Wenn das Gefängnis zur Gefahr wird
Das Wichtigste im Überblick:
- Gefängnisse gelten als Keimzellen für Islamismus, auch in Österreich sind immer mehr Dschihadisten in Haft.
- Der Justizsprecher der Grünen warnt vor einer "El-Kaida-Österreich".
- Das Justizministerium will einen Maßnahmenplan präsentieren, kann aber keinen Zeitpunkt dafür nennen.
- Für muslimische Seelsorger gibt es kein Geld, auch sie warnen vor einer Radikalisierung.
Cobra-Beamte sicherten den Eingang zum Grazer Gerichtsgebäude. Ein Sprengstoffexperte und ein Suchhund inspizierten den Schwurgerichtssaal vor Prozessbeginn. Alles sagte: Das hier ist ernst. Das sind keine dummen Jugendlichen. Vergangene Woche begann der erste einer Reihe von Prozessen gegen Dschihadisten, denen vorgeworfen wird, der IS-Ideologie anzuhängen, an Kampfhandlungen auf Seiten des IS teilgenommen zu haben oder das zumindest vorgehabt zu haben oder versucht zu haben, Personal zu rekrutieren. Auch in Wien ist vergangene Woche bereits ein Prozess gegen Dschihadisten mit Schuldsprüchen zu Ende gegangen.
"In ein paar Jahren haben wir El-Kaida-Österreich"
Laut Verfassungsschutz sind derzeit in Österreichs Gefängnissen 30 bis 40 radikalisierte Personen; manche sind wie die Angeklagten beim Prozess in Graz noch in Untersuchungs-, andere bereits in Strafhaft. Es ist anzunehmen, dass es noch mehr werden: Von 80 Heimkehrern von der IS-Front spricht der Verfassungsschutz; sie alle könnten nach und nach hinter Gitter wandern. Das ist deshalb brisant, weil die Gefängnisse als Nährboden für Dschihadismus und Radikalisierung gelten.
Die Attentäter von Paris und Kopenhagen im Vorjahr waren allesamt im Gefängnis und wurden teilweise dort radikalisiert. "Deradikalisierungsmaßnahmen wären eine gute Investition, sonst haben wir in ein paar Jahren einen IS- oder eine Al-Quaida-Österreich", sagt der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser. Bereits vor einem Jahr stellte er eine parlamentarische Anfrage zum Thema. "Es stehen dem Strafvollzug weder zusätzliche Budgetmittel noch zweckgebundene Beträge für die Herausforderungen im Umgang mit dschihadistischen Inhaftierten zur Verfügung", hieß es damals in der Anfragebeantwortung. Für Deradikalisierung im Gefängnis war schlicht und einfach kein Geld da.
Kein Geld für Gefängnisse
Im selben Jahr verabschiedete die Bundesregierung ein Antiterrorpaket in der Höhe von 300 Millionen Euro, "aber da gab es kein Geld für die Gefängnisse, das halte ich für eine schwere Fehlentscheidung", sagt Steinhauser. Das Justizministerium will nun ein Gesamtkonzept präsentieren, bislang gab es laut der Sprecherin des Ministeriums "Einzelmaßnahmen" für die inhaftierten Dschihadisten. Wann das Konzept präsentiert wird, konnte die Sprecherin des Justizministeriums nicht sagen.
Kein Geld für muslimische Seelsorge
Klar ist bereits: Nichts zu sagen hatten beim Konzept die muslimischen Seelsorger. "Wir waren überhaupt nicht eingebunden", sagt Ramazan Demir, der Generalsekretär der muslimischen Seelsorge. Er warnt selbst seit längerem vor radikalen Tendenzen unter den 1.750 in Österreich inhaftierten Muslimen, das sind rund 20 Prozent aller Inhaftierten. Dabei, glaubt er, wäre es vor allem an den muslimischen Seelsorgern, Dschihadisten zu deradikalisieren. Ein Sozialarbeiter komme an Radikalisierte nicht ran, das müssten Seelsorger übernehmen, sagt er. Muslimische Seelsorge ist dem Staat überhaupt kein Anliegen: Während die katholische Kirche vom Staat sechseinhalb Planstellen finanziert bekommt, sind es für Muslime: null. "Ich hatte im Vorjahr einen Termin bei Minister Brandstetter, der hat gesagt, er hat keine Finanzierung für muslimische Seelsorge. Ich hab ihm gesagt, er spart an der falschen Stelle, er hat gesagt, da muss ich mit Faymann reden. Das fand ich ein bisschen seltsam", sagt er. Alle muslimischen Seelsorger arbeiten ehrenamtlich, "es gibt deshalb fast nur Gottesdienste und Gruppenbetreuungen", sagt Demir.
Er selbst ist Seelsorger in Wien-Josefstadt, wo alleine rund 300 Muslime einsitzen; Einzelbetreuungen schafft er neben seinem Job als Religionslehrer nur etwa zwei pro Woche. Dabei sei es nicht nur wichtig, die bereits Radikalisierten zu betreuen. "Die Gefahr ist, dass die Radikalen ihr Gedankengut weiter verbreiten."
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