Jung und dynamisch ist diskriminierend

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Mit welchen verpönten Hinweisen ältere Jobsuchende von Bewerbungen abgehalten werden.

"Gesucht: Österreichische Reinigungsdame, 30 bis 50 Jahre alt ..." Das geht gar nicht, das ist gleich doppelt diskriminierend, auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit und des Alters.

Auch die Stellenausschreibung für einen "Techniker, 28 bis 40 Jahre" ist nach dem Gleichbehandlungsgesetz verpönt. Und die 43-jährige Frau, die in der Feinkost-Abteilung eines Supermarktes nicht genommen wurde, weil eine Kündigung ab 45 schon sozialwidrig sein könnte, hat Anspruch auf Schadenersatz.

Aber "jung und dynamisch"? Ist das schon eine Herabwürdigung für ältere Arbeitsuchende? Müssen sich Menschen jenseits der 40 da schon ausgeschlossen fühlen? Das Landesverwaltungsgericht Wien sagte: Ja, und es legte die Latte für korrekte Stellenausschreibungen damit sehr hoch. Ein Fernsehsender hatte Mitarbeiter mit Lernbereitschaft und Teamfähigkeit im Bereich TV-Sales-Service gesucht und die Aufnahme in ein "junges, dynamisches Team" in Aussicht gestellt.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft erstattete Anzeige wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Das Job-Inserat habe von einem potenziellen Bewerber nur so verstanden werden können, dass das "junge, dynamische Team" um einen passenden Mitarbeiter ergänzt werden sollte. Das könne für Menschen, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht mehr ganz so "jung und dynamisch" sind, ausschließend wirken.

"Jung" ist relativ

Den Einwand des Fernsehsenders, es könnten sich auch Personen im fortgeschrittenen Alter jung und dynamisch fühlen, wobei der Begriff "jung" relativ sei, ließ das Gericht nicht gelten. Nicht zuletzt durch das Herausstreichen der "Lernbereitschaft" und "Teamfähigkeit" ist der Jobsuchende damit konfrontiert, sich in das junge, dynamische Team integrieren zu müssen. Das hält ältere Personen, unabhängig von ihrer Eignung, von der Bewerbung ab. Weil es der erste Verstoß gegen das Gesetz war, blieb es bei einer Ermahnung für den Sender.

Freilich steht er jetzt unter besonderer Beobachtung. "Wir wollen niemanden sekkieren", sagt Constanze Pritz-Blazek, eine von vier Juristinnen der Gleichbehandlungsanwaltschaft: "Wir wollen aufklären und den Arbeitgebern durch Prävention helfen, Diskriminierungen zu vermeiden. Und wir wollen Rechtssicherheit erzeugen."

Auf die Frage, welche Einschränkungen bei Stellenanzeigen denn jetzt noch erlaubt sind, sagt Pritz-Blazek: "Man darf viel, aber man darf keine Altersgruppe und kein Geschlecht ausschließen. Es sei denn, ich habe gute Gründe." Dass eine Männerberatungsstelle einen männlichen Berater braucht – "no na net". Auch gezielte Frauenförderungsmaßnahmen sind möglich. Aber Vorurteile dürfen nicht bedient werden.

"Man macht sich ein gewisses Bild von einem älteren Menschen und kommt im Gespräch dann drauf, der ist real ganz anders, der hat seine Qualitäten", sagt die Juristin. Deshalb sollten diese Personen zumindest die Chance bekommen, sich zu bewerben und nicht gleich durch die Stellenausschreibung abgeschreckt werden.

Man hat bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft Verständnis dafür, dass sich manche Betriebe – die vielleicht nicht einmal eine eigene Personalabteilung haben – den Ansturm von vornherein ungeeigneter Bewerber vom Leib halten wollen. Das sei "wirtschaftlich nachvollziehbar". Aber es gehe um die unerwünschten Signale, die durch solche diskriminierenden Job-Inserate ausgesandt werden.

Entschädigung

Betroffene können zumindest mit ein paar Tausend Euro Entschädigung rechnen. Ein 51-jähriger Tiroler bewarb sich als Außendienstmitarbeiter und wurde als zu alt abgewiesen. Er klagte und bekam 4700 Euro zugesprochen.

Mit 65 endet die Zeit, innerhalb der man in der Arbeitswelt altersdiskriminiert werden könnte. Ein 66-jähriger Jurist bewarb sich als Richter des Bundesverwaltungsgerichts und wurde nicht genommen . Er habe das Pensionsalter erreicht, beschied man ihm, und könne sich deshalb nicht mehr beschweren.

"Suchen Verstärkung für ein junges, dynamisches Team": Personalberater Othmar Hill denkt bei dieser Stellenausschreibung nicht automatisch nur an Junge. "Wer sagt denn, dass nicht auch ein 60-Jähriger gut in ein junges, dynamisches Team passt? Also für mich heißt das keineswegs, dass die Formulierung Ältere ausschließt", versteht er die Abmahnung nicht.

Die Gleichbehandlung sei wichtig, der Umgang mit ihr aber viel zu verkrampft. Für Betriebe sei es "lästig und lähmend", sich immer neuen Normen und Paragrafen anpassen zu müssen. "Diese Normopathie ist eine Krankheit", schimpft Hill. Der Wirtschaft erweise man damit keinen guten Dienst.

Grundsätzlich rät Hill, der nach eigenen Angaben schon 14.000 Stellenausschreibungen selbst getextet hat, zu mehr Fantasie und Kreativität bei der Personalsuche: "70 Prozent aller Inserate sind Schrott". Ein gutes Stelleninserat brauche seine Zeit; jede Zielgruppe habe ihre eigene Ansprache.

Gehaltsangaben

Statt mit eigenen Ideen Neugier zu wecken, würden die Formulierungen aber immer uniformer, selbst die verpflichtenden Gehaltsangaben in Inseraten seien austauschbar geworden. "Wer nur das kollektivvertragliche Mindestgehalt mit Bereitschaft zur Überzahlung angibt, sagt genau gar nichts aus", kritisiert der Experte. Unternehmen wenden ein, dass sie bezüglich Gehalt lieber auf Nummer sicher gehen und sich nicht festlegen wollen, bevor sie mit Bewerbern gesprochen haben. Wird eine Überzahlung im Inserat ausdrücklich versprochen, so muss sie auch bezahlt werden. Die vermeintliche Gehalts-Transparenz erweist sich dadurch in der Praxis aber als Rohrkrepierer.

Zu mehr Lockerheit rät der Gründer und Eigentümer von Hill International auch bezüglich der so genannten "verpönten Fragen" bei Bewerbungsgesprächen, die immer mehr ausufern. "Das ist naiv, scheinheilig und sinnlos". Jeder Mensch "vermesse" schließlich jeden – jeden Tag.

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