Straße in Graz umbenannt: Kämpferin gegen NS-Regime statt Antisemit
Die Lueger-Straße verschwindet aus dem Grazer Stadtbild
"Ich bin dankbar, dass mit Maria Matzner eine so beeindruckende und mutige Frau auf diese Weise gewürdigt wird", beschreibt Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) jene Steirerin, nach der kommendes Jahr eine Straße benannt wird.
Derzeit trägt sie noch den Namen des antisemitischen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger, künftig wird sie Maria-Matzner-Straße heißen.
Es ist bereits die fünfte Neubenennung in Graz. Insgesamt stehen 20 Plätze oder Straßen auf der Liste, deren Namensgeber historisch durch ihre Verstrickung in totalitäre Systeme belastet sind.
"Wir waren an jeder Haustür"
Angestoßen wurde die aktuelle Umbenennung von Gemeinderat Tristan Ammerer (Grüne), beschlossen wird sie in der ersten Gemeinderatssitzung im Jänner. Dem ging ein langer Bürgerbeteiligungsprozess voraus. "Wir waren an jeder Haustür und haben das Gespräch gesucht“, erinnert sich Ammerer. "Einen Namensvorschlag haben wir nach Rückmeldung der Anrainer verworfen und drei neue präsentiert."
Die erste Landesrätin
Die Wahl fiel auf Maria Matzner (1902 – 1987). Sie war im NS-Regime im sozialdemokratischen Widerstand und eine der wenigen Widerstandskämpferinnen, die nach dem Krieg eine politische Rolle übernahmen.
Dabei war sie eine Pionierin: 1950 wurde sie Landesrätin in der Steiermark mit den Ressorts Anstaltsfürsorge und Fürsorge – sie war die erste Frau in einer österreichischen Landesregierung überhaupt.
Wien kippt die Lueger-Statue nach rechts
In Graz verschwindet Lueger somit aus dem öffentlichen Raum, Wien geht einen anderen Weg: Die Statue des Bürgermeisters an der Ringstraße, immer wieder Schauplatz von Protesten und Schmieraktionen, soll um ein paar Grad nach rechts gekippt werden.
Maria Matzner war die erste Frau in einer Landesregierung.
Dass die Würdigung von historischen Persönlichkeiten durch die Benennung von Straßen oder Plätzen nicht nur problematisch sein kann, wenn der Geehrte einen antisemitischen bzw. nationalsozialistischen Hintergrund hat, zeigt die aktuelle Debatte um den offenbar pädokriminellen SOS-Kinderdorf-Gründer Hermann Gmeiner: So wird etwa gerade in mehreren Kommunen geprüft, wie mit Hermann-Gmeiner-Straßen umgegangen werden soll, darunter Graz und Innsbruck.
Innsbruck untersucht
In der Tiroler Landeshauptstadt geschieht das nun im Zuge eines ohnehin geplanten Vorhabens: So sollen in einem Forschungsprojekt erstmals alle bestehenden Straßennamen in der Tiroler Landeshauptstadt – es handelt sich um rund 650, von denen etwa 200 Menschen ab dem späten 19. Jahrhundert betreffen – wissenschaftlich unter die kritische Lupe genommen werden.
In Innsbruck obliegt die historische Vorabprüfung dem Stadtarchiv, das Problemfälle dem Beirat für Erinnerungskultur vorlegt, der wiederum für die Politik eine Entscheidungsgrundlage erarbeitet.
Zusatztafeln statt Umbenennungen
Wobei in Innsbruck bisher grundsätzlich keine Straßennamen umbenannt werden, sondern vielmehr Zusatztafeln den Namensgeber kritisch einordnen. Namen aus der NS-Zeit – etwa der obligate Adolf-Hitler-Platz – wurden in Österreich wiederum bereits nach dem Zweiten Weltkrieg getilgt.
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