Justiz findet kaum Kronzeugen: Nur zwei in fünf Jahren
"Die Kronzeugenregelung ist so kompliziert, dass man sie als Anwalt seinem Klienten derzeit nicht empfehlen kann", meint Rupert Wolff, Präsident des Rechtsanwaltskammertages. Vielleicht ist auch das der Grund, dass in knapp fünf Jahren bisher erst zwei Mal sogenannte Kronzeugen vor Gericht ausgesagt haben.
Der prominenteste Fall war bisher der ehemalige Telekom-Manager Gernot Schieszler, auch in zwei weiteren Fällen gab es offenbar entsprechende Angebote in Fällen von mutmaßlicher Wirtschaftskriminalität. In nur einer dieser beiden Causa wurde das aber vor Gericht tatsächlich angewendet.
Rechtsunsicherheit
In einem aktuellen Bericht der Fachzeitung Kriminalpolizei wird vor allem die mangelnde Rechtssicherheit scharf kritisiert. Verwiesen wird darin auf eine (noch nicht freigegebene) 70-seitige Studie von Veronika Hofinger vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie für das Justizministerium.
"Gerade in der sensiblen Anbahnungsphase, wenn es darum geht, dem Staatsanwalt von Straftaten zu erzählen, über die er vielleicht noch gar nichts weiß, hat der Kronzeuge einen sehr prekären Status", erklärt Hofinger gegenüber dem KURIER. Viele Beschuldigte würden sich daher dazu entschließen, so lange wie möglich zu schweigen. Außerdem müssen Kronzeugen mit hohen Schadenersatzforderungen rechnen. Denn sogar wenn jemand den Kronzeugenstatus zuerkannt bekommt und straffrei ausgeht, kann er im Zivilverfahren kräftig zur Kassa gebeten werden.
Nur Wirtschaftsdelikte
Vor allem die Staatsanwälte haben an der Regelung ein Interesse, heißt es. Die Anwaltschaft bezeichnet dies eher als unfair: "Ich finde, dass ein Straftäter vor Gericht gehört. Einer wird hier aber ausgenommen, nur weil er andere verpfeift", sagt Wolff. Terror, Rechtsextremismus oder Rocker-Kriminalität sind in Deutschland einige Gebiete, wo Kronzeugen bereits belastendes Material beigesteuert haben. In Österreich ist bei diesen Deliktsformen aber noch kein Kronzeuge aufgetreten.
"Die bisherige Erfahrung zeigt, dass sich das nicht durchgesetzt hat", kritisiert Wolff deshalb. Die Regelung läuft ohnehin mit Jahresende aus, danach muss das Justizministerium eine Folgeregelung für den Paragrafen 209a der StPO finden.
Zuletzt sprach Justizminister Wolfgang Brandstetter davon, dass ab 2017 eine unbefristete Regelung angedacht ist – dabei könnten die zivilrechtlichen Folgen geändert werden. Gegenüber dem KURIER verweist sein Büro auf die geplante Begutachtung im Sommer, vorher würden die Details hausintern ausgearbeitet. Bisher deutet alles daraufhin, dass die Regelung unter neuen Bedingungen fortgesetzt werden dürfte. Betont wird, dass bisher "eine größere Zahl geprüft wurde, aber die Rahmenbedingungen in den anderen Fällen nicht passten."
700.000 Euro gezahlt
Warum bisher so wenige Verdächtige Interesse zeigten, sieht Studienautorin Hofinger auch im Fall Schieszler. Drei Jahre sei unklar gewesen, ob er den Status Kronzeuge bekommt, bis dahin war er ständig in den Medien. Am Ende wurde er zivilrechtlich geklagt und musste 700.000 Euro zahlen. Dies habe andere Personen vermutlich abgeschreckt.
Kommentare