Google-Abmahnungen: Anwalt aus NÖ beklagt "Shitstorm"

600.000 Euro Strafe für Google
Die WKStA geht von "mehreren zehntausend Abmahnschreiben" aus. Die Forderung von 190 Euro pro Brief ließ der Anwalt fallen.

Der nö. Anwalt Marcus Hohenecker, der im Auftrag einer Mandantin zehntausende Abmahnbriefe an Webseitenbetreiber verschickt hatte, beklagte in der ORF-Sendung "Bürgeranwalt" Angriffe auf seine Person. "Dieser Shitstorm hat dazu geführt, dass vor meiner Kanzlei randaliert wurde, dass mir mehrfach die Reifen aufgestochen wurden", sagte Hohenecker am Samstag.

Auch Drohbriefe und Drohanrufe habe er erhalten und "Schlägertypen" hätten ihn an seiner Privatadresse aufgesucht. "Ich konnte mein Handy über ein Monat nicht verwenden, weil ich ständig angerufen wurde und wieder aufgelegt wurde", schilderte Hohenecker. Sein Webhoster habe ihm gekündigt, ebenso sein Steuerberater und seine Bank.

Hohenecker hatte vergangenes Jahr massenhaft Abmahnschreiben an Webseitenbetreiber verschickt, die Google Fonts, also von Google bereitgestellte Schriftarten, verwendet haben. In dem Brief forderte der Anwalt dazu auf, binnen 14 Tagen 190 Euro zu bezahlen, andernfalls sollten die Empfänger auf Schadenersatz geklagt werden.

Diese Forderungen dürften inzwischen obsolet sein. Danach gefragt, ob er das weiter verfolge, sagte Hohenecker im ORF: "Ich habe genug von der Sache".

Insgesamt hatte Hohenecker mehr als 26.000 Abmahnbriefe verschickt. Hohenecker behauptet in dem Schreiben, seine Mandantin Eva Z. sei durch das bloße Aufrufen der Website eines Fotografen schon in ihrem Recht auf Datenschutz verletzt worden.

Anwälte, die betroffene Webseitenbetreiber vertreten, argumentieren, dass Hoheneckers Mandantin gar keinen Gefühlsschaden erlitten haben könne, weil es unrealistisch sei, dass sie derart viele Webseiten eigenhändig angesurft habe. Vermutet wird, dass ein Programm zum Einsatz kam, dass im Internet nach Webseiten suchte, die Google Fonts verwenden.

Ermittlungen wegen Erpressung

Der Fall beschäftigt mittlerweile auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Ermittelt wird gegen Hohenecker und eine zweite Person wegen gewerbsmäßiger Erpressung und schwerem gewerbsmäßigen Betrug. Auf diese Delikte steht im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Auf APA-Anfrage erklärte die WKStA am Montag: "Die genaue Anzahl der Abmahnschreiben ist ebenso wie die Schadenshöhe Gegenstand der Ermittlungen. Wir gehen aber derzeit von mehreren zehntausend Abmahnschreiben aus."

Gegen Hohenecker läuft bei der Rechtsanwaltskammer auch ein Disziplinarverfahren. Hohenecker beklagte am Samstag in der ORF-Sendung, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und das Verfahren der Kammer seien zunächst eingestellt, wegen der "Macht der Medien" und der großen Anzahl der Abmahnbriefe aber wieder aufgenommen worden.

Musterprozess am 3. März

"Ab einer gewissen Anzahl war es für uns hinterfragenswert", sagte dazu Florian Knotek von der niederösterreichischen Rechtsanwaltskammer beim "Bürgeranwalt". Drei oder vier Abmahnungen seien anders zu beurteilen als 400 oder 26.000. Die Standesvertretung will im Disziplinarverfahren aber das Ergebnis der ordentlichen Gerichte abwarten.

Zur Frage, ob die Verwendung von Schriftarten, die von einem Google-Server abgerufen werden, datenschutzkonform ist oder ob dabei die IP-Adresse des Webseitenbesuchers datenschutzwidrig an Google übertragen wird, findet am 3. März in Wien am Landesgericht für Zivilrechtssachen in einem Muster-Verfahren der Wirtschaftskammer statt. Prozessbeteiligt ist neben einem Friseur aus Amstetten auch Google Ireland Ltd.

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