Kokain-Handel: Ibiza-Detektiv Hessenthaler plädiert auf nicht schuldig

Julian Hessenthaler am Weg in den Verhandlungssaal
Julian Hessenthaler muss sich seit 9 Uhr vor Gericht verantworten. Eine Zeugenbefragung musste abgebrochen werden.

Ginge es rein um das Delikt – das Medieninteresse wäre überschaubar. Es geht um 1,25 Kilo Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 70 Prozent, das vor Jahren nahe der nö. Stadt Haag übergeben worden sein soll. Grammpreis: 40 Euro. Dazu kommt noch der Vorwurf der Fälschung besonders geschützter Urkunden – der Angeklagte soll bei einer Polizeikontrolle in Wien einen gefälschten slowenischen Führerschein und Personalausweis vorgezeigt haben. Strafrahmen: 15 Jahre Haft.

Es ist der Angeklagte selbst, der für ein riesiges Interesse sorgt. Es handelt sich um Julian Hessenthaler. Der 40-jährige Detektiv, der eine zentrale Rolle bei der Erstellung des Ibiza-Videos gespielt haben soll, das schließlich die türkis-blaue Regierung zu Fall brachte.

Hessenthaler: "Nicht schuldig"

Rund um dessen Prozess haben sich auch zahlreiche Organisationen zu Wort gemeldet, die in diesem Fall eine „ausufernde Strafverfolgung“ orten, die nur einen Zweck habe: Einen abschreckenden Effekt auf zukünftige Aufdecker. Staatsanwalt Bernd Schneider hielt zu Verhandlungsbeginn mit Blick auf das Ibiza-Video fest: „In diesem Prozess hier geht es nicht um dieses Video, es geht um gänzlich andere Vorwürfe.“ Der Angeklagte plädiert am Mittwochvormittag auf nicht schuldig.

Der Richter kündigt bereits kurz nach Prozessbeginn an, dass dieses Verfahren mehr als einen Verhandlungstag in Anspruch nehmen werde. "Das Biotop, in dem dieser Akt angesiedelt ist, sprengt die Erfahrungen, die ein Richter so macht", sagt er.

Der Angeklagte äußerte in seiner Befragung die Vermutung, dass sein vermeintlicher Kokain-Abnehmer für falsche Vorwürfe gegen ihn Geld bzw. nach der Verurteilung wegen Drogendelikten eine Fußfessel erhalten habe. Eine Frau, die ihn des Suchtmittelhandels beschuldigt, sei seiner Ansicht nach nicht glaubwürdig.

Weiters erklärte der Angeklagte mit Blick auf die Aufnahmen, die Ex-FPÖ-Obmann und -Vizekanzler Heinz-Christian Strache sowie Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus mit einer vermeintlichen Oligarchennichte zeigen: „Das Ziel der Veröffentlichung des Ibiza-Videos war die Zusammenführung der Vorwürfe, die das Ibiza-Video ergibt, mit den Vorwürfen des Bodyguards Straches.“

Zwei Anwälte zur Seite

Nur akkreditierte Journalisten durften um 9 Uhr den Gerichtssaal betreten. Hessenthaler, wurde von der Justizanstalt Josefstadt, wo er in Untersuchungshaft sitzt, nach St. Pölten gebracht. Zur Seite stehen ihm zwei Anwälte – zum einen der Wiener Oliver Scherbaum, zum anderen der Salzburger Wolfgang Auer. Schon im Vorfeld haben sie zahlreiche Beweisanträge angekündigt.

Kokain-Handel: Ibiza-Detektiv Hessenthaler plädiert auf nicht schuldig

Die Anwälte Oliver Scherbaum und Wolfgang Auer

Anwalt Auer ist bei seinem einleitenden Statement direkt: "Ich schäme mich als österreichischer Rechtsanwalt und Teil des österreichischen Justizsystems, ein derartiges Verfahren erleben zu müssen. Es geht nur darum, den Angeklagten zu bestrafen, weil er Ibiza Video gemacht hat." Man sei „nicht imstande gewesen, eine unabhängige Soko mit unabhängigen Polizisten einzurichten“, erklärte der Rechtsanwalt, der von einem „einseitigen Verfahren“ sprach. 

Vorwürfe konstruiert?

