Immer weniger machen den Führerschein
Das eigene Auto ist nicht mehr so cool wie es einmal war. Für die ältere Generation kaum wegzudenken, verliert der fahrbare Untersatz bei der Jugend zunehmend an Reiz. Im Vorjahr brach die Zahl der neu ausgestellten Führerscheine österreichweit erstmals gröber ein: Um sieben Prozent. Je jünger und näher an der Stadt, umso höher fällt der Absturz aus. Bei den 18-Jährigen beträgt das Führerschein-Minus laut neuer Untersuchung der Statistik Austria bereits rund zwölf Prozent.
"Wer im Auto sitzt, ist nicht mehr im Kreis seiner Freunde. Die Jugend ist so abhängig von SMS und anderen virtuellen Unterhaltungen – etwa auf Facebook – dass sie lieber mit der Bahn fährt, statt im Auto von der Kommunikation abgeschnitten zu sein", erklärt Verkehrsexperte Hermann Knoflacher. "Früher wurde das erste verdiente Geld ins Auto investiert, heute fließt es ins neueste Smartphone."
Pkw eher verzichtbar
In Österreich ist dieser Trend noch neu, im Ausland wird das Phänomen schon seit einigen Jahren beobachtet. Aufgefallen ist die Entwicklung erstmals 2008 in Japan. In den USA und Deutschland war der Rückgang bei den jungen Führerschein-Interessenten erstmals vor vier Jahren ein Thema. In einer US-Studie gaben Jugendliche bereits 2012 in folgender Reihenfolge an, worauf sie am wenigsten verzichten können: Computer (35 Prozent), Mobiltelefon (30 Prozent), Auto (28 Prozent).
"Die Jugend ist heute lieber indoor als outdoor", meint Knoflacher. Die Kommunikation kommt also ins Haus, man muss nicht mehr mit dem Auto zu seinen Freunden fahren. Ähnlich sieht das auch ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger: "Das neue Smartphone wird intensiv beworben, das ist heutzutage extrem wichtig für die Jugendlichen. Dafür wird Zeit und Geld investiert. Allerdings spielen auch die geburtenschwächeren Jahrgänge sicherlich eine Rolle."
Dazu kommt natürlich die Preisfrage, die jungen Menschen laut Experten immer mehr bewusst wird. Ein Auto kostet inklusive aller Nebenkosten rund 400 Euro im Monat, auf die Lebenszeit gerechnet ergibt das knapp 250.000 Euro – der Preis einer kleinen Eigentumswohnung.
"Unsere Kunden werden auch immer unberechenbarer", stellt Alexander Seger von der Mödlinger Fahrschule Fürböck fest. "Die Kurse zu Weihnachten und Ostern sind nicht so gut gebucht, im Sommer haben es dafür immer mehr Kunden. Wir mussten heuer sogar Interessenten wegschicken."
Gegenstrategie
Die Autohersteller versuchen dem sinkenden Interesse der Jugend mit immer mehr Multimedia im Auto entgegenzuwirken. Mercedes hat zuletzt ein Konzept vorgestellt, bei dem die Sitze im Auto so gedreht werden können, dass man in der Mitte quasi um einen runden Tisch sitzen kann. "Bei unserem neuen Smart kann man das Smartphone bereits über eigene App (Anwendung) direkt in das Auto integrieren", sagt Mercedes-Sprecher Bernhard Bauer.
Ford setzt derzeit vor allem auf "Sprachsteuerung, etwa für Musik. Das spricht vor allem junge Leute an. Und es gibt günstige Sondermodelle. Viele Junge kann man heute auch noch emotional ansprechen." Doch es scheinen immer weniger zu werden.
So hoch wie in Wien ist das Minus nirgendwo in Österreich. 10 % weniger Führerscheinneulinge gibt es in der Bundeshauptstadt. Auch, weil junge Menschen das Auto in Wien kaum mehr brauchen.
Seit der Einführung der Nacht-U-Bahn im Jahr 2010 muss Wiens Jugend nicht mehr mit dem Auto in die Diskothek oder ins Kino fahren. Einen zusätzlichen Schub gab die Einführung der 365-Euro-Jahreskarte, noch stärker dürfte sich aber die Einführung des Top-Jugendtickets im Herbst 2012 ausgewirkt haben. Schüler und Lehrlinge bis 24 Jahre können damit um 60 Euro pro Jahr in ganz Wien, NÖ und Burgenland fahren.
Der Trend lässt sich auch in den Zahlen der Verkehrsabteilung (MA46) ablesen, die dem KURIER vorliegen. Demnach ging die Zahl der Autofahrten von 2012 auf 2013 innerhalb des Gürtels um 3,9 Prozent zurück. Das sind umgerechnet knapp 17.000 Autos weniger pro Tag. Im Büro der Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) sieht man den Trend ebenso: "Offensichtlich steigen immer mehr Menschen auf andere Mobilitätsformen um", sagt ein Sprecher. Das zeigt auch der Modal Split. 2013 fuhren 39 Prozent mit den Öffis, zehn Jahre davor waren es nur 29 Prozent. Umgekehrt sank die Zahl der Pkw-Fahrer von 40 auf 28 Prozent.
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