Geisterflug: Piloten greifen oft zu spät zur Sauerstoffmaske

Die Minuten des Geisterflugzeuges vor dem Absturz in der Ostsee
Kommt es in einer Reiseflughöhe von 10.000 Meter zu einem abrupten Druckverlust bleiben nur 30 bis 60 Sekunden, bis ein Mensch ohne Sauerstoff die Handlungsfähigkeit verliert. In der Pilotenausbildung wird eindringlich darauf hingewiesen, viele angehende Piloten machen trotzdem oft den Fehler, zuerst Gegenmaßnahmen und Flugmanöver zu versuchen, bevor sie zur Sauerstoffmaske greifen.
Genau ein solches Schreckensszenario dürfte sich nach derzeitigen Erkenntnissen an Bord der in Österreich zugelassenen Cessna 551 des Kölner Unternehmers und Karnevalisten Peter Griesemann zugetragen haben. Die Maschine stürzte am Sonntag, wie berichtet, nach einem mehrere tausend Kilometer langen Irrflug von Spanien bis vor die lettische Küste in die Ostsee. Griesemann (72), der die Cessna pilotierte, seine Frau (68), die Tochter (26) und deren Lebensgefährte (27) dürften bei dem Absturz ums Leben gekommen sein. Am Montag wurden neben Trümmern auch Leichenteile gefunden.
Laut Flugexperten deutet derzeit alles darauf hin, dass der 72-Jährige seine Sauerstoffmaske nicht mehr rechtzeitig aufsetzen konnte.
Kampfjets gingen in die Luft
Die Maschine war Sonntagmittag um 12.57 Uhr Ortszeit von Jerez in Richtung Köln gestartet. Griesemann war ohne Co-Pilot auf sich alleine gestellt. Gegen 13.25 Uhr erreichte der Privatjet die Reiseflughöhe von 35.000 Fuß (10.600 Meter), als per Funk ein Druckverlust aus der Kabine gemeldet wurde. Danach brach der Kontakt ab.
Wie in solchen Fällen üblich stiegen in den jeweiligen Ländern spanische, französische, deutsche, dänische und schwedische Kampfjets auf, konnten aber keinen Kontakt zu den Menschen in der Maschine herstellen. Laut den Angaben der Kampfpiloten konnten sie niemanden im Cockpit der Cessna ausmachen.

Peter Griesemann (re.) hatte Unternehmungen mit 1.500 Beschäftigten. Als Karneval-Größe war er auch mit Karl Moik auf Du und Du
In einem solchen Fall müssen Piloten rasch zur Sauerstoffmaske greifen, sie aufsetzen und dann das Flugzeug so schnell wie möglich sinken lassen. „Um den Luftdruck zu erhöhen und Sauerstoffmangel zu verringern. In der Ausbildung wird jeder Pilot darauf gedrillt, zuerst die Sauerstoffmaske aufzusetzen und erst danach Trouble-Shooting zu betreiben. Denn im Steigflug oder der Reiseflughöhe wird es rasch kritisch und man verliert bald das Bewusstsein“, warnt Oliver Karall.
Er ist Geschäftsführer und Ausbilder der Aviation Academy Austria, die Linienpiloten ausbildet. Dabei beobachtet er, dass bei den Überprüfungen zur Verlängerung der Fluglizenzen oder bei Trainings der Fehler begangen wird, dass zuerst auf die „Cabine Altitude“-Warnung im Cockpit mit Manövern reagiert wird, aber erst danach die Piloten den Sauerstoff anlegen. „Da kann es schon zu spät sein“, sagt Karall.

Oliver Karall beobachtet den Fehler oft am Simulator
Die Cessna flog führerlos im Autopilot-Modus weiter, überflog den Zielflughafen Köln und stürzte vor Lettland in die Ostsee. Ein vergleichbarer Absturz liegt 17 Jahre zurück. Im August 2005 stürzte eine Boeing 737-300 der zypriotischen Fluglinie Helios Air in Griechenland ab, nachdem Pilot und Co-Pilot durch einen Druckverlust in der Kabine das Bewusstsein verloren hatten. Alle 121 Insassen kamen bei dem Unglück ums Leben.
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