Angesetzt ist die Verhandlung bis 15.30 Uhr. Laut Anklageschrift habe sich Hessenthaler dazu entschlossen, seine „triste finanzielle Situation durch den Handel mit Kokain aufzubessern“. Es handle sie um konstruierte Vorwürfe, sagt Anwalt Scherbaum. „Nach diesem Verfahren wissen wir, ob es in Österreich möglich ist, Aufdecker von Korruption in der Politik mit konstruierten Anschuldigungen aus dem Verkehr zu ziehen.“

Die Ermittlungen seien mit falschen Angaben befeuert worden. „Dagegen ist jede Netflix-Serie eine Sendung mit der Maus“. Der 40-Jährige sei „aus Rache hineingelegt“ worden. Es gehe daher sehr wohl um das Ibiza-Video. 

Urkundenfälschung

Neben Suchtgifthandel wird dem 40-Jährigen Fälschung besonders geschützter Urkunden sowie Annahme, Weitergabe oder Besitz falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden vorgeworfen. Er soll einen gefälschten slowenischen Führerschein und Personalausweis, die auf den Namen einer rumänischen Bekannten lauteten, besessen und übergeben sowie bei einer Polizeikontrolle am 7. Mai 2019 in Wien eine gefälschte slowenische Lenkberechtigung vorgewiesen haben. Einen Bluttest verweigerte er.

Die gefälschten Dokumente „waren in meinem Besitz“, räumte der Angeklagte ein. Zum Hintergrund erklärte er, dass eine Rumänin im Zuge eines Projekts seiner Sicherheitsfirma eingeschleust werden sollte. „Ich habe das nicht mit ihr abgesprochen, das war ein kurzfristiger Einfall“, meinte Hessenthaler dazu, dass er die Urkunden in Auftrag gegeben habe. „Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass diese Dokumente falsch sind“, sagte der Angeklagte und verwies auf die Ausführungen seiner Verteidiger. Bei den Urkundendelikten sei jeweils „keine Strafbarkeit gegeben“, verwies Rechtsanwalt Auer u.a. auf das Verbot der Doppelbestrafung.

Befragung einer Zeugin angebrochen

Der Privatdetektiv soll Kokain an einen suchtgiftabhängigen Bekannten weitergegeben haben. Dieser soll die Drogen teilweise gemeinsam mit seiner Geliebten für den Eigenbedarf verwendet haben, ein Teil soll gestreckt und weiterverkauft worden sein. Beide wurden laut Anklagebehörde vor rund einem Jahr wegen Suchtgiftdelikten verurteilt, sie sollen am Mittwoch als Zeugen aussagen.

Die Frau habe eine „Lebensbeichte“ abgelegt, nachdem bei ihr 133 Gramm Kokain in einem Staubsaugerbeutel gefunden worden waren, sagte der Staatsanwalt. Der Mann habe erst nach seiner Hauptverhandlung zu Übergaben durch den 40-Jährigen ausgesagt, weil seine Mutter zwei Wochen vor seinem Prozess bedroht worden und er verängstigt gewesen sei.

Die Zeugin, die Hessenthaler bezüglich der Drogendelikte belastet, sollte auf ihren Wunsch hin in Abwesenheit des Angeklagten befragt werden. Die Frau war am 19. November 2019 festgenommen worden, zudem fand eine Hausdurchsuchung statt. „Ich habe einfach nur Angst, dass mir etwas passiert“, sagte sie unter Schluchzen. Die Einvernahme wurde schließlich nach kurzer Zeit aufgrund ihres psychischen Zustandes abgebrochen. Die Zeugin soll bei einem weiteren Verhandlungstermin mithilfe eines Dolmetschers befragt werden.

Ungewöhnlich intensive Ermittlungen

Mehrere Organisationen, darunter Amnesty International und epicenter.works, haben am Tag vor dem Verfahren ihre Bedenken geäußert. „Es drängt sich stark der Eindruck auf, dass die österreichischen Behörden nun andere strafrechtliche Vorwürfe heranziehen bzw. in ausufernder Weise verfolgen, um Julian Hessenthaler mundtot zu machen“, meint etwa Thomas Lohninger, Geschäftsführer von epicenter.works.

Tatsächlich war der Ermittlungsaufwand ungewöhnlich intensiv. Es gab Kontoöffnungen, Hausdurchsuchungen, telefonische Überwachung, Funkzellenauswertungen und die Abfrage von Passagierlisten.

Neos und SPÖ teilen die Bedenken. „Die Ermittlungen der SOKO Tape haben seit ihrem Beginn eine bedenkliche Schlagseite aufgewiesen“, meint etwa Stephanie Krisper, Fraktionsführerin im Ibiza-U-Ausschuss.

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