"Gift ist überall drin": Drogenbericht zeigt Anstieg in der Suchtkriminalität

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Ermittler legten aktuelle Zahlen zur Drogenkriminalität vor. Diese zeichnen ein deutliches Bild: Der österreichische Drogenmarkt wird professioneller, vernetzter und brutaler.

Zusammenfassung

  • Der Anstieg der Drogenkriminalität in Österreich zeigt eine Professionalisierung und zunehmende Vernetzung der Drogenszene.
  • Abwasseranalysen deuten auf einen höheren als erwarteten Drogenkonsum hin der Wert wird auf mehrere Milliarden Euro geschätzt.
  • Der Drogenhandel nutzt immer mehr digitale Plattformen, während ausländische Tätergruppen verstärkt in Erscheinung treten.

"Gift ist überall drin. Die Drogenkriminalität ist mit vielen anderen Kriminalitätsbereichen verbunden. Das fängt im Verkehr an, wo der Drogenlenker jemanden zusammenführt und geht bis zum Mord unter Drogeneinfluss", fand der oberste Drogenermittler im Bundeskriminalamt, Daniel Lichtenegger, am Donnerstag bei der Präsentation des Suchtmittelberichts 2024 gleich zu Beginn deutliche Worte. 

In Zahlen: Mit insgesamt 37.310 Anzeigen wurde im Vergleich zu 2023 ein Plus von 5,3 Prozent oder 1.865 Fällen verzeichnet. Während die Suchtmittelvergehen um rund fünf Prozent zulegten, stiegen die schwerwiegenderen Verbrechen sogar um mehr als zehn Prozent (plus 304 Fälle). Die Gründe dafür sieht das Bundeskriminalamt (BK) in einer erhöhten Kontrolldichte sowie in der Nachbereitung umfangreicher Ermittlungen aus dem Vorjahr.

Suchtmittelkriminalität in Österreich

Besonders dynamisch entwickelt sich laut Bericht der Handel mit Kokain und synthetischen Substanzen. Unterstützt wird diese Entwicklung durch eine zunehmende Digitalisierung und internationale Vernetzung der Drogenszene – beides Faktoren, die die Strafverfolgung erheblich erschweren. "Die Suchtmittelkriminalität ist eine der größten Herausforderungen in der Verbrechensbekämpfung überhaupt", betonte Andreas Holzer, Direktor des Bundeskriminalamtes. Diese mache sieben Prozent der Gesamtkriminalität aus, wobei man sich aber auch die Begleit- und Beschaffungskriminalität anschauen müsse.

Drogen im Milliardenwert konsumiert

Ein wichtiges Instrument zur Einschätzung des Konsumverhaltens sind mittlerweile Abwasseranalysen. Seit 2016 werden diese regelmäßig durchgeführt – heuer in 17 Regionen. Die Analysen lassen Rückschlüsse auf das Konsumverhalten von rund 3,5 Millionen Menschen zu. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Drogenkonsum in Österreich höher liegt als bisher angenommen.

Der Unterschied zwischen Hell- und Dunkelfeld dürfte gravierend sein, wenn man sich Abwasserproben anschaut.

von Andreas Holzer

Direktor Bundeskriminalamt

"Der Unterschied zwischen Hell- und Dunkelfeld dürfte gravierend sein, wenn man sich Abwasserproben anschaut", glaubt Holzer. Folgt man den Schätzungen, die einen recht weiten Interpretationsspielraum zulassen, könnten in Österreich jährlich sogar Suchtmittel mit einem Wert von mehreren Milliarden Euro konsumiert werden.

Professionalisierung und neue Strukturen

Im Bereich der Cannabisproduktion zeigt sich ein deutlicher Strukturwandel: Kleine Indooranlagen gehen zurück, während professionell betriebene Großanlagen zunehmen. "Teils mit angestellten Gärtnern – Urlaubsanspruch inklusive", beschreibt Lichtenegger den hohen Professionalisierungsgrad. Auch die Zahl der aufgedeckten Drogenlabore – insgesamt zwölf – blieb auf hohem Niveau. Österreichweit wurden im vergangenen Jahr 490 derartiger Anlagen ausgehoben.

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"Gift ist Gift", findet Chefermittler Lichtenegger klare Worte für einen laschen Umgang mit Cannabis.

Ein signifikanter Anstieg zeigte sich bei den Sicherstellungen von Kokain: 259 Kilogramm wurden beschlagnahmt – ein Plus von 68,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die steigende globale Produktion trägt laut BK wesentlich zu diesem Trend bei. Ebenso, zumindest in Österreich, aber die Tatsache, dass es im Vorjahr zu einem historischen Erfolg kam: Die niederösterreichische Polizei konnte bei einem massiven Schlag gegen internationale Drogenhändler 137 Kilo Kokain (Straßenverkaufswert 14 Millionen Euro) sicherstellen. Entsprechend hoch der Anstieg 2024.

Die Folgen der Taliban-Machtübernahme

Heroin hingegen verzeichnete einen Rückgang von über 50 Prozent auf 27 Kilo, was mit dem Rückgang des Opiumanbaus in Afghanistan in Verbindung gebracht wird. Anbau, Konsum und Verkauf der Droge sind dort seit 2021 und damit seit der Machtübernahme der Taliban verboten. "Wir dachten eigentlich, die Lager dort sind noch gefüllt", so Kriminalist Lichtenegger. Geschlossen wurde das entstandene Vakuum offenbar noch von keiner anderen Nation. Besonders gefährlich an der Entwicklung: Viele Abhängige weichen auf noch riskantere synthetische Drogen aus – teils mit fatalen Folgen.

