Männer berücksichtigt werden - etwa durch arbeitsmarktpolitische Förderung der Väterbeteiligung in der Familie.
Kommentare