Was wäre denn im Senioren-Warenkorb enthalten?
Unverzichtbare Grundelemente wie nährstoffreiche Lebensmittel, Hygieneartikel, Wohnkosten, Gesundheitsversorgung, Energie, Transport, Umbauten für die Barrierefreiheit. Irgendwann braucht man eine altersgerechte Wohnsituation. Es ist wichtig, all das zu betrachten, wenn man fragt, welche Erhöhung gerechtfertigt ist.
Wie sehr leiden Senioren unter den aktuell sehr hohen Lebenshaltungskosten?
Mieten, Energie, Essen: Ich erlebe täglich ältere Menschen, die verzweifelt sind und Suizidgedanken in sich tragen. Es gibt natürlich Unterstützung, Wien ist da ein durchaus herzeigbares Beispiel. Es gibt Zuschüsse, Gutscheine, den Arbeitersamariterbund, die Caritas und die Volkshilfe. Wir haben ein ganz gutes Netz. Aber wir schlittern wieder in eine schwierige Situation, Energie wird wieder teurer. Viele nützen das, um hohe Preise zu generieren, einzelne Unternehmen verdienen sehr viel Geld. Wir haben keine soziale Unruhe, und ich würde wagen, zu sagen: noch nicht. Wenn es sein muss, gehen wir auch auf die Straße.
Man sieht Senioren immer als Kostenfaktor und als eigentlich lästig. Mitnichten ist das der Fall. Wenn wir von einer Pension mit 2.000 Euro ausgehen, sind davon 13 Prozent Zuschuss des Staates. Für was gibt man diese 2.000 aus? Für Dinge, für die es eine Mehrwertsteuer zu entrichten gilt. Das heißt, das Geld kommt in den Staatssäckel zurück. Außerdem sind Senioren eine große Gruppe an Konsumenten. Sie legen ihr Geld nicht in Aktien oder in Goldreserven an – sondern sie geben es aus. Das hält die Wirtschaft am Laufen. Das generiert Arbeitsplätze.
Viele Senioren haben auch das Problem, dass sie keine Kredite bekommen.
Ich habe gestern mit einem Polizisten telefoniert, der eine schöne Pension hat, netto nicht ganz 3.000 Euro. Er braucht dringend einige neue Haushaltsgeräte. Alte Geräte sind ja unwahrscheinliche Energiefresser, und er trägt sich mit dem Gedanken, einige zu erneuern. Plus ein paar Möbel, die einfach zusammenbrechen. Er war bei der Bank, bei der er seit Jahrzehnten Kunde ist. Die haben alle Unterlagen, er hat nie sein Konto überzogen. Und was kriegt er? Eine Ablehnung für einen Kredit.
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In welchen Bereichen gibt es noch Diskriminierung?
Leider in viel zu vielen. Ich bringe mit Vehemenz immer wieder ein, dass Fahrräder und E-Scooter eine Kennzeichnung benötigen. Wenn Sie aus dem Haus gehen, müssen Sie erst den Kopf links und rechts hinausstrecken, falls ein Scooter mit irrem Tempo vorbeikommt. Ein Junger kann noch schneller reagieren. Ein Älterer – also ich heute mit meinem Ischias – hätte wahrscheinlich ein Problem. Früher war auch klar: Steigt ein älterer Mensch in die Straßenbahn ein, steht ein Junger auf. Heute findet man das fast nicht mehr. Auch fehlender Respekt ist Diskriminierung.
Ist es auch eine Barriere, dass immer mehr Erledigungen nur online möglich sind?
Man darf nicht vergessen, dass sehr viele ältere Menschen damit noch nicht umgehen können. Man muss alles sowohl analog, als auch digital anbieten. Denn derzeit gibt es noch eine große Zahl an Menschen, die digital nicht wirklich affin sind. Auch das ist Diskriminierung.
Das Alter hat Nachteile, wie Ischias-Schmerzen ...
Ja, aber man weiß zumindest, was man macht, damit es wieder vergeht. (lacht)
Und was sind die Vorteile?
Die ganze Lebenserfahrung, die Qualifikationen, beruflich wie gesellschaftlich. Eigentlich sollte man auch nicht „ältere Menschen“ sagen, sondern Senior: Es gibt keinen besseren Ausdruck. Senior klingt ja auch gut, nicht? Es gibt den Seniorpartner in der Wirtschaft oder das Senioritätsprinzip. Damit verbindet man Wissen und Erfahrung.
Können Sie sich vorstellen, in den Ruhestand zu gehen?
Ich kann mir nicht vorstellen, nichts zu tun. Ich habe mein ganzes Leben sehr viel gemacht und bin überzeugt: Das hält fit, vor allem geistig. Wichtig ist, dass ältere Menschen aktiv bleiben. Sonst lässt die geistige Spannkraft nach. Ein richtiger Couch-Potato zu werden, ist nicht ideal.
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