Homosexuelle Flüchtlinge: "Dilettantische" Recherche über Irak
Universitäts-Professoren sind nicht dafür bekannt, in ihren Befunden besonders sarkastisch zu sein. Rüdiger Lohlker, Islamwissenschafter am Institut für Orientalistik an der Universität Wien, schien nichts mehr anderes übrig geblieben zu sein.
In seiner Stellungnahme zum Rechercheergebnis (kein Gutachten, Anm.) des Gutachters Karl Mahringer zur Situation von LGBTIQ-Personen (Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Interpersonen, Anm.) im Irak, schrieb der renommierte Professor: „Die Aussagen (...) sind (...) in keiner Weise überprüfbar und also wertlos. Sarkastisch formuliert: Dies mag man glauben oder nicht.“
Mahringer ist jener gerichtlich beeidete Sachverständige, gegen den aktuell ein Überprüfungsverfahren beim Landesgericht für Zivilrechtssachen läuft. Mahringer droht die Aberkennung seiner Zulassung. Grund für die Überprüfung war Mahringers Gutachten über Afghanistan, in dem er zum Schluss kommt: Wer einem Attentat entkommen will, müsse nur einen Umweg von zehn Minuten in Kauf nehmen. Das Gutachten ist Grundlage vieler Abschiebungen. Plagiatsprüfer Stefan Weber klassifizierte das Schriftstück als „Reisebericht“.
Laut KURIER-Recherchen erhielt Mahringer einen weiteren Auftrag, diesmal sollte er zur Situation von LGBTIQ-Personen im Irak recherchieren. Und genau an dieser Recherche gibt es heftige Kritik von Islamwissenschafter Rüdiger Lohlker. „Ich war fassungslos, als ich das gelesen habe“, sagt der Universitäts-Professor. „Es ist eine Katastrophe, dass so etwas im Gericht akzeptiert werden könnte. Wenn mir das ein Student vorgelegt hätte, ich hätte es zurückgeschmissen.“
Mahringer habe kaum recherchiert, die Interviews seien nicht-wissenschaftlich geführt worden (man wisse nicht, wer befragt wurde), auch der Sprache sei Mahringer nicht ausreichend mächtig. Lohlker attestiert Mahringer „ein in hohem Maße dilettantisches Vorgehen“. Bei dem Schreiben handle es sich maximal um „Reiseimpressionen“ (siehe Faksimile). Auf KURIER-Nachfrage zeigte sich Mahringer „überrascht“ von der „schweren Kritik“ des Professors. Er habe kostenpflichtige Lehrveranstaltungen bei ihm „positiv absolviert.“ Es ist nicht meine Aufgabe, wissenschaftliche Dossiers abzuliefern, sondern Antworten auf konkrete Fragen des Gerichts zu geben“, sagt Mahringer. „Auch der Herr Professor muss zur Kenntnis nehmen, dass eine Recherche kein Wunschkonzert ist.“
Betroffene ungehört
Den Auftrag, eine Stellungnahme zu verfassen, erhielt Lohlker von der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung und der Queer Base, einem Wiener Verein, der Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Interpersonen unterstützt, die nach Österreich geflüchtet sind.
Mehr als 400 Personen, ein großer Teil davon aus dem Irak, werden aktuell von der Queer Base beraten. „Gerade beim Thema LGBTIQ braucht es Zugang zu betroffenen Menschen und spezialisierten Organisationen“, sagt die Mitbegründerin der Queer Base, Marty Huber. Bei einem stigmatisierten Bereich wie Homosexualität reicht es nicht, irgendwelche Leute auf der Straße anzusprechen.“
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