"Abscheuliches Verbrechen aus Hass": 15 Festnahmen bei Razzien

"Abscheuliches Verbrechen aus Hass": 15 Festnahmen bei Razzien
400 Polizisten nahmen bei Großeinsatz 12 Männer und drei Frauen fest, die Menschen anderer sexueller Orientierung quälten. Verdächtige vermutlich aus rechtsextremer Szene.

Zusammenfassung

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  • Hausdurchsuchungen und Festnahmen in sieben österreichischen Bundesländern wegen Verdachts auf Hate Crime.
  • Rund ein Dutzend Verdächtige wurden festgenommen, da sie eine vorurteilsbehaftete Personengruppe ins Visier genommen hatten.
  • Die Polizei sicherte diverse Beweismittel und betonte, dass keine konkrete Gefahr für die Bevölkerung bestand.

400 Polizistinnen und Polizisten schlugen Freitagfrüh zu: In allen Bundesländern außer Kärnten und Vorarlberg nahmen sie Verdächtige fest, die sich "schwerster strafrechtlich relevanter Taten" schuldig gemacht haben sollen, wie Joachim Huber, Vize-Landespolizeidirektor in der Steiermark, zurückhaltend formuliert.

In den Razzien wurden 15 Personen festgenommen, 12 Männer und drei Frauen – der jüngste von ihnen gerade einmal 14 Jahre alt, der älteste 26 Jahre.

Die Vorwürfe gegen die Gruppe ist schwer begreifbar: Sie sollen sich in Online-Foren Opfer gesucht, misshandelt, erniedrigt, beraubt und auch körperlich verletzt haben – einem Fall geht es sogar um Mordversuch.

Peiniger zwangen Opfer zum Tanz

Die Opfer – 17 konnte die Polizei bisher ausmachen – mussten etwa mit ihren maskierten Peinigern vor laufenden Handykameras tanzen.   "Die Täter", so schildert Michael Lohnegger, Leiter des Landeskriminalamtes Steiermark, "wurden von Handlung zu Handlung immer brutaler."

Und der Hintergrund? Hass auf Menschen, die eine andere "sexuelle Orientierung" haben als sie selbst, also homsexuell sind. Und denen die mutmaßlichen Täter vorwarfen, pädophil zu sein. 

"Aber das stimmt nicht", wehrt die Exekutive am Freitag entschieden ab: "Es geht um Hate Crime, es geht darum, Menschen zu erniedrigen und zu verletzen", macht Lohnegger deutlich.

Die Verdächtigen gehörten zu einer selbsternannten "Pädo-Hunter-Gruppe", die "unter dem Deckmantel der Selbstjustiz unterwegs war, um Pädophile aus Gesellschaft holen. Aber die Täter sind sich bewusst, dass ihre Opfer keine Pädophilen sind.“

Die Gruppe legte in diversen sozialen Medien falsche Accounts an und lockte so die Opfer an "abgeschiedene Plätze. Dort erwarteten sie dann vier bis acht maskierte Personen, die die Opfer misshandelten", beschreibt Lohnegger die Vorgangsweise. 

Rechtsextreme Szene

Eine Art der verabredeten Kriminalität, die derart  noch nicht in Österreich nicht in Erscheinung trat, aber offenbar Kontakte in die rechtsextreme Szene hat: Bei den 23 Hausdurchsuchungen, die Freitagfrüh durchgeführt wurden, wurden neben Waffen und Suchtgift auch Material gefunden, das unter das NS-Verbotsgesetz fällt.

Ob  Mitglieder als als rechtsextrem eingestuften "Identitären" unter den Verdächtigen sind, wollte die Polizei vorerst weder dementieren noch bestätigen.

Nähere Details nannte die Polizei am Freitag vorerst nicht, da die Erhebungen unter dem Decknamen "AG Venator" noch liefen. Nur so viel: Auf die Spur der Gruppe kam man nach Raubüberfällen im Mai und Juli 2024, die im Bezirk Graz-Umgebung verübt wurden.

