Auf der „Cykeslangen“, der berühmtesten der 16 Fahrradbrücken der dänischen Hauptstadt Kopenhagen, ist immer viel Verkehr. Die Stadt gilt als Paradebeispiel für funktionierenden Radverkehr. Und „copenhagenize“ ist ein Begriff aus der Welt des Radfahrens. Es ist ein Index, wie gut eine Stadt, ein Land seine Infrastruktur für Radfahrer herstellt, also „kopenhagenisiert“.
Der Begriff hat sich eben durchgesetzt, weil die dänische Hauptstadt Kopenhagen als Gradmesser für gute Radinfrastruktur gilt. Oberösterreich hat in dieser Frage noch gewaltig Nachholbedarf. Da liegt der Radanteil bei nur 6,7 Prozent, in Linz bei 10,7. Und in Kopenhagen?
Da fahren fast 50 Prozent der Menschen mit dem Rad zur Arbeit, in die Schule oder auf die Uni oder nutzen es für andere Wege. Der Grund: Die Infrastruktur ist aufgrund eines Masterplans so ausgerichtet, dass Kopenhagen die radfahrfreundlichste Stadt der Welt werden soll.
Ideen für OÖ gesucht
Dass Dänemark „in allen Rankings vorne dabei“ ist, weiß auch der oö. Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Deshalb ist er mit einer hochrangig besetzten Delegation nach Kopenhagen gereist. In dem Fall nicht, um die Radwege zu begutachten, sondern um in Sachen Digitalisierung und Quantenforschung den Austausch – und vielleicht noch bessere Ideen auch für Oberösterreich zu suchen. Um das Land auch in diesen Bereichen „to copenhagenize“.
Erster Halt Digitalisierung. Die funktioniert in Dänemark „gezuckert“, nicht nur, weil der „Digital Hub Denmark“ in einer ehemaligen Zuckerfabrik angesiedelt ist. Yih-Jeou Wang, Diplomatischer Rat Dänemarks für Cyberpolitik und Digitalisierung bei der EU, erläutert, warum Dänemark und Kopenhagen in Sachen Digitalisierung ganz vorne liegen: „Wir haben 1995 die nationale digitale Strategie beschlossen.“ Und diese wurde seither konsequent verfolgt.
Was in Dänemark auffällt: Das Land mit den knapp sechs Millionen Einwohnern wird über nur noch vier Regionen und 96 Großgemeinden verwaltet
Oberösterreich allein hat 18 politische Bezirke und 438 Gemeinden, darunter so kleine wie das (nicht nach dem Landeshauptmann benannte) St. Thomas am Blasenstein mit weniger als 1.000 Einwohnern
„Dänemark ist zentralistischer aufgestellt“, vergleicht ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer und weiß, dass es „mehr Spielraum gibt, um auf Gemeindeebene zu sparen“. Deshalb sagt er „Ja“ zu Kooperationen, bleibt aber dabei: „Die Eigenständigkeit wollen wir den Gemeinden nicht nehmen.“ Aus Sorge vor einem „Verlust der Identität gibt es Zusammenlegungen nur auf ausdrücklichen Wunsch von Gemeinden“, bleibt Stelzer bei seiner Linie.
Scheidung online
In Dänemark hat jede Bürgerin, jeder Bürger, etwa alle Gesundheitsdaten immer digital zur Verfügung. Kommunale Digitalisierung wurde professionalisiert, fast alle Verfahren können digital abgewickelt werden.
Ausnahme ist die Hochzeit, zu der muss man auch in Kopenhagen persönlich erscheinen. Scheiden lassen geht schon wieder digital. Die digitale Kommunikation mit den Behörden ist gesetzlich die Regel, nur fünf Prozent der Bevölkerung greifen auf die eingeräumte Ausnahme zurück.
„In Dänemark herrscht großes Vertrauen in die öffentlichen Institutionen“, weiß Yih-Jeou Wang, die Institutionen arbeiten zusammen.“ Das habe auch zu der hohen Akzeptanz bei der Bevölkerung geführt.
