Krisenmanagement wird zentralisiert
Die Landeshauptleute sind in Österreich für Katastrophen aller Art verantwortlich. Nein, nicht zwingend dafür, sie anzurichten. Viel mehr geht es um die Zuständigkeit, wenn etwas passiert. Das Katastrophenmanagement ist Ländersache.
Dieser Umstand treibt seltsame Blüten. So gibt es in Österreich acht unterschiedliche Definitionen, was überhaupt eine Katastrophe ist. Kärnten, lächeln Insider des Innenministeriums, habe diese Definition gar nicht. Generell gar nicht festgelegt ist, wann eine Katastrophe als beendet angesehen werden kann. Was banal klingt, kann gravierende Auswirkungen haben, etwa in versicherungstechnischer Hinsicht.
Die Hilfskräfte kämpfen auch mit dem Problem, dass sie mit eingeschaltetem Blaulicht keine Bundesländergrenzen überqueren dürfen. Auch für unterschiedliche Lkw-Gewichtsbeschränkungen gibt es noch keine Lösung. Das wird dann zum Problem, wenn nach einem Hochwasser Schlamm abtransportiert werden muss. Auch die Ruhezeiten für Lkw-Lenker sind dann Thema.
Innenminister Wolfgang Sobotka hat die Landeschefs darüber informiert. Er hat eine Debatte über neue Strukturen angeregt. Mitte September soll der Prozess unter Einbindung aller Behörden und Einsatzorganisationen starten. Ziel ist die vollkommene Neuordnung des Sicherheits- und Katastrophenmanagements in Österreich, bundesweite Koordination inklusive. An den 300.000 Freiwilligen Helfern soll festgehalten werden. "Was wir im Katastrophenmanagement mit unseren Freiwilligen leisten, das ist herzeigbar und EU-weit einzigartig", sagt Bezdeka.
Einsatzraum
Für österreichweite Koordination gibt es im Innenministerium den sogenannten Stabsraum. Wer dabei an den "Situation Room" des US-Präsidenten in den Katakomben des Weißen Hauses (siehe Bild) denkt, wird beim Betreten des Raums im zweiten Stock des Ministeriums enttäuscht.
Schwarze Stoffsessel, Telefone, Beamer, Leinwand, Bürovorhänge – alles hier versprüht spröden Amtscharme. Doch täuschen sollte man sich davon nicht lassen.
"Wir sind in der Lage, ein umfassendes Krisen- und Lagezentrum innerhalb kürzester Zeit hochzufahren", beschreibt Bezdeka. Jeden Tag des Jahres gibt es hier eine 24-Stunden-Bereitschaft. Im Normalbetrieb arbeiten rund 90 Leute für das Einsatzzentrum. Zumindest vier Mitarbeiter sind rund um die Uhr hier. Ihr Auftrag: Bei Bedarf das Zentrum einsatzbereit machen. Von hier aus wird Österreichs Schicksal im Krisenfall bestimmt.
IT-Ausstattung ist da, Videokonferenzen mit den neun Landespolizeikommanden sind möglich. "Aber wir wollen uns technisch weiterentwickeln", sagt Bezdeka. Alle Ministerien können die Infrastruktur nutzen. Beim Störfall im japanischen AKW Fukushima oder am Höhepunkt der Ebola-Epidemie war hier Vollbetrieb. Während der Fußball-EM gab es im Stabsraum tägliche Briefings. "Zumindest so lange Österreich mitgespielt hat", schmunzelt Johann Bezdeka.
"In vielen Fällen ist der Helikopter das einzige Einsatzmittel, das noch helfen kann." Werner Senn weiß, wovon er spricht. Der gebürtige Tiroler ist Chef der 16 Einsatzmaschinen umfassenden Flugpolizei-Flotte. Er flog nach dem Lawinenunglück in Galtür und in Hochwassereinsätzen: "2005 haben wir in Tirol mehr als 100 Leute von ihren Hausdächern gerettet, bevor das Bundesheer gekommen ist."
Innerhalb einer Stunde kann ein Polizeihubschrauber in einen vollwertigen Notarzthubschrauber umgerüstet werden. "In Situationen, wo der Rettungshubschrauber nicht mehr reinfliegt – etwa bei Terrorszenarien, können wir damit Verletzte bergen." In maximal fünf Minuten sind die Flugpolizisten in der Luft. Einsatzradius je nach Wetter und Beladung: rund 1,5 Flugstunden.
"Natürlich sind heute keine Atomraketen mehr auf Österreich gerichtet, zumindest wüssten wir nichts davon", feixt der Präsident des Österreichischen Zivilschutzverbands Johann Rädler. Trotzdem steigen die Anforderungen an den Zivilschutz. "Wir sind praktisch von Atommeilern umzingelt." Dazu würden Gefahren durch Cyber-Attacken, Naturkatastrophen und Terror steigen.
Der Zivilschutzverband arbeitet an der "Sirene für die Hosentasche": eine Smartphone-App, die alle relevanten Informationen sowohl für den Ernstfall, als auch für die Vorbereitung beinhaltet. Rädler: "Die Behörden können etwa bei einem Black Out nicht vier Millionen Haushalte mit Notstromaggregaten oder Gaskochern versorgen – da ist Eigenverantwortung gefragt." Eine Woche sollte jeder ohne Strom oder Einkaufen auskommen.
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