"Keine steigende Kriminalität" durch Flüchtlinge
"Wir sehen durch die Flüchtlingswelle und Migration keine steigende Kriminalität in Europa", sagt Robert Crepinko, Leiter des Anti-Schleuser-Zentrums bei Europol und ehemaliger Chef der Einheit gegen Organisierte Kriminalität. Der Slowene nimmt sich kein Blatt vor den Mund und sorgte erst im Frühjahr für Aufsehen, als er gegenüber der deutschen Zeit erklärte, dass die Balkanroute gar nicht geschlossen sei. Beides wird angesichts der aktuellen politischen Lage in Österreich nicht überall auf Gegenliebe stoßen, ist aber das Ergebnis der Analysen der europäischen Experten.
Rund 21.000 Menschen wurden heuer bereits über die östliche Mittelmeerroute (Balkan) nach Europa eingeschleust. Das entspricht Städten in der Größe von Hallein, Mödling oder Kufstein – und immerhin einem Fünftel der Zahl jener Menschen, die über die zentrale Mittelmeerroute kamen.
Nur die Preise für eine Schleppung über den Balkan sind dadurch gestiegen. Schlepperei sei ein "Multi-Milliardengeschäft", bei dem viele profitieren. "Mehr als 100 Nationalitäten sind hier involviert", sagt Crepinko zum KURIER. Allein zwischen Juli 2016 und Juni 2017 wurden Verdächtige aus 132 Ländern ausgemacht. Kaum eine Nation ist nicht vertreten, mehr als die Hälfte der Verdächtigen sind allerdings Europäer.
"Anpassung"
Die hierzulande geforderte Schließung der Mittelmeer-Route hält Crepinko für schwierig: "Die Polizei kann das jedenfalls nicht alleine machen. Wenn man ein Loch schließt, passen sich die Schlepper an." Derzeit "ist Libyen dominant", aber "die Motivation für Menschenschmuggel ist Geld".
Derzeit weniger gebuchte Routen würden dadurch an Bedeutung gewinnen. Momentan etwa sind Tunesien (plus 120 Prozent) und Algerien (plus 60 Prozent) im Kommen. Auch das Schwarze Meer entwickelt sich zu einer Alternative, dort kommt man von der Türkei direkt nach Rumänien und umgeht so Griechenland und Bulgarien. Außerdem zunehmend mehr Menschen werden über die Nordischen Meere nach Finnland, Schweden oder Norwegen geschmuggelt. Oder kaum bekannt in Mitteleuropa: Albaner werden aktuell mit Leichtflugzeugen bis nach Großbritannien gebracht.
"Migration ist ein komplexes Phänomen", sagt Crepinko. Er sieht aber besonders in Nordafrika, dass "die Tür für Kooperationen offener ist als bisher". Denn auch Europa war gegenüber diesen Staaten misstrauisch. "Es gibt einen starken Datenschutz, ein Austausch von Daten mit Nordafrika war bisher kaum möglich."
Für die Zukunft wünscht sich Europol auch einen besseren Austausch mit den europäischen militärischen Geheimdiensten. Ziel ist, die organisierten Gruppen im Hintergrund auszuforschen. Untersuchungen von Europol haben zuletzt – wie berichtet – ergeben, dass das meiste Geld nach Spanien und in die Türkei fließt. Bei letzterer ist unklar, ob und wie die Gewinne von dort weitergelangen. Insgesamt sieht Crepinko lokale genauso wie im Hintergrund operierende Gruppen als gleichermaßen aktiv im Schmuggel.
Wiener Zentrale
Viele Einsätze werden dabei aus Wien koordiniert, aus einem unscheinbaren Haus in der Leopoldstadt. Das von Europol mit 300.000 Euro geförderte Büro ist zur Vernetzung gedacht, vor allem Wiens Kontakte auf den Balkan werden dabei gerne genutzt.
Zuletzt war auch erstmals eine hochrangige chinesische Delegation in Europa. Fast zwei Wochen wurde dabei gemeinsam ermittelt und Informationen ausgetauscht. Seither hat Europol auch nach China Kontakte.
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