Aus Zeltlager für Kriegsvertriebene wurde eine Notschlafstelle

Armutsmigranten, wie die "VinziWerke" ihre Schützlinge nennen, bekommen Zuflucht in der Notschlafstelle
Geflüchtet vor dem Krieg, die meisten von ihnen desertiert aus dem Armeedienst: Im Sommer 1992 strandeten viele Männer in Graz, die den Krieg in Bosnien hinter sich lassen wollten. Doch sie hatten kaum Geld und auch keine Möglichkeit, etwas zu verdienen: Deshalb übernachteten sie in abgestellten Zugwaggons in der Nähe des Bahnhofes – "unter menschenunwürdigen Zuständen", erinnert sich Pfarrer Wolfgang Pucher. "Niemand wollte ihnen helfen."
"Konnte nicht wegsehen"
Der damals 53-Jährige hatte nur wenige Jahre zuvor die "VinziWerke" gegründet, eine Hilfseinrichtung, die mittlerweile - nicht nur in Graz, sondern auch in Wien und Salzburg - Bedürftige unterstützt. Pucher konnte die Not der Männer nicht ertragen, die nirgends Zuflucht fanden, wie er schildert. "Ich konnte nicht wegsehen. Ich habe Zelte auf dem Sportplatz vor der Pfarre St. Vinzenz aufgestellt und sie über den Sommer aufgenommen."
Das war der Anfang der Hilfseinrichtung "VinziNest", heute eine Notschlafstelle für obdachlose Männer aus dem Ausland, Armutsmigranten, wie die "VinziWerke" ihre Schützlinge nennen. Bereits im September 1992 konnte der Pfarrer das Zeltlager auflösen: Der Eigentümer einer stillgelegten Strickerei überlies Pucher das leere Gebäude gegen den Ersatz der Betriebskosten – immer noch ist das "VinziNest“ in der Kernstockgasse in Graz untergebracht. Mittlerweile gehört das Gebäude aber der Hilfsinstitution.
440.000 Mahlzeiten
Das Projekt war nach dem „VinziBus“ 1991 – Helfer fahren jede Nacht Essen und heißen Tee aus – das Zweite, das vom Team rund um den Pfarrer umgesetzt wurde. Mittlerweile hat die Notschlafstelle Platz für 80 Männer, es gibt dort neben einem Bett für die Nacht auch ein warmes Abendessen und die Möglichkeit, Kleidung zu waschen. Einmal wöchentlich steht zudem medizinische Versorgung bereit, es werden auch rechtliche Beratung oder Begleitung bei Behördenwegen angeboten. Seit der Eröffnung im September 1992 hat das „VinziNest“ rund 2.150 Männer aufgenommen, insgesamt wurden 630.000 Nächtigungen verzeichnet und 440.000 Mahlzeiten ausgegeben. 360 Ehrenamtliche halfen im Lauf der Jahrzehnte mit und sicherten rund 180.000 Betriebsstunden in der Notschlafstelle. 2006 wurde die Schwestereinrichtung aufgesperrt, "VinziSchutz", die Notschlafstelle für obdachlose ausländische Frauen.
Das "VinziNest" kommt aber in die Jahre: "Es ist eine umfassendere Renovierung des Gebäudes notwendig, deren Kosten sich im sechsstelligen Bereich bewegen dürften", betont Amrita Böker, Koordinatorin der "VinziWerke". Dafür bittet die Einrichtung um Spenden. Wer sich vor Ort informieren möchte, hat am 2. Oktober Gelegenheit dazu: In der Notschlafstelle findet ein Begegnungsfest statt, bei dem unter anderem die Kulturen aus den 35 Herkunftsländern der Bewohner präsentiert werden.
Spendenkonto: AT75 2081 5022 0040 8090, Zweck:
„VinziNest-Renovierung“
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