Wolfgang Pucher (1939-2023): Der Armenpfarrer konnte nicht wegsehen

Wolfgang Pucher (1939-2023): Der Armenpfarrer konnte nicht wegsehen
Der Gründer der Vinzi-Werke mit Dutzenden Hilfseinrichtungen starb infolge eines medizinischen Notfalls im Urlaub.

Jeder, der leidet, ist arm. Egal, ob er Geld hat oder nicht. Aber da gibt es die, die wahrgenommen werden. Daneben gibt es eine Armut, die kein Mitleid erweckt, die hässliche Armut. (Wolfgang Pucher)

Der Pfarrer saß auf dem Asphalt mitten  in der Grazer Herrengasse und bettelte. Polizisten   standen erst etwas ratlos  und abseits, ehe sie taten, was das Landessicherheitsgesetz befahl: Sie straften Wolfgang Pucher samt vier bekannter Mitbettler ab. Bettelei –  und sei es  bloß durch stumm am Straßenrand sitzende Menschen –  war 2011 in der Steiermark tatsächlich verboten.

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Pucher empörte sich nicht nur  verbal gegen den "Akt tiefer Herzlosigkeit", sondern tat etwas. Er ließ sich  strafen, um das Gesetz bekämpfen zu können. Tatsächlich wurde es  später gekippt.

Am Urlaubsort

Ihn habe "Gegenwind nie umgeworfen", beschrieb Pucher Jahre danach in der Erinnerung auch an diese Szene: In der Nacht auf 20. Juli 2023 starb der Pfarrer im 85. Lebensjahr infolge eines medizinischen Notfalls am Urlaubsort in Kroatien, wie die Vinzi-Werke, die er einst gegründet hatte, mitteilten.  Erst im Frühjahr feierte er sein 60-jähriges Priesterjubiläum und sein 50-Jähriges in der Pfarre St. Vinzenz im Bezirk Eggenberg.

"Er hat nie weggeschaut, sondern lautstark und öffentlich aufgezeigt, wenn er gesehen hat, dass Menschen ungerecht behandelt werden", erinnert sich Nora Tödtling-Musenbichler, heute Caritas-Direktorin in der Steiermark, aber lange Zeit Puchers Mitarbeiterin bei den Vinzi-Werken. "Er hat sich nicht davor gescheut, Ungerechtigkeit anzusprechen und dagegen etwas zu tun."  Wie im Sommer 1992, als Bosnier vor dem Krieg flüchteten, in Graz strandeten und unter prekären Bedingungen in leeren Zugwaggons am Bahnhof hausten.

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 "Niemand wollte ihnen helfen“, erinnerte sich Pucher später. „Ich konnte nicht wegsehen. Ich habe Zelte auf dem Sportplatz vor der Pfarre aufgestellt und sie über den Sommer aufgenommen." Aus diesem Zeltlager wurde Vinzi-Nest, eine Notschlafstelle für obdachlose Männer aus dem Ausland. 

Rund 40 Hilfseinrichtungen  folgten, vor allem in Graz, aber auch Wien und Salzburg. Angetrieben auch durch die  Erinnerung an die eigenen Kindheit und Jugend in großer Armut habe er versucht,  zu helfen, begründete er in einem KURIER-Interview: "Ich hab’ drei große Vorsätze. Nicht urteilen, die Nähe von Armen zulassen oder suchen, kleine Hilfestellungen geben. Bei vielen reicht es, nur zuzuhören oder Zeit zu schenken. Das kostet nichts, das kann jeder."

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Dabei machten es Politik und Gesellschaft dem kämpferischen Pfarrer am Beginn nicht einfach: Das 1993 gegründete Vinzi-Dorf, ein dauerhaftes Heim für obdachlose Männer, war in Misskredit, weil dort kein Alkoholverbot galt wie in anderen Obdachloseneinrichtungen.  Heute genießt das Vinzi-Dorf Kultstatus.

Auch Puchers Einsatz für Roma-Bettler in der Mitte der 1990er-Jahre war  erst nicht gern gesehen, mit der Zeit aber ein geschätztes Projekt bis hin zur Nudelproduktion im slowakischen Dorf Hostiče.

Fortführung

Die Hilfseinrichtungen würden nun im Sinn ihres Gründers weitergeführt, versichert Amrita Böker, Koordinatorin der Vinzi-Werke: „Wir werden Menschen am Rand der Gesellschaft in ihrer Not auffangen.

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