Hanke: „Dieses Corona-Wechselbad verträgt die Gesellschaft nicht“

Hanke: „Dieses Corona-Wechselbad verträgt die Gesellschaft nicht“
Der Wiener SPÖ-Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke kritisiert den türkis-grünen Wankelmut in der Corona-Politik und will Wien weiter öffnen.

KURIER: Wien steht in immer mehr Ländern auf der roten Liste. Hat die Stadt mit ihrem Corona-Testchaos das selbst verschuldet?

Peter Hanke: Wien ist eine sichere Stadt. Wir haben das bewiesen – mit dem rasanten Aufbau des Betreuungszentrums und den guten Kapazitäten im Spitalswesen. Auch mit Blick auf die traurige Liste derer, die leider an Corona verstorben sind, liegt Wien im internationalen Vergleich gut. Es ist aber richtig, dass die vergangenen Wochen herausfordernd waren und dass manches noch schneller gehen muss. Die Kritik ist bei uns angekommen. Wir haben zuletzt schnelle und klare Entscheidungen getroffen.

Wien steht dennoch auf einer roten Liste, auf der viele andere Regionen nicht stehen. Ein Imageschaden für den Standort?

Der Wirtschafts- und der Tourismusstandort bekommen einen massiven Dämpfer. Jährlich kommen rund drei Millionen Nächtigungen aus Deutschland, die fallen derzeit weg. Einen Imageschaden sehe ich aber nicht.

Es scheint, als sei die Wintersaison gelaufen. Bälle wurden abgesagt und Christkindlmärkte wackeln. Fährt die Bundesregierung einen zu vorsichtigen Kurs?

Ich glaube, die Wankelmütigkeit der Regierungsspitze in ihren Entscheidungen tun den Menschen emotional nicht gut. Das führt zu Verunsicherung. Die Planlosigkeit, die wir der Bundesregierung seit Monaten vorwerfen, verstärkt sich derzeit noch. Vor Kurzem hat Kanzler Sebastian Kurz verkündet, dass das Licht am Ende des Tunnels zu sehen sei – ziemlich genau zweieinhalb Wochen später erklärt er, dass es jetzt ganz gefährlich wird. Dieses Wechselbad der Gefühle wiederholt sich zum x-ten Mal, das verträgt eine Gesellschaft nicht.

Wien hat die Gastro-Registrierung eingeführt. Kommt die Vorverlegung der Sperrstunde für Sie auch infrage?

Nein. Wien ist eine Millionenstadt. Wir leben davon, dass sich die Menschen wohlfühlen und dass wir die Stadt öffnen. Wir haben sehr erfolgreich Projekte wie das Filmfestival abgewickelt, wir haben Geld in Kleinbühnen gesteckt. Wir gehen hier einen anderen Weg. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es ein Fehler ist, Maßnahmen immer scheibchenweise zu verkünden. Die Menschen wollen wissen, woran sie sind. Wir sind für strikte Auflagen. Aber Tag für Tag Neues zu liefern, könnte nach hinten losgehen.

Viele ausländische Touristen können nicht anreisen. Aber auch Gäste aus den Bundesländern bleiben aus. Haben die Österreicher schon Angst vor der eigenen Hauptstadt?

Ich glaube nicht, dass dem so ist. Es ist aber klar, dass die Menschen in Zeiten wie diesen die Natur gesucht haben. Wer Seen und Almen hat, der ist derzeit gefragter. Bei uns in der Großstadt ist der Raum enger, das ist derzeit nicht im Trend. Dafür habe ich auch Verständnis.

Lässt sich der wirtschaftliche Schaden für Wien schon beziffern?

Ich beschäftige mich lieber mit der Frage, wie Schaden verhindert werden kann. Das ist meine Art der Politik. Am Ende will ich danach bewertet werden, was ich zustande gebracht habe. Ich habe 39 unterschiedliche Förderungen und Unterstützungen auf den Weg gebracht. Mein Fokus liegt nicht zuletzt auf den Jungen, die es schwer haben, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen – und auf den älteren Arbeitslosen 50+, die schon länger auf Jobsuche sind. Für beide Gruppen haben wir starke Maßnahmen beschlossen und zugleich die Unternehmen entlastet.

Ist das Modell der Kurzarbeit das richtige? Arbeitnehmer erhalten einen Großteil ihres Gehalts – bei bis zu null Prozent Arbeit. Macht sich da Bequemlichkeit breit?

Kurzarbeit ist nicht für jede Branche ein Gewinn. Das gilt auch für das Homeoffice. Man muss aufpassen, dass der soziale Austausch, der im Büroleben stattfindet, nicht vollkommen zurückgestellt wird. Wenn derartige Systeme über ein Jahr oder länger geführt werden, bedeutet das eine enorme psychische Belastung für die Betroffenen. Wir müssen die Menschen in die Normalität zurückführen. Das ist auch eine Frage der Effizienz, bei der wir im internationalen Vergleich führend sind.

Peter Hanke (56) Der gebürtige Favoritner ist seit Mai 2018 Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft und Digitalisierung – und ist als solcher auf für den Tourismus zuständig. Bevor ihn Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in die Stadtregierung holte, war Hanke 16 Jahre lang Geschäftsführer der stadteigenen Wien Holding.

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