Mitten ins Herz: Hier können Familien für ihre schwer kranken Kinder da sein
Im Teddyhaus in Linz können Eltern wohnen, während ihr herzkrankes Kind im Spital versorgt wird. Eine Familie erzählt, wie schwierig der Start ins Leben sein kann.
Toni ist viereinhalb Monate alt. Seit seiner Geburt im Juni hat er das Krankenhaus in Linz noch nicht verlassen. Toni wurde mit einem schweren Herzfehler geboren, direkt nach der Entbindung zum ersten Mal operiert.
Seine Eltern und der 2-jährige Bruder Luis leben in der Steiermark. Mama Daniela war bereits ab der 38. Schwangerschaftswoche in der Nähe des Kinderherz-Zentrums, das zum Linzer Kepleruniklinikum gehört, untergebracht. Aber nicht irgendwo, sondern im Teddyhaus.
Seit 15 Jahren gibt es diese Institution in Gehweite des Spitals. Eltern, deren Kinder dort operiert und versorgt werden, können während dieser Zeit im Teddyhaus leben. Dass es diese Möglichkeit gibt, ist einer Frau zu verdanken: Michaela Altendorfer. Sie ist selbst Mama eines Herzkindes, ihr Sohn Jakob ist mittlerweile 25 Jahre alt und gesund. Was hat sie dazu bewogen, so ein großes Projekt auf die Beine zu stellen?
In den ersten Monaten nach seiner Geburt pendelte sie selbst täglich mehrmals von Gmunden nach Linz und sah, was diese räumliche Trennung für Eltern, die aus ganz Österreich anreisten, bedeutet: Nicht nur emotional, auch finanziell war da für die meisten ein riesiger Berg zu stemmen.
Im Kofferraum übernachtet
„Ich habe Väter gesehen, die in der Nähe ihrer Familie und des Kindes bleiben wollten und deswegen nächtelang im Kofferraum ihres Autos schliefen“, erinnert sich die Initiatorin. Sie wollte handeln, mietete und renovierte ehemalige Arbeiterwohnungen.
„Wir haben mit dem Erdgeschoß begonnen. Je nach Spendenlage ist immer ein Stockwerk dazugekommen, das wir ausbauen konnten.“ Nun ist bis unters Dach alles neu, es gibt 16 Zimmer, die temporär Heimat für Familien herzkranker Kinder sind.
In einem dieser Zimmer lebt seit dem Frühsommer eben die 32-jährige Daniela – auch ihr Mann und der ältere Sohn können regelmäßig hierher auf Besuch kommen. „Als wir von seinem Herzfehler erfahren haben, ist eine Welt für uns zusammengebrochen. Ich hatte schon während der Schwangerschaft den ersten Eingriff hier in Linz und habe gemerkt, was hier für ein schöner Zusammenhalt im Haus ist.“
Alle Eltern eint ein ähnliches Schicksal, alle hoffen, fiebern mit, sind mal geknickt, mal optimistisch. Alle können mitfühlen, wie es den anderen gerade geht.
Sicherheitsnetz für Eltern
„Zuerst hab ich mir gedacht, ich will niemanden sehen und mit niemandem reden. Dann hab ich bemerkt, wie gut der Austausch mit den anderen Eltern ist. Dieses Haus ist ein Sicherheitsnetz für uns“, sagt Daniela, während sie Fotos von Toni zeigt, der mittlerweile von der Intensivstation auf die Kardiologie verlegt wurde: „Das ist immer die letzte Station vor der Entlassung“, hofft die Steirerin, die sich wünscht, mit Toni zu Weihnachten zu Hause zu sein.
Daniela spricht das an, was mittlerweile bereits 6.018 Familien in 53.700 Übernachtungen zwischen 2009 und 2023 erlebt haben: „Ich wüsste nicht, wie wir diese Situation ohne das Teddyhaus stemmen würden. Ein Hotelzimmer oder Appartement wäre ja viel zu teuer.“
Im Kinderherz-Zentrum im Spital kann ein Elternteil beim Kind untergebracht werden. Da zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten alles an Aufenthaltsdauer möglich ist, können externe Übernachtungskosten für Angehörige das Budget schwer belasten.
