Heimkinder gehen auf die Straße

Heimkinder gehen auf die Straße
Am 18. Dezember wollen ehemalige Fürsorge-Zöglinge in Wien "die Politiker wachrütteln".

Das wird die erste Veranstaltung, wo endlich wir am Wort sind“, sagt Johann Kailich. Der 65-Jährige ist einer der Organisatoren einer Demonstration ehemaliger Heimkinder, die am 18. Dezember vom Wiener Stephansplatz bis zum Parlament führen soll.

Das „Wir“ sind ehemalige Zöglinge von Heimen der Stadt Wien, anderer Bundesländer und der katholischen Kirche. Kailich ist vor allem ein Anliegen, das damalige Heimsystem aufzurollen. „Jedes Opfer einzeln zu entschädigen, hat keinen Sinn – eine Rente, eine Wiedergutmachung. Wir fordern, dass der Staat alle ehemaligen Heimkinder als Opfer anerkennt und abfindet.“ Es gebe „Zigtausende“, die sich noch nicht bei einer der Opferschutzkommissionen gemeldet haben. Die müssten von den offiziellen Stellen kontaktiert werden, fordert Kailich.

Der Wildwuchs an Kommissionen – eine für die katholische Kirche, eine für Wien, eine in Oberösterreich, eine für Malaria-Opfer, eine
für Tirol, eine für Innsbruck... – gehöre eingestellt, sagt Kailich. „Wir brauchen endlich eine bundesweite Kommission, in der auch ehemalige Heimkinder vertreten sind.“

„Gegen Missbrauch“

Diese und weitere Forderungen werden am 18.12. bei der „Kundgebung gegen Missbrauch und Gewalt in Österreich“ gestellt. Ausgangspunkt ist um 15 Uhr der Stephansplatz. Um 17 Uhr soll die Demonstration zur Schlusskundgebung beim Parlament eintreffen. Die Zahl der erwarteten Demonstranten schwankt zwischen 200 und 1000 Teilnehmern.

„Wir wollen endlich die Politiker wachrütteln“, sagt Mit-Organisator Gerald C., „und nicht mehr als Bittsteller behandelt werden.“ Ein wichtiges Anliegen ist, dass die Verjährung im Fall von Vergewaltigungen fällt. „Die Täter dürfen nicht ungeschoren davonkommen“, sagt Elisabeth Kammerlander vom Verein victims mission, die die Aktion unterstützt.

Bei der Schlusskundgebung sollen neben einigen Betroffenen aus Kinderheimen auch die Anwälte Christian Sailer (Deutschland) und Johannes Öhlböck (Wien) sowie der Grüne Nationalratsabgeordnete Albert Steinhauser sprechen. Der Wiener Musiker Tom Beck wird die Demo musikalisch unterstützen.

Die Neuauflage eines Gerichtsverfahrens aus dem Jahr 1982 strebt ein ehemaliger Zögling des Kinderheimes Wimmersdorf (NÖ) an. Helmut Nigg, 52, wurde im Alter von 12 Jahren vom Jugendamt der Stadt Wien in das Heim in der Nähe von Neulengbach überstellt.

In seiner (dem KURIER vorliegenden) Anzeige beim Landeskriminalamt Wien erklärt Nigg, der drei Jahre lang in Wimmersdorf interniert war: „In dieser Zeit wurde ich von den Erziehern, den Lehrern und auch der Direktorin mehrfach am Körper verletzt, meiner Freiheit beraubt und sexuell belästigt.“ Die Anzeige richtet sich gegen acht Personen – Erzieher und Lehrer des Heimes –, die MA 11 und die für die Heimschule zuständige MA 56. Angezeigt wurden unter anderem Körperverletzung, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, sexuelle Belästigung, Freiheitsentziehung, Quälen Unmündiger sowie Folter und Zwangsarbeit nach Artikel 3 und 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Weitere ehemalige Heimkinder aus Wimmersdorf werden demnächst ebenfalls Anzeige erstatten.

Das von Nigg 1982 angestrebte Verfahren gegen eine Erzieherin des Heimes ist 1982 vertagt und schließlich eingestellt worden.

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