Caritas zu Ende von US-Entwicklungshilfe: „Hat dramatische Auswirkungen“

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Alexander Bodmann, Vizepräsident der Caritas Österreich, kritisiert die Einstellung von USAID scharf.

Der KURIER war gerade mit der Caritas in Afrika unterwegs, als das Aus der amerikanischen humanitären Hilfe USAID endgültig verkündet wurde. 

Ein Gespräch mit Alexander Bodmann, Vizepräsident der Caritas Österreich, über die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten, Chancen von Entwicklungszusammenarbeit und Aufholbedarf in Österreich.

KURIER: Wir waren gemeinsam in Burundi und haben dort viel Armut gesehen, insbesondere viele unterernährte Kinder. Wie gehen Sie mit diesen Erfahrungen um?

Alexander Bodmann: Ich denke, es ist wichtig, sich von dem, was man auf so einer Reise erlebt, berühren zu lassen. Das sind Kinder, die genauso eine Zukunftschance bekommen sollen, wie unsere Kinder in Österreich oder in Europa. Natürlich ist viel zu tun, aber auf der anderen Seite sieht man sehr rasch Erfolge. Mit der richtigen Behandlung dauert es nur wenige Wochen, dass unterernährte Kinder wieder normal ernährt sind, dass aus zum Teil sehr apathischen Kindern wieder aufgeweckte Entdecker werden.

Bringt humanitäre Hilfe wirklich etwas oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Entwicklungszusammenarbeit sind viele Tropfen, die vielleicht noch kein Meer, zusammen aber einen guten Grundwasserspiegel der Mitmenschlichkeit erzeugen. Eine neue Studie zeigt, dass allein durch die amerikanische Entwicklungshilfe in den letzten 20 Jahren 90 Millionen Menschen eine Zukunft gegeben werden konnte. Sie wären sonst vom Hungertod oder vom Tod durch Krankheiten betroffen gewesen. Das ist eindeutig nachgewiesen. Dass die amerikanische Regierung jetzt die Entwicklungszusammenarbeit einstellt, kann die Folge haben, dass 14 Millionen Menschen aufgrund von Unterernährung oder Krankheiten sterben. (Siehe auch unten.)

Blicken Sie ängstlich in die Zukunft, was die Entwicklungszusammenarbeit betrifft?

Angst ist nie ein guter Ratgeber, das steht schon in Lukas 2.10: Fürchtet euch nicht. Aber die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten hat dramatische Auswirkungen. Ich glaube, da fehlt es an Wissen und an Empathie. Gleichzeitig weiß man, dass eine Regierung in den USA maximal vier Jahre im Amt ist, der bestehende Präsident kann kein weiteres Mal gewählt werden. Ich bin überzeugt, dass spätestens nach dieser Präsidentschaft wieder ein neuer politischer Wind wehen wird.

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Vergangene Woche besuchte Alexander Bodmann von der Caritas  Hilfspojekte in Burundi, der KURIER begleitete ihn.

Gelder für humanitäre Hilfe gehen überall zurück. Was bedeutet das nicht nur für die ärmeren Länder, sondern auch für uns?

Es droht ein Stück weit, dass wir Nationalismen und den Blick auf das Innere verstärken und dadurch weniger an das Gemeinsame denken. Das führt vielleicht kurzfristig zu Erfolgen, ganz sicher nicht langfristig. Eine Abschottung hat noch nie einer Nation, einem Gebiet, einer Region gutgetan. Österreich werden Kontakte, Netzwerke und damit Zukunftschancen verloren gehen. Und noch dazu muss man explizit sagen, Österreich ist kein Vorreiter. Wir haben das selbst gesteckte Ziel aus den 1970er-Jahren, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, aufgegeben. Wir sind derzeit ungefähr bei 0,3 Prozent.

Spüren Sie Bereitschaft, das wieder zu ändern?

Die Bundesregierung steht natürlich unter einem starken Sparzwang. Gleichzeitig hat sie ein 3-Jahres-Programm für die Entwicklungszusammenarbeit verabschiedet, das sehr positiv ist.

Müsste Europa einen mutigeren Kontrapunkt zu den Entwicklungen in den USA setzen?

Europa sollte genau diese Chance jetzt nutzen und sagen, wir sind für Multilateralismus. Ermöglichen wir eine Entwicklung, die letztlich allen zugutekommt.

Und Österreich?

Sollte die Mittel aufstocken und diesem Thema mehr Aufmerksamkeit widmen. Der Bundespräsident reiste dieser Tage nach Südafrika, kein einziges Regierungsmitglied begleitete ihn. Dabei liegt die Zukunft in Afrika. Hier gibt es viel mehr Kinder als bei uns, hier gibt es Innovation, die durch viele Menschen erzeugt wird. Gleichzeitig gibt es aber auch sehr arme Zustände und sehr arme Familien. Ich glaube, es ist in unserer Verantwortung, hier zu unterstützen.

Auch bei uns geht es vielen Menschen schlechter. Wie erklärt man, dass man in Afrika hilft?

Es ist immer ein Sowohl-als-auch. Natürlich geht es darum, auch arme Menschen in Österreich zu unterstützen. Gleichzeitig wirkt sich Entwicklungszusammenarbeit auch positiv auf Österreich aus. Die vielen Beziehungen und Netzwerke, die wir da aufbauen können. Und das führt in Folge dazu, dass Handel getrieben werden kann, dass österreichisches Know-how in Länder des Südens kommt und Wissen und Kulturschätze aus dem Süden zu uns. Natürlich kommt nicht jeder Euro, der heute eingesetzt wird, unmittelbar zurück. Das ist aber selten so, insbesondere wenn wir nicht so agieren wollen, wie der amerikanische Präsident, der nur auf Deals aus ist.

Gerade in Zeiten von Kriegen fließen mehr Gelder in die Sicherheit. Haben Sie dafür kein Verständnis?

Ich verstehe, dass man in Europa eine Sicherheitsarchitektur braucht, insbesondere wenn Partner wie die Vereinigten Staaten ausfallen. Das ist nachvollziehbar. Ich glaube, das Problem an der Diskussion ist, dass man aufgrund des Drucks nur mehr darüber spricht und nicht mehr über die Frage, wie wir eigentlich in Zukunft zusammenleben wollen. Klar ist: Waffen werden uns nicht weiterbringen, sondern das Gespräch, die Kooperation und der gemeinsame Weg.

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