Kaum Klagen im HCB-Krimi

Monate- oder jahrelang hat die Zementfabrik die Umwelt mit HCB belastet.
Tausende potenzielle Opfer, aber nur 25 Entschädigungsbegehren. Die Frist endet bald.

In zweieinhalb Wochen verstreicht die Verjährungsfrist im Hexachlorbenzol-Umweltskandal. Denn nach dem 26. November 2017 können Geschädigte aus dem Görtschitztal keinerlei zivilrechtlichen Ansprüche mehr geltend machen. Bereits jetzt ist klar, dass die Zahl jener Bürger, die die möglichen Verantwortlichen – die Republik Österreich als Haftungsträger des Landes Kärnten, das Zementwerk "w&p" oder die Donau Chemie – zur Rechenschaft ziehen wollen, überschaubar sein wird. Der Hauptgrund: Versicherungen haben die Rechtsschutzdeckung abgelehnt.

Auch wenn das HCB die Umwelt im Tal wahrscheinlich monate- oder jahrelang beeinträchtigt hat, gilt als Stichtag für die Einbringung von Zivilklagen der 26. November 2017. Drei Jahre zuvor wurde die Causa publik, Agrarlandesrat Christian Benger ( ÖVP) hatte damals im Rahmen einer Pressekonferenz bekannt gegeben, dass das krebserregende Umweltgift in Milch und Futter gefunden worden sei.

Gesundheitliche Folgen

Die potenziellen Opfer müssen jetzt rasch ihre Schadenersatzforderungen einbringen oder sich mit einem konkreten Betrag dem Strafverfahren anschließen. Sofern es um gesundheitliche Auswirkungen geht, die derzeit weder einschätzbar noch bezifferbar sind, würde eine Feststellungsklage die Verjährung unterbrechen. Bei Dutzenden Menschen wurden bekanntlich überdurchschnittlich hohe HCB-Werte im Blut festgestellt. Weiters beklagen die Betroffenen Schäden in der Land- und Forstwirtschaft sowie Wertverluste bei den Immobilien.

Mit dem Wiener Wolfgang List und dem Klagenfurter Michael Sommer haben in den vergangenen Jahren zwei Anwälte aktiv im Görtschitztal ihre Dienste angeboten und um Klienten geworben. Immerhin leben in der Region rund 7300 mögliche Kunden, alleine am Standort von "w&p" in Klein St. Paul sind es 1850 Bürger.

Die Zahl der tatsächlichen Auftraggeber ist jedoch vergleichsweise gering: List spricht von 100 Mandanten, Sommer von 30. Zivilklagen eingebracht hat bisher nur List. "Rund 25 sind es, es geht – obwohl wir die Latte niedrig angesetzt haben – um Beträge in Millionenhöhe. Vier Klagen sind noch in Vorbereitung", sagt er.

"Andrang vorbei"

List betont jedoch, dass "der große Andrang scheinbar vorbei ist. Bis zum Sommer zeigten viele Bürger Interesse an einer Klage. Jetzt ist die Sache absolut abgeflaut", erklärt List.

Sommer hat erst kürzlich seine Mandanten angeschrieben und sie auf die Frist aufmerksam gemacht. "Ich warte jetzt auf den Rücklauf, aber mein Eindruck ist, dass bei vielen die Luft draußen ist. Wer vergleichsweise kleine Schäden hat, wird sich wohl nicht mehr melden. Die Bürger denken nach drei Jahren offenbar: ’Es ist eben, wie es ist’ und lassen die Sache sein", vermutet Sommer.

Die Juristen sehen den Hauptgrund an der mangelnden Klagslust im Ausstieg der Rechtsschutzversicherungen. "Bei meinen Mandanten haben sich alle fünf kontaktierten Rechtsschutzversicherungen geweigert, einen Anwalt zu stellen", berichtet List.

Versicherungsklauseln

Die Unternehmen würden auf die Katastrophen- und die sogenannte Allmählichkeitsklauseln in den Vertragsbedingungen verweisen. Letztere bedeutet, dass die Schäden über einen längeren Zeitraum hindurch entstanden sind. Solche sind vom Rechtsschutz ausgeschlossen.

Sommer: "Natürlich bestünde die Möglichkeit, die Rechtsschutzdeckung einzuklagen. Aber solche Prozesse sind langwierig und erst wieder teuer – daher rate ich meinen Mandanten davon ab."

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