Gift in Milch: Behörden nahmen Warnungen nicht ernst

Das Gift soll aus diesem Zementwerk stammen.
Zementwerk verbrannte krebserregenden Kalk aus Deponie; Molkerei schlug zu Ostern Alarm.

Rund um die vergiftete Milch aus Kärnten bleibt vieles noch im Dunklen. Fix scheint aber, das Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB) in Milch und Futtermitteln im Görtschitztal wurde durch die Verbrennung von Blaukalk im Wietersdorfer Zementwerk verbreitet. Das räumte am Donnerstag das Unternehmen selbst ein.

Unter Druck stehen aber auch zunehmend Kärntner Behörden und Politiker. Denn klar ist inzwischen, dass erhöhte Umweltgift-Werte im Tierfutter bereits im April registriert wurden. Die Behörden nahmen die Warnungen aber nicht ernst.

Gift in Milch: Behörden nahmen Warnungen nicht ernst
Kärnten-Karte, Lokalisierung Görtschitztal Grafik 1400-14-Umwelt.ai, Format 88 x 55 mm

Die Molkerei Sonnenalm, in Klein St. Paul direkt neben dem Zementwerk ansässig, schlug beim Land vor sieben Monaten Alarm. „Im Grasschnitt ist im Frühjahr eine geringe Menge des Gifts aufgetreten“, sagte Geschäftsführer Hannes Zechner. Es hieß, es dürfte sich um Altlasten handeln.

„Seitens der Experten wurde angenommen, dass dieses Phänomen in der neuen Vegetationsperiode mit genügend Niederschlägen bereinigt sein wird. Aber im Sommer wurden erneut erhöhte Messwerte festgestellt“, sagt Zechner. Alle 15 Zulieferer hätten die Futtervorräte vernichtet. Es wurde Futter aus anderen Regionen zugekauft. „Unsere Betriebe sind daher sauber.“

Gift in Milch: Behörden nahmen Warnungen nicht ernst
Hilmar Loitsch (SPÖ), Bürgermeister von Klein St. Paul.

Doch wie sauber hat das Zementwerk gearbeitet? Wie schnell hat die Politik reagiert? Ein vom Land genehmigtes Entsorgungsprojekt von Blaukalk, das seit Juli 2012 laufe, könnte die Ursache des HCB-Vorkommens sein, heißt es von Seiten der Fabrik. Der Blaukalk stammt aus der Deponie eines Werks der Donau Chemie in Brückl.

„Dass HCB eine Belastung im Blaukalk ist, war weder uns noch den Behörden bekannt“, sagt Werksleiter Berndt Schaflechner. Greenpeace sieht das anders. Die HCB-Belastung im Brückler „Blaukalk“ sei bereits seit 2004 im Altlastenatlas des Umweltbundesamtes dokumentiert.

Die ersten ernsthaften Messungen gab es am 18. Oktober durch die TU Wien. Am 6. November habe man die Ergebnisse erhalten, die HCB-Emissionen bestätigt hätten. Seither wird der Blaukalk nicht mehr verbrannt.

Keine Information

Die Bewohner in der Region sind stark verunsichert. „Der Informationsfluss fehlt“, sagt am Donnerstag Klein St. Pauls Bürgermeister Hilmar Loitsch (SPÖ) beim KURIER-Lokalaugenschein. Welcher Betrieb belastet ist, können selbst die Landwirte nicht beantworten. „Uns informiert kein Mensch“, sagt Peter Krenn. Er steht gemeinsam mit Burkhart Gruber und Michael Moser bei der Milchsammelstelle in Wieting und wartet auf den Milchwagen. Doch der kommt heute nicht.

Gift in Milch: Behörden nahmen Warnungen nicht ernst
Wieting bei Klein St. Paul. Erhöhte Hexachlorbenzol-Belastung

Die Verunsicherung macht auch vor den Behörden, die ein Info-Telefon (05053615205) eingerichtet haben, nicht halt. Trinkwassertests seien negativ verlaufen, ausständig sind Luftmesswerte. Ob Obst oder Gemüse kontaminiert sind, kann niemand klar beantworten. „HCB reichert sich primär in fetthaltigen Lebensmitteln an, die Wahrscheinlichkeit einer Kontaminierung ist gering“, meint Gunter Vogel, Direktor des Lebensmittel-Untersuchungsinstituts. Bei „Bedenken“ möge man Äpfel vor dem Verzehr schälen. Tierschlachtungen seien nicht erforderlich, klärt Landesveterinär Holger Remer auf. „Das HCB wird im Körper einer Kuh binnen eines halben Jahres abgebaut.“

Die Kärntner Politik verschanzt sich hinter dem Argument, dass erst am Dienstag gesetzliche Grenzwerte überschritten worden seien. Landeshauptmann Peter Kaiser war einer der Letzten, der informiert wurde. Er lässt die Causa landesintern aufarbeiten. Aktiv geworden ist indes auch die Justiz. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt vorerst gegen unbekannte Täter.

Hexachlorbenzol ist eine langlebige, krebserregende und auch einen Embryo schädigende Chlorverbindung. „Es ist eine der gefährlichsten Substanzen die wir kennen“, sagt der Chemiker Thomas Jakl, Leiter der Chemikalienabteilung im Umweltministerium. „Sie wird nur sehr langsam abgebaut.“ Hexachlorbenzol zählt zum „Dreckigen Dutzend“ und ist in Österreich seit 1992 als Pflanzenschutzmittel und als Industriechemikalie verboten. „Es gilt ein Totalverbot.“ Heutige Belastungen stammen aus Rückständen, die noch im Boden vorhanden sind und aus Verbrennungsprozessen. „Wenn es zu Belastungen über den Grenzwerten kommt, ist beim Verbrennungsprozess etwas schief gelaufen“, sagt Jakl. Oder die Deponie-Rückstände waren bereits mit Hexachlorbenzol belastet.

Kommentare