Kärntner Jäger erlöste angefahrenes Reh: Anzeige wegen Tierquälerei
Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache: alle sieben Minuten kommt es in Österreich zu einem Wildunfall. Einer dieser Unfälle lässt nun innerhalb der Kärntner Jägerschaft die Wogen hochgehen.
Vor gut zwei Wochen entdeckte ein Paar bei der Rückreise aus dem Urlaub auf der Packer Bundesstraße im Bereich Dolina in der Gemeinde Grafenstein ein angefahrenes Reh am Straßenrand. Die Steirer verständigten die Polizei, die - wie in solchen Fällen üblich - mit einem Jäger anrückte. Dieser erlöste das schwer verletzte Tier mit einem fachmännischen Stich in den Hals - im Jägerlatein „knicken“ genannt. Doch den Steirern erschien dieses Vorgehen dermaßen brutal, dass sie Anzeige wegen Tierquälerei bei der nächsten Polizeiinspektion gegen den Jäger erstatteten.
Jägerschaft verunsichert
Über den Fall wird nun die Staatsanwaltschaft entscheiden. Was bleibt, sei eine enorme Verunsicherung innerhalb der Jägerschaft, wie Mario Deutschmann, Verwaltungsdirektor der Kärntner Jägerschaft im KURIER-Gespräch betont. „Ich habe unzählige Anrufe von Kollegen erhalten, die mich gefragt haben, ob sie ein Wild überhaupt noch erlösen dürfen und ob wir als Jägerschaft hoffentlich über eine Rechtschutzversicherung verfügen. Wo kommen wir denn da hin?"
Fest steht, dass es sogar zu den Pflichten eines Jagdschutzorganes gehört, ein Wildtier von unnötigem Leid zu erlösen. „Das wird auch in der Jungjägerausbildung gelehrt. Ich stehe voll hinter jenem Jäger, der das Reh erlöst hat“, sagt Deutschmann. Ein Gnadenschuss sei aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens nicht denkbar gewesen.
Mehr als 72.000 Wildunfälle
Der Umgang mit verletzten Wildtieren, ist gerade im Herbst, der Zeit der meisten Wildunfällen kommt, ein großes Thema. Alleine in der Saison 2002/21 waren es insgesamt 72.082 Wildunfälle in Österreich. 325 Personen wurden dabei verletzt, eine tödlich. Spricht man mit Jägern und Polizei, so sei gerade in jüngster Zeit eines auffallend: die oftmals völlig falsche Reaktion, die Autofahrer nach der Kollision mit einem Wildtier an den Tag legen.
Fuchs sollte in Kofferraum verladen werden
Jäger aus Klagenfurt berichten im KURIER-Gespräch etwa von einem Fall, in dem ein Lenker einen Fuchs mit einer Decke in seinen Kofferraum laden wollte, um ihn zum Tierarzt zu bringen. Nur mit Glück wurde der Mann nicht von dem Tier gebissen.
Oder von einer Frau, die sich vor eine völlig abgemagerte Rehgeiß werfen wollte, um sie so vor dem Gnadenschuss eines Jägers zu retten. „Die Leute verwechseln zusehends Wild- mit Haustieren“, sagt Deutschmann.
Wie richtig verhalten bei Wildunfall?
Doch wie verhält man sich richtig bei einem Wildunfall? Laut Autofahrerclub ÖAMTC gilt bei jedem Wildunfall eine Meldepflicht. Einfach weiterfahren ist also untersagt.
Laut Polizei handelt es sich streng genommen um einen Verkehrsunfall mit Sachschaden. „Jedenfalls sollte man stehen bleiben, die Warnblinkanlage einschalten, die Unfallstelle absichern und die Polizei verständigen“, erklärt Polizeisprecherin Waltraud Dullnigg. Die Exekutive würde dann in weiterer Folge die Jägerschaft mit einbeziehen. „Ganz, ganz wichtig ist es, das Tier nicht anzugreifen oder zu streicheln. Jedes Wildtier hat einen natürlichen Fluchtinstinkt und ist nach einem Unfall ohnedies schon in einem Ausnahmenzustand und in Panik“, erklärt Dullnigg. Für die Kaskoversicherung wird übrigens unbedingt eine polizeiliche Meldebestätigung des Unfalls benötigt.
Tiermitnahme gilt als Diebstahl
Das Tier, wenn auch vielleicht in bester Absicht mitnehmen zu wollen, um es etwa zu einem Tierarzt zu bringen, gilt vor dem Gesetz übrigens als Diebstahl. „Ein Tier gehört unter Anführungszeichen der Jägerschaft, die für das Revier zuständig ist, das kann man nicht einfach nach belieben einpacken“, erklärt die Polizeisprecherin.
Handelt es sich bei dem Tier auf der Straße aber um kein Wildtier, sondern um ein Haustier, wie zum Beispiel ein entlaufenes Pferd oder um Rinder, ist der Besitzer des Tieres für den Schaden verantwortlich, der durch das Haustier entstanden ist. Außer er kann beweisen, dass das Haustier ordentlich 'verwahrt' gewesen ist, heißt es vonseiten des Autofahrerclubs ÖAMTC.
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