„Durchschnittlich bleiben die Familien drei bis vier Wochen bei uns, das längste bisher waren 17 Monate“, erklärt Michaela Altendorfer, die nicht nur Gründerin des Teddyhauses, sondern auch Präsidentin des Vereins „Herzkinder Österreich“ ist.
Abschied nehmen
Nicht jede Geschichte geht gut aus. Immer wieder kommt es vor, dass Familien Abschied nehmen müssen, weil klar ist, dass ihr Kind nicht überleben wird. Für diese besonders tragischen Schicksale ist Trixi Buchinger da. Sie ist die Leiterin des Teddyhauses und ausgebildete Trauerbegleiterin: „Ich möchte Eltern in dieser Situation an einige Dinge erinnern – das letzte Foto oder der letzte Handabdruck zum Beispiel“, sagt Buchinger.
Zahlen Herzfehler sind die häufigsten Fehlbildungen bei Neugeborenen. Jedes 100. Baby in Österreich wird mit einem Herzfehler geboren, das sind rund 700 neugeborene Kinder mit einer Herzfehlbildung jedes Jahr.
Versorgung In Österreich gibt es zwei Kinderherzzentren, eines in Linz, eines in Wien. Kleine Patientinnen und Patienten werden dort von einem Team aus Kinderkardiologen, Neonatologen, Kinderherzchirurgen, Kinderanästhesisten, Kardiotechnikern und Kinderkrankenpflegepersonal betreut.
Familien Etwa 40 Prozent aller Kinder mit Trisomie 21 leiden unter einem Herzfehler. Besteht bei einem Kind ein angeborener Herzfehler, ist nicht zwangsläufig ein hohes Risiko für Geschwister gegeben: Die Wahrscheinlichkeit liegt hier bei drei bis vier Prozent, während sie sich bei Kindern ohne erkrankte Geschwister auf ein Prozent beläuft.
Spenden Spendenkonto: Erste Bank IBAN: AT13 2011 1890 8909 8000 BIC: GIBAATWWXXX www.herzkinder.at
Damit muss sich Daniela mit ihrer Familie zum Glück nicht auseinandersetzen, obwohl es ein, zwei Mal knapp war für ihren Sohn.
„Jetzt auf der Zielgeraden werde ich ungeduldig, weil ich ihn mit heimnehmen möchte.“ Toni hat das Gröbste geschafft, seine Familie konnte dank Teddyhaus beim holprigen Start ins Leben immer für ihn da sein.
16 Zimmer, die einen großen Unterschied machen
2009 begann Michaela Altendorfer mit einer Idee und dem Wunsch, betroffenen Familien zu helfen. Was in diesen 15 Jahren seitdem passiert ist, ist beachtlich: Mehr als 6.000 Familien konnten im Teddyhaus bleiben, gesamt gab es 53.700 Nächtigungen in den 16 Wohneinheiten.
Für die, die es sich leisten können, ist ein minimaler Unkostenbeitrag pro Tag zu zahlen. Das gesamte Projekt finanziert sich rein durch Spenden. 150.000 Euro betragen die laufenden Kosten pro Jahr für das Teddyhaus in Linz. Im Büro werden die Anfragen entgegengenommen und bearbeitet. Abgesehen davon ist das Büro auch Anlaufstelle für alle, die Gespräche suchen. „Derzeit haben wir eine Warteliste mit acht Familien“, verweist Altendorfer auf die große Nachfrage.
Das Wohnen auf Zeit ist eine Säule, darüber hinaus decken die 25 Mitarbeitenden – abgesehen von neun Personen arbeiten alle ehrenamtlich – aber noch weit mehr ab: Es gibt bereits Betreuung in der Schwangerschaft, viel Information und Beratung, etwa über Behandlungsmöglichkeiten der Herzkinder.
Bei Stationsbesuchen bekommen Eltern Halt während der Herzoperation des Kindes, dazu gibt es schnelle, unbürokratische finanzielle Unterstützung und regelmäßige Treffen für Familien zwecks Austausch.
Darüber hinaus organisiert der Verein Herzkinder die Herzläufe in ganz Österreich, Sommerwochen und Feriencamps für betroffene Kinder. Zusätzlich gibt es – auf Nachfrage – regelmäßig Infoveranstaltungen in Schulen. Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen werden informiert, worauf denn bei einem herzoperierten Kind speziell zu achten ist.
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