Die meist sichergestellte Droge bleibt Cannabis – mit etwa 2,5 Tonnen auf Vorjahresniveau. "Das ist immer schon ein Renner gewesen", weiß BK-Mann Lichtenegger, der den teils laschen Umgang damit kritisiert: "Gift ist Gift." Was passiert, wenn derartige Drogen legalisiert werden, sehe man in Thailand. Immer mehr Kuriere würden von dort kommend in Wien zwischenlanden und dann am Flughafen Wien-Schwechat auffliegen. "Businessclass mit dem Cannabis im Koffer", weiß der ranghohe Drogenermittler. Tatsächlich kamen allein aus dem südostasiatisches Land im Vorjahr 800 Kilo der konfiszierten 2,5 Tonnen.

Entwicklung der sichergestellten Drogen

Auch synthetische Drogen wie Methamphetamin und Amphetamin spielen weiter eine zentrale Rolle auf dem Schwarzmarkt, davon wurden 56 Kilo sichergestellt. Das ist zwar ein Rückgang von rund 40 Kilo, insgesamt sei der Trend zu "synthetischem Gift" aber ungebrochen. "Mittlerweile haben wir 1.000 synthetische Substanzen am Markt, da wird es selbst für Experten und Ermittler schwierig, diese zu identifizieren. Da laufen wir nach", erklärt der Ermittler. Das sei auch dahingehend ein Problem, dass viele dieser rücksichtlos zusammengemischten Substanzen schon beim Einatmen zu Überdosen und schweren gesundheitlichen Folgen führen können. 

Insgesamt werden die von der Polizei im Jahr 2024 sichergestellten Drogen auf einen Straßenverkaufswert von rund 63 Millionen Euro geschätzt

Syrer im Drogengeschäft am Vormarsch

84,2 Prozent der Tatverdächtigen waren 2024 männlich. Während die Zahl der österreichischen Tatverdächtigen rückläufig ist, stieg sie bei ausländischen Staatsangehörigen – insbesondere bei syrischen Tatverdächtigen – um 43 Prozent. Die meisten Anzeigen betrafen Cannabis (54,9 Prozent), gefolgt von Kokain (17,6 Prozent) und Amphetamin (4,2 Prozent).

Syrer sind mittlerweile für 1.463 Anzeigen in diesem Bereich verantwortlich, das ist ein Anstieg von 45 Prozent zum Jahr 2023. Gefolgt von den Deutschen (1.148; plus 17 Prozent), Serben, Afghanen und Türken. Besonders die serbisch-montenegrinische Clans gelten als hochprofessionell und obendrein skrupellos. "Wenn da Drogen fehlen, wird bestraft. Aber nicht gerichtlich", gibt der Kriminalist einen Einblick in die Welt der Drogenmafia, in der zudem immer öfter zu Revierkämpfen auf österreichischem Boden komme

Laut Bundeskriminalamt stünde zudem die Entwicklung der Maghreb-Staaten im Nordwesten Afrikas am Mittelmeer unter genauer Beobachtung. Vor allem Algerier spielten zuletzt in Wien eine zunehmend bedeutende Rolle in der Drogenkriminalität. Schwarzafrikaner hingegen werden immer weiter vom Markt verdrängt, so Lichtenegger. 

Herausforderungen: Digitalisierung, Gewalt, internationale Strukturen

Der Drogenhandel verlagert sich zunehmend in digitale Räume: Krypto-Messenger, das Darknet und Kryptowährungen werden vermehrt zur Vertriebsstruktur genutzt. Parallel dazu nimmt die Gewaltbereitschaft im Drogenmilieu zu – ebenso wie die Verzahnung mit anderen Formen der organisierten Kriminalität. Verwiesen wurde etwa auf die Bankomatsprenger, die die heimische Polizei seit Monaten auf Trab halten. Erschwerend hinzu komme laut Lichtenegger, dass unterschiedliche Postdienstleister Drogen "frei Haus auf den letzten Berg in Österreich" liefern würden.  

MEDIENGESPRÄCH MIT BK-DIREKTOR ANDREAS HOLZER

BK-Direktor fordert eine Ausweitung der Messengerüberwachung.

Holzer bekräftigte, dass es flexible und adaptive Strategien, um mit neuen Technologien und sich wandelnden Strukturen Schritt zu halten. Konkret forderte Holzer einmal mehr, die Verankerung der Messengerüberwachung in der Strafprozessordnung: "Es ist gut, dass wir in Österreich im Suchtmittelbereich Therapie vor Strafe stellen und in der Bekämpfung der Suchtmittelkriminalität gut aufgestellt sind. Aber wir brauchen ebenfalls zeitgemäße Maßnahmen im digitalen Bereich."

Denn nun, da die Messengerüberwachung für Gefährder auf den Weg gebracht sei, müsse man auch in anderen Bereichen aus dem Dämmerschlaf aufwachen. Auch die Vereinigung der Staatsanwälte sei dafür, dass diese Überwachungsform in der Strafprozessordnung verankert werde. Es gehe nicht um flächendeckende Überwachung, sondern Einzelfälle, die gerichtlich genehmigt werden müssten. "Am Ende des Tages ist das nicht anderes als eine zeitgemäße Form der Telefonüberwachung", so Holzer, der betont, dass man sonst künftig Gefährder überwachen könne, aber keine Schwerkriminellen aus dem Suchtgiftbereich. 

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