Die gibt es weder in Österreich noch in Oberösterreich in der Dimension, weiß auch Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Deshalb kann er sich eine „gesetzliche Verankerung der Digitalisierung“ in Österreich nicht vorstellen, auch nicht mit Ausnahmen: „Unsere Lebenskultur, unsere Mentalität ist eine andere.“
Quantenforschung und Digitalisierung: Dänemark ist bei beiden Themen Vorreiter
Und er verweist auf die Frage des Datenschutzes. Dass OÖ in Sachen Digitalisierung nicht so weit ist wie Dänemark oder auch Estland, räumt Stelzer ein, betont aber: „Wir sind mit dem volldigitalisierten Verfahren etwa im Anlageverfahren und bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz schon gut unterwegs.“ Aber 100 Prozent Digitalisierung, das muss nicht sein, sagt Stelzer: „Ich stehe zum Recht auf ein analoges Leben.“
Worauf er große Hoffnungen setzt, ist die neue Digitaluni in Linz, auch wenn der Start holprig erfolgt ist: "Das internationale Interesse ist enorm. Die Digital-Universität ist so wichtig, weil sie in alle Bereiche greift."
Thomas Stelzer und Lars Gaardhoj, Vorsitzender des Regionalrates der Hauptstadtregion Dänemark, lassen sich das Projekt am Bispjeberg Hospital erklären.
Effiziente Pflege
Thema Gesundheit: Die Region Kopenhagen hat wegen des Personaldrucks im Gesundheitsbereich aktuell eine Kooperation mit der Firma Dräger laufen: Für 18 Monate ist das Unternehmen in einem Krankenhaus tätig, um gemeinsam mit dem Pflegepersonal ein medizinisches Überwachungssystem zu entwickeln, das den Pflegekräften die Betreuung – in dem Fall von 16 Personen über 65 auf einer geriatrischen Station in Einzelzimmern – erleichtern soll.
100 Euro ist die Region bereit, pro Bett und Tag zu bezahlen. Wenn eine effiziente Lösung gefunden wird. Ein Prototyp ist bereits im Einsatz, die Rückmeldungen aus dem Pflegebereich seien vielversprechend, heißt es.
Stelzer verweist für Oberösterreich auf funktionierende Modelle mit privaten Partnern, etwa bei den Universitäten. Ein Modell wie jenes in dem Spital in Kopenhagen gäbe aber das Ausschreibungsverfahren in Österreich nicht her.
Mit Markus Puchner ist ein Oberösterreicher seit Jahren in Dänemark als Arzt tätig, aktuell im Hvidovre Hospital. Er weiß, dass die Digitalisierung und einheitliche Standards in Dänemark zu einer hohen Patienten- und Angestelltenzufriedenheit führen.
Und dass die Gesundheitsdaten aller Dänen unter ihrer ID-Nummer gespeichert werden, die seit Jahrzehnten mit der Geburt vergeben wird, ist – im Gegensatz zu Österreich – dort eine Selbstverständlichkeit. Und ebenso auf das große Vertrauen der Dänen in die staatlichen Institutionen zurückzuführen.
In Sachen Quantenforschung hat Oberösterreich mit Anton Zeilinger zwar einen Nobelpreisträger, im Niels-Bohr-Institut mit 430 Forscherinnen und Forschern, dem Deep Tech Quantum Lab und den Einrichtungen der DTU – der Technischen Universität Dänemarks – ist man schon mehr als nur einen Quantensprung weiter als Oberösterreich und Österreich, das hat die oö. Delegation staunend und neidlos anerkannt.
JKU-Rektor Stefan Koch, Joachim Mathiesen, Leiter des Niels Bohr Instituts in Kopenhagen
„Wichtig ist es für uns, bei dieser Technologie dabei zu sein“, bekräftig Stelzer nach Gesprächen mit Forscherinnen und Forschern dieser Institutionen.
Nicht zuletzt deshalb hat er sich nach den Terminen rund um diese hochkomplexe Thematik darauf festgelegt, die Quantenforschung in der „Upper Vision 2030“ zu einem großen Schwerpunkt machen.
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