Die Beamten stießen dabei auf Hinweise, die in Richtung Misshandlung gingen; als sich das verdichtetem, wurde im Oktober 2024 eine eigene Arbeitsgruppe ("Venator") im steirischen Landeskriminalamt eingerichtet.

  • Unter "Hate Crimes" fasst die Polizei sogenannte "vorurteilsmotivierte Straftaten" zusammen:  Sie werden vor allem aus Hass oder Vorurteilen gegenüber bestimmter Personengruppen begangen, etwa  wegen der Ablehnung einer bestimmten Herkunft, der  Religion oder Hautfarbe, aber auch des  Geschlechts oder eben wie im aktuellen Fall  wegen der sexuellen Orientierung. Eingeschlossen sind hier auch Hasspostings in sozialen Medien.
  • Seit November 2020 werden die  Vorurteilsmotive in Österreich systematisch von der Polizei erfasst. 2023 wurden 5.668  diesbezügliche Straftaten in ganz Österreich verzeichnet (die Auswertung für 2024 liegt noch nicht vor). Die Statistik unterscheidet  aber  zwischen strafrechtlich verfolgbaren Taten und erfassten Vorfällen, deren Anzahl ist mit 6.461 höher. 
  • Die meisten Straftaten wurden  in Wien (1.604) registriert, gefolgt von  Niederösterreich (955) und Oberösterreich (885). Gegenüber 2022 war das Rückgang von  rund 3,5 Prozentpunkten. 
  • Helmut Graupner, Rechtsanwalt in Wien und Präsident des Rechtskomitees "Lambda" machte aber gegenüber der APA darauf aufmerksam:  "Hate Crimes", die sich ausdrücklich gegen LGBTIQ+Personen richteten, haben im Vorjahr gegenüber 2022  um 20 Prozent zugenommen. "Hinsichtlich der Motivlage liegen auf den vordersten Plätzen Weltanschauung, ethnische Herkunft und Religion. Die sexuelle Orientierung hat aber die Hautfarbe vom vierten Platz verdrängt." Nur acht Prozent der betroffenen homosexuellen und bisexuellen Personen würden Anzeige erstatten“, merkte der Jurist an.  "Über 90 Prozent der Fälle bleiben ungeahndet." Das sei aber "Nährboden für weitere Gewalt. 

Höhere Dunkelziffer

Da der erste Tatort in der Nähe von Graz lag, leitet die Staatsanwaltschaft Graz die Ermittlungen, die die Hausdurchsuchungen und Razzien anordnete. Unter den 15 Tatverdächtigen sind 11 Österreicher, sie sollen sich über diverse Foren und Online-Chats ausgetauscht haben, so die Polizei. 

Bisher bekannt sind den Ermittlern 17 männliche Opfer. "Aber wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer höher ist", überlegt LKA-Chef Lohnegger und bittet potenzielle weitere Opfer, sich zu melden.

Die "RosaLila PantherInnen", ein Grazer LQBTQ-Verein, dankte der Polizei für "das entschlossene Vorgehen gegen diese abscheulichen Verbrechen". Vorsitzender Joe Niedermayer bedauerte jedoch, dass diese Razzien bestätigen, was die Beratungsstelle seit Längerem beobachten müsse: "Gewalt gegen queere Personen ist ein ernstes, wachsendes Problem."

"Der Hass wird sichtbarer"

Man ermutige Opfer, Täter anzuzeigen: "Seit geraumer Zeit warnen wir vor einer Zunahme hassmotivierter Übergriffe aufgrund sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität. Der Hass in unserer Gesellschaft nimmt nicht unbedingt zu, aber er wird sichtbarer und ungehemmter. Besonders besorgniserregend ist, wenn junge Menschen diesen Hass übernehmen und in Gewalt umsetzen."

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) merkte an, dass "ein schwerer Schlag gegen ein nationales Verbrecher‐Netzwerk" gelungen sei: "Eine nach derzeitigem Ermittlungsstand überaus brutale und menschenverachtende Tätergruppe wurde damit aus dem Verkehr gezogen."

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