Warum Mair dieser Film so wichtig ist? „Als Frau berühren mich die Schicksale dieser Frauen, die mir im Film ihre Geschichten erzählen und mich als Filmschaffende dazu bewegt haben, mich auf diese schwere Thematik einzulassen.“ Ihr sei es wichtig, einerseits Lösungen aufzuzeigen und anderen Frauen in ähnlichen Situationen zu helfen, Auswege zu finden.
Andererseits wolle sie „mehr Bewusstsein in unserer Gesellschaft für diese Form der sexuellen Ausbeutung zu schaffen“. Mair ist überzeugt, dass „Prostitution weder eine Berufung noch ein Beruf“ sei, sondern dass „der Weg in die Prostitution aufgrund von äußeren und inneren Nöten und dem Fehlen von Alternativen bedingt ist“.
Mehr als 40 Millionen
Weltweit hat es seit 2018 mehr als 40 Millionen Prostituierte gegeben, 80 Prozent von ihnen Frauen zwischen 13 und 25 Jahren. Etwa 90 Prozent sind von einem Zuhälter abhängig.
Das Thema Zwangsprostitution treibt Maria Schlackl seit über zehn Jahren um. Die Ordensfrau, stellvertretende Provinzleiterin der Salvatorianerinnen und Menschenrechtsaktivistin in Linz, hat sich dem Gedanken verschrieben: „Wie kann ich mich gegen den Frauenhandel engagieren?“
Das ist denkbar schwer, wie sie im KURIER-Gespräch durchklingen lässt. Dabei hat sie durchaus Erfolge vorzuweisen. Sie hat 2016 die Nigerianerin in dem Welser Bordell kennengelernt und der damals 19-Jährigen geholfen, aus der Zwangsprostitution zu entkommen. Sie konnte mit Schlackls Hilfe aus dem Milieu entfliehen führt heute ein normales Leben.
Ihr Weg zurück in ein normales Leben war mit vielen Herausforderungen und Hindernissen gesäumt. Sie hatte das Glück, auf die couragierte Ordensfrau Maria Schlackl zu treffen, die sich für die junge Frau einsetzte.
Ein Happy End wie dieses ist und bleibt aber selten. Dessen ist sich Schlackl auch bewusst. Selbst, wenn man den Ausstieg geschafft hat, verfolgt einen diese Zeit lange – zusätzlich zu den erlittenen Traumata. „Vom Chef abwärts sind ihr ehemalige Freier entgegengekommen, da musst du einfach wirklich weit weg“, erinnert sich Schlackl an eine Frau, der sie geholfen hat, nach der Prostitution eine Arbeitsstelle in einer Firma zu finden.
Dort konnte die Frau erst wieder nicht bleiben. „Zwangsprostitution ist ein großes Tabuthema, niemand will es angreifen“, schildert sie. Ihr Zugang: Aufklärung. Nur wenn in der Bevölkerung das Bewusstsein geschaffen werde, dass es Menschenhandel und Zwangsprostitution direkt in unserem unmittelbaren Umfeld gibt, wo Frauen ausgenutzt und misshandelt werden, werde etwas dagegen gemacht. Bewusstseinsbildung ist ihr Zauberwort. „Ich bete das seit Jahren herunter, mit dem Film wird wieder mehr Bewusstsein geschaffen.“
Maria Schlackl grenzt ihre Aussagen sehr deutlich von der freiwilligen Sexarbeit ab. Sie ist aber sehr deutlich, was die Legalisierung von Prostitution in Österreich betrifft: „Legal als Prostituierte arbeiten heißt für viele, dass sie legal vergewaltigt werden und der Staat dabei mitverdient.“
Sie will Männern bewusst machen, dass „fast jede Prostituierte aus dem System der Zwangsprostitution kommt. Jeder Sexkauf befeuert den Menschenhandel. Es ist schlimm genug, dass wir uns daran schon gewöhnt haben.“
Und da knüpft auch die Filmemacherin Carola Mair wieder an: „Ich bin überzeugt, dass durch Bewusstseinsbildung die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen gesenkt werden kann.“ Denn, und da sind sich Mair und Schlackl einig, Zwangsprostitution ist nicht nur ein Frauen-, sondern ein Männer- und ein Gesellschaftsthema.
Aus dem Rot- ans Tageslicht
Die Gespräche mit den Frauen, mit den Helferinnen, die starken Bilder, die Musik - das schaffte eine starke Betroffenheit im Kinosaal. 80 Minuten war der Fokus eindringlich auf ein Thema gerichtet, das sonst ein Schattendasein fristet, auch wenn es mit Rotlicht ausgeleuchtet wird.
Bei der Premiere des Filmes am Donnerstag im Moviemento Linz betonte Mair erneut: Es gehe ihr darum, die Frauen sichtbar zu machen, es gehe ihr um Solidarität mit Frauen, die diesen Job machen. Bewusstsein für die vielen Schichten dieser Thematik schaffen, das ist Carola Mair mit dem Film gelungen.
Der Film zeigt drei völlig unterschiedliche Frauen, die in der Sexarbeit bzw. Zwangsprostitution gelandet sind. Nach dem Film kam die Frage auf, ob ein Verbot von Prostitution nicht sinnvoll wäre. Eine rasche, allgemeingültige Antwort gab es nicht. Mair: "Für beide Seiten gibt es Argumente."
Wofür es keine Argumente gibt: Die seit Corona stark wachsende illegale Wohnungsprostitution. Mair: "Das ist die größte Gefahr für Frauen." Hier müssten die Bemühungen von Polizei und Politik verstärkt werden.
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