Krisenmanagement wird zentralisiert

Für österreichweite Koordination gibt es im Innenministerium den "Stabsraum".
Der Innenminister will System reformieren. Am System der Freiwilligen wird nicht gerüttelt.

Die Landeshauptleute sind in Österreich für Katastrophen aller Art verantwortlich. Nein, nicht zwingend dafür, sie anzurichten. Viel mehr geht es um die Zuständigkeit, wenn etwas passiert. Das Katastrophenmanagement ist Ländersache.

Dieser Umstand treibt seltsame Blüten. So gibt es in Österreich acht unterschiedliche Definitionen, was überhaupt eine Katastrophe ist. Kärnten, lächeln Insider des Innenministeriums, habe diese Definition gar nicht. Generell gar nicht festgelegt ist, wann eine Katastrophe als beendet angesehen werden kann. Was banal klingt, kann gravierende Auswirkungen haben, etwa in versicherungstechnischer Hinsicht.

Die Hilfskräfte kämpfen auch mit dem Problem, dass sie mit eingeschaltetem Blaulicht keine Bundesländergrenzen überqueren dürfen. Auch für unterschiedliche Lkw-Gewichtsbeschränkungen gibt es noch keine Lösung. Das wird dann zum Problem, wenn nach einem Hochwasser Schlamm abtransportiert werden muss. Auch die Ruhezeiten für Lkw-Lenker sind dann Thema.

Krisenmanagement wird zentralisiert
Johann Bezdeka, Innenministerium
"Katastrophen halten nicht an Landesgrenzen", sagt Johann Bezdeka, Leiter des staatlichen Krisenmanagements im Innenministerium. Die Bedrohungslage habe sich verändert und Wetterereignisse treten plötzlicher und heftiger auf. "Wir müssen überdenken, ob das, was wir tun, noch zeitgemäß ist."

Innenminister Wolfgang Sobotka hat die Landeschefs darüber informiert. Er hat eine Debatte über neue Strukturen angeregt. Mitte September soll der Prozess unter Einbindung aller Behörden und Einsatzorganisationen starten. Ziel ist die vollkommene Neuordnung des Sicherheits- und Katastrophenmanagements in Österreich, bundesweite Koordination inklusive. An den 300.000 Freiwilligen Helfern soll festgehalten werden. "Was wir im Katastrophenmanagement mit unseren Freiwilligen leisten, das ist herzeigbar und EU-weit einzigartig", sagt Bezdeka.

Einsatzraum

Für österreichweite Koordination gibt es im Innenministerium den sogenannten Stabsraum. Wer dabei an den "Situation Room" des US-Präsidenten in den Katakomben des Weißen Hauses (siehe Bild) denkt, wird beim Betreten des Raums im zweiten Stock des Ministeriums enttäuscht.

Krisenmanagement wird zentralisiert
U.S. President Barack Obama (2nd L) and Vice President Joe Biden (L), along with members of the national security team, receive an update on the mission against Osama bin Laden in the Situation Room of the White House, in this May 1, 2011 file picture. Also pictured are Secretary of State Hillary Clinton (2nd R) and Defense Secretary Robert Gates (R). Please note: A classified document seen in this photograph has been obscured at source. The U.S. Navy Seal who shot and killed Osama Bin Laden in 2011 has been revealed as Robert O'Neill, according to media reports on November 3, 2014. REUTERS/White House/Pete Souza/Handout via Reuters/Files (UNITED STATES - Tags: POLITICS CIVIL UNREST MILITARY) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS
Das berühmte Bild des bangenden Barack Obama, als er live die "Operation Neptune Spear" verfolgte (Tötung von Osama bin Laden durch Elitesoldaten des SEAL Team Six in Pakistan, Anm.) – es will so gar nicht in diesen Saal im ersten Bezirk passen.

Schwarze Stoffsessel, Telefone, Beamer, Leinwand, Bürovorhänge – alles hier versprüht spröden Amtscharme. Doch täuschen sollte man sich davon nicht lassen.

