Kellermayr-Prozess: Drohung per Mail bringt Deutschen vor Gericht

Lisa-Maria Kellermayr
„Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu schmieden.“ Dieser Satz von John Lennon steht auf der Gedenkseite an Lisa-Maria Kellermayr auf Facebook. Lisa-Maria Kellermayr hatte andere Pläne mit ihrem Leben als den selbst gewählten Tod.
„Sonst hätte sie sich nicht kurz vorher einen Hund gekauft“, erinnert sich Claudia Hauschildt-Buschberger an die junge Ärztin, die in Seekirchen am Attersee ihre Ordination hatte und mit der sie zuletzt auch befreundet war.
Heuer, am 22. Oktober, hätte Kellermayr ihren 40. Geburtstag gefeiert. Sie wurde nur 36 Jahre alt. Eine lange andauernde Welle von Hass, gespickt mit Gewaltfantasien und Morddrohungen gegen sie und ihre Mitarbeiterinnen hat sie in die Enge getrieben.
In der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 2022 hat Lisa-Maria Kellermayr ihrem Leben ein Ende gesetzt. An einem Ort, an dem die junge, engagierte Ärztin dafür gesorgt hat, dass Menschen gesund leben können und nicht sterben müssen.

Kerzen vor dem Landesgericht Wels
Einsamer Tod in der Ordi
In ihrer Ordination in Seewalchen in Oberösterreich. Auf ihrem Profil ist noch der wunderbare Blick aus dem Fenster ihrer Ordination auf den Attersee geblieben. Sie selbst hat ihre Ordination wie eine Festung gesichert. Sichern müssen.
„Ich war an dem Tag zufällig vor Ort und habe die Polizeiautos gesehen“, erinnert sich Hauschildt-Buschberger zurück, „ich dachte, Gott sei Dank hat sie jetzt mit der Polizei eine Regelung gefunden und kann mit der Ordination weitermachen.“ Ein Irrglaube, wie sich rasch herausstellen sollte. „Das war ein absoluter Schock, es war nicht absehbar, dass sie diesen Schritt setzen würde.“
Tragischer Endpunkt einer ungebremsten Welle an Hass
Dieser Schritt als Schlusspunkt einer beispiellosen Hetze samt Morddrohungen im Internet von Covid-Maßnahmengegnern und Impfskeptikern gegen eine junge Frau, die sich gerade in der Corona-Zeit intensiv um ihre Patientinnen und Patienten gekümmert hat.

An vielen Orten wurde Lisa-Maria Kellermayr gedacht
Die sich öffentlich zum Thema Corona geäußert hat. Die vom damaligen Sprecher der Polizei als Selbstdarstellerin an den Pranger gestellt wurde, die sich von der Polizei allein gelassen fühlte. Die sich deshalb einen Wachdienst in die Ordination stellte und 100.000 Euro in Sicherheitsmaßnahmen investierte. Und schließlich ihre Ordination aus Angst vor Übergriffen schloss, weil sie im Internet permanent Drohungen ausgesetzt war.
Prozess-Start am Mittwoch
Am Mittwoch startet der Prozess gegen einen 61-jährigen Deutschen, der nach ersten Einstellungen von Verfahren – letztlich wegen des öffentlichen Drucks und privater Initiativen – doch noch als einer der Schreiber von Drohmails ausgeforscht wurde. Angeklagt ist das Verbrechen der gefährlichen Drohung.
Der Prozess startet am Mittwoch mit den Plädoyers der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers des Angeklagten. Danach wird der 61-jährige Deutsche einvernommen.
Er ist wegen des Verbrechens der gefährlichen Drohung angeklagt. Er hat Lisa-Maria Kellermayr gegenüber angekündigt, „sie vor ein noch einzurichtendes Volkstribunal zu stellen und sie auf die Anklagebank und dann sicher ins Gefängnis“ zu bringen. Jetzt landet er selbst auf der Anklagebank.
Für die Einvernahme des Mannes ist der Vormittag vorgesehen, ab 13 Uhr werden die ersten Zeugen befragt, ebenso am Donnerstag.
Weiter geht es am 8. April mit der Einvernahme von Zeugen, ab 13 Uhr werden die beiden Sachverständigen befragt. Es handelt sich um den psychiatrischen Gutachter und einen Gerichtsmediziner.
Unwahrscheinlich ist, dass es am 8. April zu einem Urteil kommt, weil noch die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung erfolgen. Derzeit ist davon auszugehen, dass die Beratungen der Schöffen erst am vierten Prozesstag starten – also am 9. April. Und spätestens da soll es dann das Urteil geben.
Die Anklage
Die Staatsanwaltschaft Wels ist nach Durchsicht der Abschiedsbriefe Kellermayrs sowie aufgrund des forensisch-psychiatrischen Gutachtens überzeugt, „dass die dem Angeklagten zur Last gelegten übermittelten Nachrichten für den Suizid der Ärztin mitursächlich“ waren.

Gedenkveranstaltung für Lisa-Maria Kellermayr am Stephansplatz in Wien
Der Angeklagte habe laut Gutachten damit rechnen müssen, „dass seine Drohungen beim Tatopfer zu psychischen Instabilitäten, Verängstigung und als Folge zum Suizid“ führen können. Die Mails geschrieben zu haben, räumt der Deutsche ein. Dass diese für den Tod verantwortlich seien, bestreitet er.
In Seewalchen wird indes versucht, den Prozess und das ganze Thema auszuklammern. „Es wird nicht darüber geredet“, sagt auch Hauschildt-Buschberger. Die Bundesrätin der oö. Grünen hofft durch das Urteil auf „Klarheit, und dass im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden“.
Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums.
Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich. In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, u.a. Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555, www.frauenhelpline.at; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at; der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie/Gewaltschutzzentrum Wien: www.interventionsstelle-wien.at und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722 und den Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217; Polizei-Notruf: 133).
Für sie ist klar: Bei Übergriffen im Internet auf Frauen und generell sei noch viel Bewusstseinsbildung nötig: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, den Umgang mit diesen A-Sozialen Medien müssen wir noch lernen, dazu müssen die großen internationalen Internet-Medienkonzerne noch stärker in die Pflicht genommen werden.“