Kellermayr-Prozess: Drohung per Mail bringt Deutschen vor Gericht

Lisa-Maria Kellermayr
Der Fall Lisa-Maria Kellermayr ist die Spitze eines Eisberges, den Hassmails und virtuelle Morddrohungen während der Corona-Zeit entstehen ließen. Ein 61-jähriger Deutscher steht ab Mittwoch in Wels vor Gericht

Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu schmieden.“ Dieser Satz von John Lennon steht auf der Gedenkseite an Lisa-Maria Kellermayr auf Facebook. Lisa-Maria Kellermayr hatte andere Pläne mit ihrem Leben als den selbst gewählten Tod. 

„Sonst hätte sie sich nicht kurz vorher einen Hund gekauft“, erinnert sich Claudia Hauschildt-Buschberger an die junge Ärztin, die in Seekirchen am Attersee ihre Ordination hatte und mit der sie zuletzt auch befreundet war.

Heuer, am 22. Oktober, hätte Kellermayr ihren 40. Geburtstag gefeiert. Sie wurde nur 36 Jahre alt. Eine lange andauernde Welle von Hass, gespickt mit Gewaltfantasien und Morddrohungen gegen sie und ihre Mitarbeiterinnen hat sie in die Enge getrieben.

In der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 2022 hat Lisa-Maria Kellermayr ihrem Leben ein Ende gesetzt. An einem Ort, an dem die junge, engagierte Ärztin dafür gesorgt hat, dass Menschen gesund leben können und nicht sterben müssen.

Kellermayr-Prozess: Drohung per Mail bringt Deutschen vor Gericht

Kerzen vor dem Landesgericht Wels

Einsamer Tod in der Ordi

In ihrer Ordination in Seewalchen in Oberösterreich. Auf ihrem Profil ist noch der wunderbare Blick aus dem Fenster ihrer Ordination auf den Attersee geblieben. Sie selbst hat ihre Ordination wie eine Festung gesichert. Sichern müssen. 

„Ich war an dem Tag zufällig vor Ort und habe die Polizeiautos gesehen“, erinnert sich Hauschildt-Buschberger zurück, „ich dachte, Gott sei Dank hat sie jetzt mit der Polizei eine Regelung gefunden und kann mit der Ordination weitermachen.“ Ein Irrglaube, wie sich rasch herausstellen sollte. „Das war ein absoluter Schock, es war nicht absehbar, dass sie diesen Schritt setzen würde.“

Tragischer Endpunkt einer ungebremsten Welle an Hass

Dieser Schritt als Schlusspunkt einer beispiellosen Hetze samt Morddrohungen im Internet von Covid-Maßnahmengegnern und Impfskeptikern gegen eine junge Frau, die sich gerade in der Corona-Zeit intensiv um ihre Patientinnen und Patienten gekümmert hat. 

Kellermayr-Prozess: Drohung per Mail bringt Deutschen vor Gericht

An vielen Orten wurde Lisa-Maria Kellermayr gedacht

Die sich öffentlich zum Thema Corona geäußert hat. Die vom damaligen Sprecher der Polizei als Selbstdarstellerin an den Pranger gestellt wurde, die sich von der Polizei allein gelassen fühlte. Die sich deshalb einen Wachdienst in die Ordination stellte und 100.000 Euro in Sicherheitsmaßnahmen investierte. Und schließlich ihre Ordination aus Angst vor Übergriffen schloss, weil sie im Internet permanent Drohungen ausgesetzt war.

Prozess-Start am Mittwoch

Am Mittwoch startet der Prozess gegen einen 61-jährigen Deutschen, der nach ersten Einstellungen von Verfahren – letztlich wegen des öffentlichen Drucks und privater Initiativen – doch noch als einer der Schreiber von Drohmails ausgeforscht wurde. Angeklagt ist das Verbrechen der gefährlichen Drohung.

Die Anklage

Die Staatsanwaltschaft Wels ist nach Durchsicht der Abschiedsbriefe Kellermayrs sowie aufgrund des forensisch-psychiatrischen Gutachtens überzeugt, „dass die dem Angeklagten zur Last gelegten übermittelten Nachrichten für den Suizid der Ärztin mitursächlich“ waren. 

Gedenkveranstaltung für Lisa-Maria Kellermayr

Gedenkveranstaltung für Lisa-Maria Kellermayr am Stephansplatz in Wien

Der Angeklagte habe laut Gutachten damit rechnen müssen, „dass seine Drohungen beim Tatopfer zu psychischen Instabilitäten, Verängstigung und als Folge zum Suizid“ führen können. Die Mails geschrieben zu haben, räumt der Deutsche ein. Dass diese für den Tod verantwortlich seien, bestreitet er.

In Seewalchen wird indes versucht, den Prozess und das ganze Thema auszuklammern. „Es wird nicht darüber geredet“, sagt auch Hauschildt-Buschberger. Die Bundesrätin der oö. Grünen hofft durch das Urteil auf „Klarheit, und dass im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden“. 

Für sie ist klar: Bei Übergriffen im Internet auf Frauen und generell sei noch viel Bewusstseinsbildung nötig: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, den Umgang mit diesen A-Sozialen Medien müssen wir noch lernen, dazu müssen die großen internationalen Internet-Medienkonzerne noch stärker in die Pflicht genommen werden.“