Wer die anderen beiden Beschuldigten sind? Die 38-jährige Litauerin aus der Boutique ohne Preisschilder in der Auslage und ein Mitarbeiter des Landeskriminalamts Kärnten, bei dem es im Oktober an zwei Adressen zu Hausdurchsuchungen kam, bei denen auch elektronische Datenträger sichergestellt wurden, wie die WKStA bestätigt.
43-Jähriger "Polizeichef" als Zeuge
Jener 43-Jährige, in dessen Wohnung die Litauerin bis zum 14. Februar diesen Jahres gemeldet war und den sie in einer Bar in Neapel als „capo della polizia di Klagenfurt“, also als „Polizeichef“ titulierte, was fälschlicherweise die Ermittler zu Kohlweiß führte, gilt hingegen als Zeuge.
Der 14. Februar 2023, Valentinstag: Ein Datum, das in dem Fall offenbar eine zentrale Rolle spielen könnte.
Es ist jener Tag, an dem der 43-jährige „Polizeichef“ die Litauerin an seiner Wohnadresse in Klagenfurt abmeldet. Nichts Ungewöhnliches, würde nicht am 8. Februar aus Italien die erste europäische Ermittlungsanordnung wegen illegaler Online-Wetten, mafiöser Strukturen und Geldwäsche in Kärnten eintreffen. Und würde diese nicht auf dem Schreibtisch des als Beschuldigten geführten Mitarbeiters des Landeskriminalamts (LKA) Kärnten landen.
Hausdurchsuchung mit Cobra
Am 9. Februar erfolgt jedenfalls die erste Hausdurchsuchung wegen der Spur aus Italien in Kärnten. Bei einer mittlerweile insolventen Sportwettenfirma, in der die Litauerin die Fäden für den Mafia-Clan der Polverinos aus Neapel ziehen soll.
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Dass die Amtshandlung nicht auf die leichte Schulter genommen wird, belegt alleine der Umstand, dass die Anti-Terroreinheit Cobra hinzugezogen wird. Die Beamten marschieren ein, finden aber nichts. Gesucht sollen sie nach Unterlagen und 500.000 Euro haben. Es soll der Zeitpunkt sein, als zum ersten Mal der Verdacht im Raum steht, dass es ein Leck bei der Polizei geben könnte.
Auseinandersetzung zwischen LKA und italienischen Ermittlern
Und es soll auch der Zeitpunkt sein, an dem es zwischen dem LKA Kärnten und den italienischen Behörden eine heftige Auseinandersetzung inklusive Schreiduellen in Klagenfurt geben soll. So berichten es mehrere Quellen dem KURIER. Der Anlass: eine zweite geplante Hausdurchsuchung in Kärnten, die sich wegen eines Formalfehlers offenbar verzögert.
Am 13. Februar schließlich, einen Tag vor dem Valentinstag und der Abmeldung der Litauerin an der Wohnadresse des 43-jährigen „Polizeichefs“ wird die 38-Jährige ins Landeskriminalamt Kärnten geladen.
Beschuldigter vernimmt Beschuldigte
Ihr Gegenüber sitzt: Der nun beschuldigte LKA-Beamte. Er vernimmt die Litauerin, die zu diesem Zeitpunkt offenbar noch als Zeugin geführt wird. Gestellt wird dabei auch die Frage nach der Wohnadresse: Die Frau nennt die gemeinsame Adresse an der sie mit dem 43-jährigen „Polizeichef“ gemeldet ist.
Was dann passiert, stellt sich laut Akten so dar: Der Mitarbeiter des Landeskriminalamts antwortet: „Da wohnen Sie nicht.“ Nicht einmal betont er diesen Satz, sondern mehrmals. Die Frau wird später angeben, dass sie sich dadurch massiv unter Druck gefühlt gesetzt habe.
Information über Hausdurchsuchung an Polizist
Sie wird auch angeben, dass sie nach der Hausdurchsuchung in der Sportwettenfirma vom 9. Februar ihren „Polizeichef“, mit dem sie 7 Jahre keinen Kontakt gehabt haben will, angerufen und über den Polizeieinsatz informiert haben will, „damit er keine Probleme bekommt“.
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Hat auch der Beamte des Landeskriminalamts seinen Kollegen über die Vorgänge rund um die 38-Jährige informiert? Unklar. Die Männer kennen sich jedenfalls von einer gemeinsamen Ausbildung. Die WKStA ermittelt jedenfalls wegen des „Verdacht, dass eine Beschuldigte von Polizeibeamten über anstehende Ermittlungsmaßnahmen vorab informiert und dafür Geld bzw. Wertgegenstände übergeben worden sein sollen.“
Konkret ist die Rede von 50.000 Euro als „Gegenleistungen“.
50.000 Euro in bar bei "Polizeichef" gefunden und sichergestellt
Exakt jene Summe, die aber nicht bei dem Mitarbeiter des Landeskriminalamts gefunden worden sein soll, sondern, wie KURIER-Recherchen belegen, bei dem 43-jährigen „Polizeichef“. Ausdrücklich sei hier nochmals erwähnt: Er gilt als Zeuge, nicht als Beschuldigter in dem Fall.
Dies bestätigt auch sein Anwalt, Werner Tomanek. „Meinem Mandanten wurde Geld abgenommen das ihm gehört. Was ist verwerflich, wenn man Bargeld besitzt? Ich vertraue unserem Finanzsystem auch nicht sonderlich und finde größere Bargeldbeträge empfehlenswert, vor allem, wenn man an die Möglichkeit eines Blackouts denkt“, sagt Tomanek im KURIER-Gespräch.
Bargeld in Hemdtasche verwahrt
Dass der 43-jährige Polizist dabei mehr als 20.000 Euro in einer Tasche seines Hemdes, das in einem Spind seiner Dienststelle hing, "verwahrt" haben soll, dazu äußert sich Tomanek nicht. Auch nicht zu jenen rund 20.000 Euro, die sich offenbar im Tresor in der Wohnung des Mannes, in der bis 14. Februar gemeinsam mit der Litauerin gemeldet war, befanden.
„Mit meinem Mandanten hat keiner geredet, er wird als Zeuge geführt. Da gibt es kein Substrat“, sagt Tomanek, der es viel berichtenswerter findet, dass sich die Namen aller italienischer Ermittler im Akt finden sollen. Auch jener eines Scharfschützen. „Das ist in einem Mafia-Fall vielleicht nicht so klug.“
Vom Dienst suspendiert ist übrigens keiner der beschuldigten Polizisten.
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