"Wir sind in der Lage, ein umfassendes Krisen- und Lagezentrum innerhalb kürzester Zeit hochzufahren", beschreibt Bezdeka. Jeden Tag des Jahres gibt es hier eine 24-Stunden-Bereitschaft. Im Normalbetrieb arbeiten rund 90 Leute für das Einsatzzentrum. Zumindest vier Mitarbeiter sind rund um die Uhr hier. Ihr Auftrag: Bei Bedarf das Zentrum einsatzbereit machen. Von hier aus wird Österreichs Schicksal im Krisenfall bestimmt.

IT-Ausstattung ist da, Videokonferenzen mit den neun Landespolizeikommanden sind möglich. "Aber wir wollen uns technisch weiterentwickeln", sagt Bezdeka. Alle Ministerien können die Infrastruktur nutzen. Beim Störfall im japanischen AKW Fukushima oder am Höhepunkt der Ebola-Epidemie war hier Vollbetrieb. Während der Fußball-EM gab es im Stabsraum tägliche Briefings. "Zumindest so lange Österreich mitgespielt hat", schmunzelt Johann Bezdeka.

"In vielen Fällen ist der Helikopter das einzige Einsatzmittel, das noch helfen kann." Werner Senn weiß, wovon er spricht. Der gebürtige Tiroler ist Chef der 16 Einsatzmaschinen umfassenden Flugpolizei-Flotte. Er flog nach dem Lawinenunglück in Galtür und in Hochwassereinsätzen: "2005 haben wir in Tirol mehr als 100 Leute von ihren Hausdächern gerettet, bevor das Bundesheer gekommen ist."

Krisenmanagement wird zentralisiert
Werner Senn, Leiter Flugpolizei
Die Hälfte der 16 Maschinen wurde vor rund acht Jahren gegen neue Eurocopter-Modelle ausgetauscht. Vier davon verfügen über Wärmebild-Ausrüstung und fungieren im Notfall als Augen der Helfer. Anhand von Polizei-Wärmebildern konnten Experten der Uni für Bodenkultur während des March-Hochwassers die Durchweichung der Dämme ablesen.

Innerhalb einer Stunde kann ein Polizeihubschrauber in einen vollwertigen Notarzthubschrauber umgerüstet werden. "In Situationen, wo der Rettungshubschrauber nicht mehr reinfliegt – etwa bei Terrorszenarien, können wir damit Verletzte bergen." In maximal fünf Minuten sind die Flugpolizisten in der Luft. Einsatzradius je nach Wetter und Beladung: rund 1,5 Flugstunden.

"Natürlich sind heute keine Atomraketen mehr auf Österreich gerichtet, zumindest wüssten wir nichts davon", feixt der Präsident des Österreichischen Zivilschutzverbands Johann Rädler. Trotzdem steigen die Anforderungen an den Zivilschutz. "Wir sind praktisch von Atommeilern umzingelt." Dazu würden Gefahren durch Cyber-Attacken, Naturkatastrophen und Terror steigen.

Krisenmanagement wird zentralisiert
Nationalratsabgeordneter Johann Rädler
Kernaufgabe des Zivilschutzes bleibe die Vorbereitung der Bürger auf den Katastrophenfall. "Dank der Initiative des Bundesministers sind wir gerade dabei, unsere Kapazitäten hochzufahren. Bürgerinformation reduziert Risikofaktoren." sagt Rädler.

Der Zivilschutzverband arbeitet an der "Sirene für die Hosentasche": eine Smartphone-App, die alle relevanten Informationen sowohl für den Ernstfall, als auch für die Vorbereitung beinhaltet. Rädler: "Die Behörden können etwa bei einem Black Out nicht vier Millionen Haushalte mit Notstromaggregaten oder Gaskochern versorgen – da ist Eigenverantwortung gefragt." Eine Woche sollte jeder ohne Strom oder Einkaufen auskommen.

Kommentare